Zwischen 8.000 und 13.000 Hektar Brachflächen
Nach wie vor beanspruchen Siedlungen immer mehr Flächen. Daraus ergeben sich unerwünschte Begleiterscheinungen, wie hohe Kosten für den Bau und die Erhaltung von Infrastruktur, Zersiedelung und Verlust an Urbanität. Betrachtet man die Zahlen des Umweltbundesamts, dann wird erst das Ausmaß dieser Verschwendung ersichtlich:
In Österreich werden täglich 20 Hektar wertvolles Grün- und Ackerland durch Siedlungs- und Verkehrstätigkeit versiegelt, während gleichzeitig rund drei Hektar an Industrie- und Gewerbeflächen brachfallen. Bei 3.000 bis 6.000 brachliegenden Industriestandorten in Österreich und Brachflächen im Ausmaß von 8.000 bis 13.000 Hektar – somit einer Fläche in der Größenordnung der Stadt Linz – sowie einem jährlichen Anfall an Industriebrachen von etwa 1.100 Hektar könnte rund ein Viertel des jährlichen Flächenneubedarfs durch die Revitalisierung von verlassenen Industriestandorten eingespart werden.
„Die Nachfrage für Beratungsleistungen zu frei werdenden Flächen mit ehemals militärischer und industrieller Nutzung ist in den letzten Jahren gestiegen“, erklärt Marc Guido Höhne, Geschäftsführer Drees Sommer Projektmanagement und bautechnische Beratung GmbH: „Dies ist vor allem bei den strukturschwachen Regionen zu verzeichnen. Hier greifen demografischer Wandel und Wegzug in die Metropolregionen ineinander.“ Von „Shrinking Cities“, also schrumpfenden Städten, spricht man in diesem Zusammenhang und, „neben dem Thema Nachnutzungsalternativen gewinnt der Begriff Rückbauszenario eine immer größere Bedeutung“, so Höhne.
Es fehlen die Ideen
Oftmals fehlt es nicht einmal am politischen Willen, die entsprechenden Brachflächen – egal, ob innerstädtisch oder auf dem Land – zu verwerten. Es fehlen die Ideen im Umgang mit dieser wertvollen Ressource. Häufig fällt die Entscheidung zwischen Wohnen und Einkaufen. Vor allem bei Einkaufsmöglichkeiten sollte sehr genau überlegt werden, was in welcher Form überhaupt benötigt wird, wobei etwa SES-Chef Marcus Wild für eine enge Kooperation zwischen Betreiber und Kommunen plädiert, denn nur das sei wirklich erfolgversprechend: „Das Wichtigste ist, den Handel von Beginn an in die Überlegungen der Stadtplanung einzubeziehen. Leider werden vonseiten der Stadtplaner immer wieder viele Fehler in der Funktionalität für den Erfolg von Handel und Dienstleistung gemacht , weil die Kompetenz bei Architektur und Planung in der Stadt nicht zur Genüge vorhanden ist.“ Bei der SES gibt es viele Beispiele für eine gelungene Zusammarbeit mit Städten, wie den MURPARK Graz, bei dem in Form einer Private Public Partnership mit der Stadt vorbildlich kooperiert und somit auch viel geschaffen wurde – vor allem im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und damit der Erreichbarkeit.
Gemeinsam sind wir stark
Wild: „Die Bedeutung von Private-Public-Partnership-Modellen bei Shopping-Centern nimmt zu und schließt die Infrastruktur schon beinahe standardmäßig mit ein.“ Überhaupt werden PPP-Modelle künftig wichtig sein, ist Arnold Vielgut, Partner und Geschäftsführer von Vasko+Partner, überzeugt: „Vor allem partnerschaftliche Modelle, bei denen auch die Unternehmen Verantwortung und Risiko für die Gesellschaft bzw. die Gemeinde übernehmen – unter Berücksichtigung von Lebenszyklusphasen –, sollten künftig einen besonderen Stellenwert erhalten. Diese gesamthaften Modelle haben nicht bloß die Finanzierung der Anschaffungskosten im Fokus, sondern berücksichtigen auch die laufenden Betriebskosten während der tatsächlichen Nutzung. Wesentlich ist dabei das Zusammenwirken von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft.“ Er empfiehlt vor allem eine PPP-Zusammenarbeit, bei der langfristig die Verantwortung für die Grundversorgung bei der öffentlichen Hand liegt, wie etwa bei Sozial- und Gesundheitsprojekten. Das sind Projekte, bei denen sich die Kommune nicht auf die Errichtung und den Betrieb konzentriert, sondern die Versorgungsqualität der Bevölkerung im Zentrum steht. Dies gilt aber auch für Verwaltungsprojekte. Vielgut: „Die Basis für jedes PPP-Modell ist ein sorgfältig und maßgeschneidert ausgearbeiteter Vertrag, der das Risiko beider Partner definiert.“
Multifunktionale Projekte
Der Trend zu multifunktionalen Stadt- und Quartiersentwicklungsprojekten ist der beste Beweis für das richtige Maß in der Anpassung von Shopping-Centern an ihren Standort und den Erfolg von ganzheitlicher Planung. Wild: „Ist der Raum für Arbeit, Wohnen, Shoppen und Freizeit richtig dimensioniert, profitieren die Bereiche voneinander und beleben auch ihr Umfeld langfristig.“ Christian Wagner, Christian Wagner Partner Real Estate GmbH, sieht aus eigener Erfahrung, dass Mixed-Used-Immobilien gute Chancen haben, wobei er sich bei seinen Consultingtätigkeiten oftmals mit dem Thema Hotel befasst ist: „Es muss in Richtung Mixed-Used-Projekte gehen – vor allem bei Hotels, die in mittelgroßen Städten entstehen. Entweder ist eine Mischung mit Wohnen interessant oder eine mit kleineren Einkaufsmöglichkeiten, die von der Größe her in diese Region passen.“
Wagner bemerkt bei seiner Beratungstätigkeit aber auch, wie weit die Vorstellungen der Verantwortlichen und der Realität eigentlich auseinandergehen, und ortet einen enormen Beratungsbedarf, speziell in kleineren Gemeinden: „Es gibt eine große Schere zwischen den Vorstellungen und der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit“, bringt er seine Erfahrungen auf den Punkt. Seine Empfehlung daher: Vor wesentlichen Entscheidungen und Schritten sollte man Profis kontaktieren.
Hotel etwas anders
Ein Hotel kann auch eine sinnvolle Möglichkeit für die Nutzung von Freiflächen sein – auf das Konzept kommt es an. In Traiskirchen, Loosdorf oder Liezen plant die Miles Group derzeit Hotelprojekte mit einem neuen Konzept, wie Eckhard Horstmeier, Projektentwickler bei der Miles Group, erklärt: „Wir machen immer sehr genaue und umfangreiche Standortanalysen. Darauf bauen die Anzahl und die Art der Zimmer auf. Es gibt eine Reihe von wichtigen Kriterien, die der Geschäftsreisende erfüllt haben möchte: gute Erreichbarkeit (Autobahnnähe), Parkplatz vor der Tür, schneller Check-in, WLAN, absolute Sauberkeit und eine sehr gute Qualität der Zimmer.“ Auch wenn die Zimmer entsprechend gestaltet sind, ist die Größe bei diesem Konzept nicht das ausschlaggebende Kriterium. Wer nur schlafen, duschen und sich ausrasten möchte, erwartet kein riesiges Zimmer. Horstmeier: „Wir gehen nicht in große Städte, da wir den Bedarf an den anderen Standorten genauso sehen, wo wir jedes Hotel zielgerichtet entwickeln.“ Betrachtet man die Voraussetzungen, die ein Grundstück für die Miles Group haben muss, vervollständigt sich das Konzept: „In jedem Fall muss ein Standort schnell erreichbar sein. Idealerweise liegt er direkt an der Autobahn – mit möglichst vielen Gewerbebetrieben in der Nähe, da bei unserem Konzept sehr stark auch auf die Auslastung durch Schulungen und Seminare gesetzt wird. Es sollten Restaurants in der Nähe erreichbar sein, da wir dieses Segment in den Hotels nicht abdecken.“ Eine Zugverbindung macht den Standort für Horstmeier noch interessanter, doch wird dieser im Vorfeld genau geprüft: „Wir machen immer sehr genaue und umfangreiche Standortanalysen.“
Wie wäre es mit Baurecht?
Wohnen wird immer teurer, aber es gibt es Möglichkeiten, es nicht nur günstiger zu machen, sondern auch den Kommunen regelmäßige Einnahmen zu verschaffen. Eine Möglichkeit sind Neubauprojekte auf Baurechtsgrundstücken. Bei der Baurechtskonstruktion handelt es sich zwar um eine komplexe Angelegenheit, doch bietet ein Baurecht sowohl Vorteile für den Grundeigentümer als auch für die Wohnungskäufer. Bei einem Baurecht, das beispielsweise über 100 Jahre vergeben wird, ist und bleibt?ein Baurechtsgeber Grundstückseigentümer, und er kann sich einen bis zu 100-jährigen Baurechtszins sichern. Für den Käufer einer Wohnung auf einem Baurechtsgrundstück entstehen ebenfalls einige Vorteile. In der Finanzierungsphase schafft man sichere Einsparungen bei Kapital, Zinsen und dem Einsatz von Sicherheiten. Man zahlt zwar den Baurechtszins, hat aber keine eingerechneten Grundstückskosten beim Wohnungskauf – bezahlt also nur das Bauwerk und damit deutlich weniger als bei Eigentumswohnungen. Auf dem Land ist das aufgrund der niedrigeren Grundstückspreise weniger ein Thema, aber bei innerstädtischen Flächen kann diese Option durchaus interessant sein. Hannes Horvath, Geschäftsführer von DURST-BAU, der mit seinem Unternehmen das erste Baurechtsmodell für Wohnbauten in Österreich abgewickelt hat: „Wir haben den Versuch gewagt, in der Sieveringer Straße 15B in Wien ein entsprechendes Projekt realisiert und dabei einen bemerkenswerten Erfolge erzielt.“
Gesundheits- und Sozialimmobilien
Die leeren Brachflächen könnten auch mit einem Blick auf die demografische Entwicklung genützt werden. Diese betrifft zum Beispiel Pflege-, Gesundheits- oder Sozialimmobilien. Es muss ja nicht gleich ein Krankenhaus sein – eine der komplexesten Immobilien überhaupt –, aber als Verantwortlicher sollte man sich doch Gedanken machen, wie sich die Bevölkerung der eigenen Stadt oder Gemeinde in Zukunft entwickelt – es ist anzunehmen, dass sie irgendwann überaltert. Die Anzahl der pflegebedürftigen Personen wird deutlich zunehmen, sodass eine große Anzahl an neuen „Pflegeplätzen“ benötigt wird. Problematisch ist jedoch, dass der genaue Bedarf nicht exakt berechnet werden kann. Ebenso ist nicht absehbar, wie die Problematik des Fachkräftemangels im Pflegesektor behoben werden kann. Im Bereich der Gesundheitsimmobilien wird der Markt künftig in Bewegung sein, da viele Krankenhäuser aufgeben werden müssen und sich Klinikketten durchsetzen werden, die ebenso von Synergie- und Skaleneffekten profitieren wie Ärztehäuser und medizinische Versorgungszentren, die immer mehr die gängigen Arztpraxen ablösen werden. Durch die Veralterung der Bevölkerung und Kooperationen mit zum Beispiel Apotheken oder Pflegeeinrichtungen wird dieses Marktsegment weiter wachsen. Wer für diesen Bedarf Flächen zur Verfügung stellen kann, der hat nicht nur die Möglichkeit, seine Brachen zu nutzen, sondern schafft auch Arbeitsplätze und soziale Infrastruktur innerhalb der Kommune.
Soziale Infrastruktur
Apropos soziale Infrastruktur: Auch in die andere Richtung sollte man denken: zum Beispiel an Kindergärten oder zumindest an die Möglichkeit einer Kinderbetreuung für Berufstätige und Alleinerzieher. Für Vielgut von Vasko+Partner ist die Kinderbetreuung ohnehin einer der wichtigsten Faktoren, denn „die Betreuung der Kleinsten gewährleistet eine stärkere Bindung der Bevölkerung an ihre Gemeinde“. Auch dabei sind PPP-Modelle eine gute Sache: „Hier braucht es starke und verlässliche private Partner und gute gemeinsame Ideen, mit denen die Kommunen unterstützt werden können. Gemeinsam mit den Gemeinden sollten neue Konzepte zur Sicherung des Grundbedarfs entwickelt werden.“
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