Waren die Shoppingcenter zunächst noch als Konsumtempel geplant, so haben sich ihre Aufgaben in den letzten Jahren immer mehr verschoben. Nicht mehr nur das Einkaufen steht im Vordergrund, es wird auch eine ganz andere gesellschaftliche Funktion erfüllt: ein Ort zu sein, wo man sich mit anderen treffen und austauschen kann. Das Shoppingcenter übernimmt sozusagen die Aufgabe des alten Marktplatzes. „Das Shoppingcenter 2020 sollte der soziale Treffpunkt werden, das ,kommerzielle Wohnzimmer‘ für die Besucher und der Aspekt ,Let’s meet in the mall‘ wird der Beweggrund, um ein Shoppingcenter zu besuchen“, fasst ACSC-Obmann Stephan Mayer-Heinisch einige Ergebnisse einer soeben fertig gestellten ACSC-Studie über „Die Zukunft des Shoppingcenters“ zusammen. Der ACSC (Austrian Council of Shopping Centers) hat im Sommer 2010 insgesamt 18 internationale Shoppingcenter-Experten– Shoppingcenter-Betreiber und -Entwickler, Financiers, Einzelhandels-Filialisten, Verkaufsflächen-Vermarkter und Consulter– zur Situation der Shoppingcenter und Retail-Parks in Österreich, West- sowie Zentral- und Südosteuropa (CEE und SEE) in Tiefeninterviews befragt und um eine Zehn-Jahres-Prognose gebeten. Interessant war dabei nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem auch die Einheitlichkeit bei der Einschätzung der Zukunft von Shoppingcentern. „So unterschiedlich die Ausgangspositionen der Befragten auch sein mögen– schließlich hat eine Handelskette oft etwas andere Interessen als der Betreiber von Shoppingcentern oder dessen finanzierende Banken bzw. Fonds–, so einheitlich ist der Grundtenor, wonach die Durchschnittsmall mit dem Durchschnittskunden verschwinden wird“, stellt die Studie laut Mayer-Heinisch fest, der als internationaler Handelsconsulter mit Sitz in Wien tagtäglich mit Fragen der Neu- und Weiterentwicklung von Einkaufszentren befasst ist.
Wenige Möglichkeiten für Shoppingcenter-Neubauten
Einig sind sich alle Befragten darüber, dass die Entwicklungsmöglichkeiten für neue Shoppingcenter in Österreich äußerst beschränkt sind. Umso mehr besteht aber bei vielen bestehenden Centern ein dringender Bedarf an intelligentem Refurbishment. „Substanzielle Aufrüstung und nicht Binsen-Sanierung“ seien nötig, sagt Mayer-Heinisch. Probleme würden auf alle jene Betreiber zukommen, „die nicht begriffen haben, dass Shoppingcenter nicht nur für die Bedarfsbefriedigung da sind.“ Der ACSC-Obmann weiter: „Das Shoppingcenter der nahen Zukunft muss den Sprung zum sozialen und geselligen Treffpunkt, zum Aufenthaltsort, zum kommerziellen Wohnzimmer schaffen.“ Anders ausgedrückt: Es muss sich als Convenience-Center etablieren und sich jeweils zur Marke entwickeln– wobei diese von den befragten Experten einhellig definiert wurde. Mayer-Heinisch: „Einer der Experten hat das Shoppingcenter der Zukunft als ,Ort mit dem Leitthema Einkaufen‘ bezeichnet“, wo die drei Komponenten ökologische, ökonomische und soziologische Nachhaltigkeit zusammenwirken würden.
Edutainment wird kommen
Gefragt seien weiters Innovationen für den Kunden, der im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen müsse, was bisher gelegentlich nicht wirklich der Fall sei. Mehr- oder Multifunktionalität der Center, eine Steigerung des Servicecharakters– inklusive Zustelldiensten–, bessere Kommunikation mit dem Kunden sowie Angebote der Unterhaltung und des Edutainments– das heiße Mehrwert-Schaffung durch Erlebnis- und Erfahrungsgewinn– würden immer wichtiger und je nach Ausmaß die Konkurrenzfähigkeit des Shoppingcenters stärken. Nicht zu übersehen seien bei allen diesen Überlegungen die Golden Agers, die zwar nicht jeden Modetrend mitmachten, aber spezifische Ansprüche hätten und auch zunehmend städtische Agglomerationen als Wohnsitz suchten, die von Shoppingcentern keinesfalls vernachlässigt werden dürften. Diese Golden Agers– „Das Geld geht am Stock“, wie es ein Experte ausdrückt– wollen lange Wege vermeiden, weshalb „ihr“ Shoppingcenter mehr Funktionen erfüllen müsse als heute üblich. „Aufenthaltsqualität“ und „Kundenbehaglichkeit“ gelte es daher signifikant zu erhöhen.
Handlungsbedarf teilweise sehr groß
Die ACSC-Studie zeigt den Handlungsbedarf sowohl für bestehende Center als auch für die wenigen noch möglichen Neubauten auf: „Ansprechende schönere Architektur, besseres (Innenraum-)Design samt städtebaulicher Integration der Zentren sind ebenso gefragt wie Energie-Effizienz und ökologische sowie soziokulturelle Nachhaltigkeit“, sagt der ACSC-Obmann. Die Ökologisierung bestehender Center dürfe aber keinesfalls in eine „grüne Bemäntelung“ münden, warnen die Experten. Ganz im Gegenteil: „Green is key“, formuliert einer der größten europäischen Shoppingcenter-Investoren, weil seine Geldgeber, große europäische (Pensions-)Fonds, die Ökologisierung einfach verlangten. Vor allem Developer und Retailer verweisen darauf, dass schon allein aus Gründen der Betriebskosten-Stabilisierung Geothermie, Windkraft, Sonnenenergie, vermehrte Tageslicht-Nutzung usw. intensiv genützt werden müssten, energiesparende Bauweisen sowieso– von Klimaschutz-Effekten, wie CO2-Einsparung, ganz abgesehen. „Die befragten Shoppingcenter-Experten, darunter, wie schon gesagt, auch mehrere große Shoppingcenter-Betreiber, üben damit auch unverhohlen Kritik an den bestehenden Verhältnissen“, so Mayer-Heinisch weiter: „In der Krise hat man gelernt, das man bei Ebbe sieht, wer nackt schwimmt.“
Stärkere Tendenz in Osteuropa
Die Entwicklung zum sozialen Treffpunkt ist aber nicht nur auf Westeuropa beschränkt, sondern hat in den CEE Ländern sogar einen noch größeren Stellenwert. Marcus Wild, CEO von SES Spar European Shopping Centers: „In den CEE-/SEE-Ländern spielt ein Einkaufszentrum als sozialer Treffpunkt eine noch größere Rolle als zum Beispiel in Österreich.“ Es ist wichtig, einen Ort mit Aufenthaltsqualitäten zu schaffen, insbesondere in den CEE/SEE-Staaten, da die Innenstädte noch einen langen Weg der Revitalisierung vor sich haben. Zudem verfügt die Bevölkerung nicht über den „privaten Luxus“, wie man ihn in den Shoppingcentern findet. „Die Wohnsituation ist allgemein so, dass man gerne seine Zeit an einem tollen Dorfplatz verbringt und auch konsumiert und einkauft“, erklärt Friedrich Wachernig, Vorstandsmitglied der S IMMO. Obwohl das Serdika Center in Bulgarien eines der größten Shoppingcenter in Südosteuropa ist und das Sun Plaza in Bukarest das größte Einkaufszentrum Rumäniens, setzt auch Wachernig auf den „Meeting Point“-Effekt: „Wir bieten Entertainment und Veranstaltungen und die Leute erwarten auch zusätzliche Attraktionen.“ Die S IMMO nutzt die Gunst der Stunde und man macht aus dem Shoppingcentern noch mehr als einen Treffpunkt: „Das Serdika Center ist der Modeplatz von Sofia.“ Unter anderem wurden zehn Formel-1-Wagen ausgestellt– etwas, was es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Das spricht sich herum. Die anderen Center machen solche Veranstaltungen noch nicht, „aber sie werden daran nicht herumkommen. Wir haben den Wettbewerb der Ideen“, skizziert Wachernig die Situation.