„Das Jahr 2020 hat uns allen vor Augen geführt, wie schnell sich die Rahmenbedingungen für Arbeiten und Wohnen verändern können“, meint Heinz Fletzberger, Vorstand der SÜBA AG. Kurzfristige Anpassungen sind allerdings für die Bauträger enorm schwer. So meint etwa Anton Bondi, Bondi Consult: „Wohnimmobilien, die sich schon in Bau befinden, sind natürlich schwieriger anzupassen als jene im Planungsstadium. Nach der Mikrowohnung, die jahrelang das Beste war, kommt jetzt wieder der Drang nach mehr Wohnraum.“ Leichter tue man sich bei Büroimmobilien: Wo der Innenausbau noch nicht erfolgt sei, kann „ein Stück weit“ angepasst werden.
Kurz- und langfristige Korrekturen
Kurzfristige Bewegungen können demnach nur schwer ausgeglichen werden, langfristig lässt sich der Weg aber noch korrigieren. Das betrifft zwar auch die einzelnen Projekte, aber in weiterer Folge vor allem die Stadtentwicklungen, die sich über Jahre spannen. „Der Trend geht eindeutig in die Richtung, dass wir keine ,reinen‘ Bürogebäude anstreben, die am Abend ausgestorben sind, und kein ‚reines‘ Wohnen, wo nur am Abend Leben einzieht, und keine ‚reinen‘ Retail-Bereiche, die nur eine Shopping-Mall sind“, meint Kurt Rusam, COO der Eyemaxx Real Estate Group. Für ihn führt die weitere Entwicklung zu einem Campus mit Arbeiten und Leben im Grünen. Die Entwicklung von Co-Working zu Co-Living bringt Büros hervor, die einem neuen Lifestyle zwischen Job und Familie gerecht werden.
Vom Projekt zum Stadtteil
Daraus folgt auch ein Neudenken der Stadtzentren – dies nicht nur im Hinblick auf ihre Funktion als Touristenmagneten wegen der Geschichte und der historischen Gebäude, sondern auch hinsichtlich des Zusammenspiels von Leben, Wohnen und Arbeiten. Heinz Fletzberger: „Für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist es wesentlich, dass die zur Verfügung stehenden Flächen zukunftsorientiert genutzt werden.“ Die Gesellschaft ist seit der Krise offen für Neues, und der Trend lässt Veränderungen im Denken und Wahrnehmen erkennen, die sich 2021 weiter etablieren werden. Es wird sich ein Verschwimmen der einzelnen Bedürfnisse auch im Arbeitsalltag widerspiegeln. „Serviceeinrichtungen wie Kinderbetreuung, medizinische Versorgung und Fitness sind absolute Must-haves – idealerweise gekoppelt mit einem grünen Freiraum“, meint Rusam.
Nachhaltige Gebäude
Eine CO2-neutrale und klimaneutrale Bauweise, der Re-Use von Materialien im Refurbishment und der ressourcenschonende Umgang mit der Umwelt gewinnen noch mehr an Bedeutung – wobei über über den Lebenszyklus ein wichtiger Teil der Ressourcen an die Nachwelt zurückgegeben werden soll. Die Energiewende im Gebäude „kann allerdings nur mit gemeinsamen Strategien gelingen“, ist Klaus Wolfinger, Wolfinger Consulting, überzeugt. Für ihn ist hier die Bündelung aller Kräfte sowohl von politischer als auch von privatwirtschaftlicher Seite notwendig.
Gedanken zur Projektentwicklung
Für Maxim Zhiganov, Geschäftsführer von WK Development, liegt das Hauptaugenmerk aber nicht nur auf dem Umgang mit dem Klimawandel, sondern auch „auf den aktuellen Lebensumständen der Menschen. Man muss noch stärker auf die Bedürfnisse der Menschen reagieren.“ Er sieht daher im Premium-Segment weniger das räumliche Auslagern des Büros als Trend als die Adaptierung eigener Spielflächen bzw. Aufenthaltsräume im Gebäude, um mehr Platz in den Wohnungen zu schaffen. Im Bereich Wohnen werden vermehrt Projekte entstehen, die die sozialen Aspekte, die Gesamtatmosphäre der Immobilie, das damit verbundene Lebensgefühl und alternative Mobilitätsformen berücksichtigen“, ist TRIO-Geschäftsführer Knut Drugowitsch überzeugt. Beim Wohnprojekt „Hygge“ in Wels von TRIO Development wurde diesen Aspekten viel Platz eingeräumt. So werden „spezielle E-Lastenfahrräder sowie E-Bikes samt eigener Radwerkstatt allen Wohnungseigentümern im Rahmen eines E-Bike-Sharings zur Verfügung gestellt“. Das zweistöckige Wohnhaus ist sogar so konzipiert, dass man mit den Lastenfahrrädern bis vor die Wohnungstür fahren kann.
Dem Gemeinsamen gehört die Zukunft
Unabhängig von den Entwicklungen der Immobilie an sich zeigt sich ein immer stärkeres Verständnis für das Gemeinsame. „Um urbane Gebiete weiterzuentwickeln, ist die Integration von neuen, innovativen Technologien in Planungskonzepte wichtig“, so Andreas Köttl, CEO von Value One: „Damit solche Entwicklungen in Zukunft umgesetzt werden können, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Entwicklern und Baufirmen.“ Kollaboration wird damit einer der Key-Values von urbaner Projektentwicklung sein. Zukünftige Entwicklungen werden dezentral geplant und kollaborativ erarbeitet. Köttl: „So entstehen innovative Mixed Use Assets, die auf neue Marktgegebenheiten jederzeit reagieren können.“