Österreich kann sich sehen lassen. 8.500 Gebäude in Passivhaus-Standard gibt es derzeit im Land, während es im gesamten EU-Raum insgesamt lediglich 32.000 sind. Bei den Objekten dominiert zwar nach wie vor das Einfamilienhaus, nimmt man die Nutzflächen als Vergleichswert, liegt das Einfamilienhaus aber bei nur 15%. Der Trend geht also eindeutig Richtung großvolumige Objekte– in Österreich. In der gesamten EU gibt es 14 Millionen Quadratmeter in Passivhaus-Standard, wobei es alleine in Österreich sechs Millionen sind.
Sonderstellung unter den europäischen Metropolen
In Wien stehen weitere 20 Projekte mit insgesamt 2.500 Wohnungen kurz vor Baubeginn oder sind geplant. Für Johannes Kislinger, Obmann der IG Passivhaus Ost, nimmt daher die Bundeshauptstadt in Fragen energieeffizienten Bauens eine Sonderstellung unter allen europäischen Metropolen ein: „In absoluten Zahlen ist Wien bereits Passivhaus-Welthauptstadt. Die Besonderheit sind die vielen energetisch ausgezeichneten großvolumigen Wohnbauprojekte.“ In allen Stadterweiterungsgebieten setzt Wien auf Passivhaus-Standard– wie bei der Seestadt Aspern oder Eurogate im 3. Bezirk. Damit ist das Passivhaus in der Breite angekommen, es ist State-of-the-art im Wohnungsneubau. Dabei will Kislinger aber nicht eine bestimmte Technologie festschreiben. Der IG Passivhaus Ost geht es um eine Denkhaltung, die eine ständige Weiterentwicklung nicht nur ermöglicht, sondern geradezu herausfordert. Die Bauwirtschaft ist grundsätzlich ein Wirtschaftszweig mit hohem Ressourcenverbrauch. Deshalb ist sie auch besonders in der Pflicht, mit allen Ressourcen sorgsam umzugehen– vom Baustoff über die Errichtung von Gebäuden bis zu deren Nutzung und letztlich auch im Rückbau.
Gesunder, leistbarer und ökologischer Wohnraum
Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, als amtsführende Stadträtin verantwortlich für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung, unterstreicht die Bedeutung energieeffizienten Wohnbaus: „Es ist unsere Aufgabe, möglichst gesunden, leistbaren und ökologischen Wohnraum für alle Wienerinnen und Wiener bereitzustellen.“ Aber auch im Bereich der Büro- und Gewerbegebäude soll Energieeffizienz stärker betont, das Hochhauskonzept durch klare Energie- und Stromeffizienzziele ergänzt werden, so Vassilakou. Ein großes Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz liegt in der schonenden Erneuerung historischer Stadtgebiete und traditioneller Siedlungsachsen wie etwa des Wientals, des Gürtels und der Inneren Stadt. Der überwiegende Teil der Gebäude in diesen Zonen ist älter als 50 Jahre und birgt ganz besonders hinsichtlich der energetischen Qualität große Möglichkeiten. Es ist dies jener Bestand an Immobilien, der in Europas Städten den größten Teil ausmacht und der uns auch in den nächsten Jahrzehnten vor die größten Herausforderungen stellen wird.
Wohnraum und Information
Die OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH (OeAD-WV), eine 100-%-Tochter der OeAD-GmbH, verwaltet in Wien zurzeit 2.350 Heimplätze, österreichweit in allen Universitätsstädten 3.550. Diese OeAD-Gästehäuser stehen internationalen Studierenden und GastforscherInnen der Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von vier Monaten beherbergt die OeAd-WV somit etwas mehr als 10.000 internationale Gäste pro Jahr. Günther Jedliczka, Geschäftsführer der OeAD-WohnraumverwaltungsGmbH und Vorstandsmitglied der IG Passivhaus Ost: „Die internationalen Studierenden und GastforscherInnen haben damit die Möglichkeit, ein Passivhaus ganz persönlich zu erleben.“ Sie alle gehen an ihre Heimat-Universitäten zurück und sind damit wichtige Markenbotschafter für das Passivhaus. Da diese Gäste nur in den wenigsten Fällen mit den Besonderheiten eines Passivhauses vertraut sind, erhalten sie zu Beginn einen Informationsfolder. Darin erklärt die OeAd-WV einerseits die Idee des Passivhauses, seine Energieeffizienz und räumt mit Vorurteilen auf (wie dem der nicht öffenbaren Fenster), andererseits erklärt sie den Umgang mit dem Gebäude.
Hohe Lebensqualität in den eigenen vier Wänden
Die größten Vorteile für die Bewohner sieht Michael Pech, Mitglied des Vorstands des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW), im Bereich der Lebens- und Wohnqualität in einem Passivhaus. Die Tatsache, dass keine Kältestrahlung von Fenstern und Wänden ausgeht und die Temperatur im Raum gleichmäßig verteilt ist, sorgt für Behaglichkeit und Wohlgefühl. Ausgereifte Filtersysteme stellen eine sehr hohe Raumluftqualität sicher, da Pollen und Feinstaub aus der Raumluft entfernt werden. Bei all diesen Vorzügen dürfe man auf die Kostenwahrheit nicht vergessen, so Pech weiter: „Die Errichtung eines Passivkomforthauses ist etwas kostspieliger als die eines herkömmlichen Gebäudes. Auch die Instandhaltung, wie zum Beispiel die Reinigung der Lüftungsanlage bzw. die Erneuerung der Lüftungsfilter, ist etwas kostenintensiver. Dem gegenüber stehen erhebliche Kosteneinsparungen bei der Raumwärme.“ Im Vergleich zu einem Haus aus den 50er-Jahren bietet das Passivhaus eine Heizkostenersparnis von bis zu 90%, verglichen mit einem heute üblichen Niedrigenergiehaus ist von einer Einsparung von rund zwei Dritteln auszugehen. Das ÖSW hat die Kosten genau verglichen, so Pech: „Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von ca. 75 Quadratmetern beträgt die Heizkostenersparnis ca. 20 Euro pro Monat. Unter Berücksichtigung der Kosten für die Warmwassererzeugung, die ja gleich bleiben, ergibt sich, aufgrund des steigenden Energiebedarfs, im Gesamtenergieaufwand eine Kostenersparnis von rund 50% beim Passivhaus.“