Sozialimmobilien haben eine eindeutige Tendenz nach oben. Wenn Sie eine Reihenfolge aufstellen würden, was wäre als Investment am spannendsten? Pflegeeinrichtungen, betreutes Wohnen, Kindergärten, Schulen … ?
Haack: Man kann keine Abstufung in diesem Sinne machen. Natürlich gibt es bei den Investoren großes Interesse zu investieren. Aber der etablierteste Markt ist am liquidesten, und das ist Pflege, betreutes Wohnen und studentisches Wohnen. Unabhängig davon spielt bei Schulen und Kindergärten sehr viel Politik hinein.
Welche Unterschiede sehen Sie in Europa?
Haack: In den Niederlanden ist der Markt deutlich gesättigter als in Deutschland, Österreich oder Frankreich. Zudem gibt es große kulturelle Unterschiede. In Italien oder Portugal ist es üblich, dass man im Familienverbund lebt. Durch diese kulturellen Unterschiede haben wir in Europa einen sehr uneinheitlichen Markt und damit sehr unterschiedliche Wünsche der Pflegebedürftigen.
Sie sind in der Steiermark in sieben Seniorenresidenzen investiert. Was sind die Voraussetzungen für ein Investment?
Großmann: Prinzipiell schauen wir uns bei allen Investments die jeweilige Gesetzgebung im Bundesland an und die Makroökonomie bei den Projekten, um herauszufinden, ob diese auch funktionieren können. Wir sehen, dass sich sehr viele Investoren mit Österreich beschäftigen, da das Land sehr viele Vorteile bietet. Auch wir von AviaRent sind nach wie vor daran interessiert, in Österreich anzukaufen.
Wo sehen Sie die großen Veränderungen bei betreutem Wohnen?
Haack: Betreutes Wohnen PLUS wird innerhalb eines Quartiers als gesamtheitliches Konzept verstanden, in dem noch mehr drinnen sein soll als betreutes Wohnen. Ein mehrgeschoßiger Hauptteil mit ambulantem Pflegedienst, einer Tagespflege und Wohnungen für Einzelpersonen. Der Gedanke dahinter ist, nicht nur die Versorgung der Menschen im Quartier, sondern durch das Quartier auch einen Mehrwert in der Umgebung zu schaffen.
Großmann: Es geht immer mehr um das Thema Impact-Investing. Welche positiven Auswirkungen hat es, wenn wir ein Quartier entwickeln? Wir schaffen neue Pflegeplätze, aber auch Arbeitsplätze – damit verändern wir außerdem das Steueraufkommen in Gemeinden.
Haack: Quartiere erfahren durch die Belebung der Umgebung immer mehr Rückhalt in den Kommunen. Und noch ein Aspekt darf nicht unterschätzt werden. Durch die Schaffung neuen adäquaten Wohnraums für ältere Menschen wird in den Kommunen wieder bestehender Wohnraum frei. Das ist bei Wohnungsknappheit ganz wichtig.
Großmann: Das Ziel ist, den Menschen in diese Quartiere und Immobilien von betreutem Wohnen zu bringen, weil er möchte und nicht, weil er muss. Es geht darum, dass er dort selbstbestimmt wohnen kann und seine individuelle Form an Betreuung erhält. Es geht dabei auch um Sicherheit und sorgloses Wohnen im Alter.
Haack: Bisher wurden Produkte geschaffen mit dem Zweck der Versorgung im Alter. Es bedarf aber eines gewissen Umdenkens, denn die Frage stellt sich: „Was wollen die Senioren im Alter?“ Als Bewohner bin ich der Nachfrager einer Leistung, und die Betreiber richten ihr Angebot nach den veränderten Ansprüchen der Bewohner aus. Und die Grundbedürfnisse sind Selbstbestimmung und individuelle Pflegeleistung und die Qualität der Leistungen, die auf ähnlichem Niveau wie die Dienstleistung in der Hotellerie liegen. Der Servicegedanke steht an oberster Stelle.
Sollte nicht der Staat die Betreuung übernehmen?
Großmann: Wir denken, es ist nicht die Aufgabe des Staates, Pflegeimmobilien anzubieten, sondern die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Aufgabe des Staates ist es u.a. verbesserte Arbeitsmarktbedingungen für das Pflegepersonal insgesamt zu schaffen.
Gleichzeitig muss der Staat auch die Bedingungen für die Schaffung neuer Pflegeplätze verbessern. Uneinheitliche Verordnungen auf Länderebene und striktere Vorgaben sind dabei nur ein Hindernis. Denn eins ist klar und heute schon sicher: Ohne privates Kapital wir der Bedarf an Pflegeplätzen in Zukunft nicht annähernd gedeckt werden können.
Was wird sich Ihrer Meinung nach bei „betreutem Wohnen“ in den nächsten Jahren am stärksten ändern?
Haack: Aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen wir dringend Plätze schaffen, und das können wir nur dort tun, wo das Angebot auf die Nachfrage trifft. Dort können wir ganzheitliche Konzepte entwickeln. Die Branche wird sich mehr und mehr dort hinbewegen. Das hat auch damit zu tun, dass wir steigende Grund- und Baukosten haben. Allerdings hat man im betreuten Wohnen eine andere Regulation, und damit lassen sich die Gebäude anders konzipieren. Ich denke, dass sich die Gesamtstruktur sehr verändern wird. Die stationäre Pflege ist ein tragendes Element, aber wenn wir bedenken, dass wir 880.000 Plätze haben und noch über 400.000 brauchen, dann muss ein Weg gefunden werden, um diese Plätze zu schaffen, und es muss natürlich auch möglich sein, die Projekte – bzw. die Menschen darin – zu betreuen.
Großmann: Es müssen viele Milliarden Euro in die Hand genommen werden, um den Bedarf zu decken. Das Berufsbild der Pflegerin oder des Pflegers wird sich grundsätzlich ändern. Es wird und muss in der Gesellschaft eine höhere Akzeptanz bekommen.
Wir sehen auch in den Quartieren, die wir entwickeln, wie sich diese architektonisch verändern. Mit Heimen von vor 20 bis 30 Jahren sind die heutigen Pflegeimmobilien gar nicht mehr zu vergleichen. Sie haben ein ganz anderes Wohngefühl, und das wird sich weiterentwickeln, weil die Nachfrage da ist.
Für welche Investoren sind Pflegeimmobilien interessant?
Großmann: Investoren und Fonds kaufen gerne ein Hochglanzprojekt, was zum Beispiel bei einer Büroimmobilie der Fall ist. Das ist natürlich bei Pflegeheimen anders, denn die sehen auch anders aus. Aber sie verändern sich, sie werden sehr ansehnlich und damit attraktiv – auch für Investoren.
„Wohnen“ ist immer ein sehr emotionales Thema. Investoren wissen mittlerweile, dass solche Immobilien eine durchaus interessante Variante sind. Rendite ist eine Zahl am Ende des Tages und steht zwar im Vordergrund, aber auch etwas Gutes und Sinnvolles zu tun wird bei einem Investment immer wichtiger.