Die Digitalisierung ist speziell in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine wichtige Unterstützung für Unternehmen. Digitale Lösungen helfen, die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings nur, »wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man es hat, wenn man es braucht«, um den Werbeslogan einer bekannten Bank aus den 80ern zu zitieren. Das wurde aber in vielen Fällen verabsäumt. »Die Vorteile der Digitalisierung werden in der Baubranche noch kaum genutzt«, sagt Robert Plomberger vom Kompetenzzentrum Future Digital. Mithilfe seines eigens entwickelten DIGICHECK und Reifgradmodell wurde im Rahmen zweier Kooperationsprojekte mit der Zukunftsagentur Bau der digitale Reifegrad der österreichischen Baubranche erhoben. Die Auswertung der Datensätze von über 60 Unternehmen zeigt, dass die österreichische Baubranche in die Kategorie des Digital Beginners, sowie bis ins erste Drittel des Digital Followers einzuordnen ist. »Diese Einstufung stellt lediglich eine Tendenz für die gesamte Baubranche dar - es gibt selbstverständlich Unternehmen, die bereits einzelne oder mehrere Bereiche der digitalen Transformation äußerst erfolgreich umgesetzt haben«, so Plomberger.
Nachdem beim DIGICHECK nicht nur die Führungsebene sondern auch die Mitarbeiter*innen befragt werden, waren für viele Unternehmen sogar die eigenen Ergebnisse überraschend. »Viele dachten, dass sie bereits weiter sind, mussten aber feststellen, dass sie noch ganz am Anfang stehen«, so Plomberger. Wenn trotz Investitionen die Ergebnisse fehlen, liegt das in vielen Fällen an einer fehlenden Gesamtstrategie.
Definition eines Zielbildes
»Die erste große Herausforderung ist die Definition eines Zielbildes und somit die Festlegung der langfristigen Transformationsschritte«, erklärt Andreas Hofstätter, Sustainability in Real Estate Leader bei PwC Österreich. Daraus werden dann konkrete Maßnahmen abgeleitet. Jede Strategie braucht eine analytische Phase. »Damit tun sich viele Unternehmen aus der Baubranche schwer, weil man gewohnt ist sehr rasch ins Handeln zu kommen«, erklärt Plomberger.
Die Ergebnisse des DIGICHECK zeigen die weitreichenden Folgen einer fehlenden Strategie. Es werden Softwarelösungen gekauft und implementiert, ohne die Mitarbeiter*innen entsprechend zu schulen. Prozesse werden vom Analogen ins Digitale übertragen, ohne sie auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen. Schnittstellenprobleme werden nicht berücksichtigt oder die angeschafften Tools liegen sprichwörtlich ungenutzt in der Schublade. »Da wird teilweise richtig viel Geld verbrannt«, weiß Plomberger.
Hürden der Digitalisierung
Wichtige Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation sind die Unternehmenskultur und der Faktor Mensch. »Die Entwicklung im Digitalen muss Hand in Hand mit der Entwicklung im Sozialen gehen«, ist Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer der Delta Gruppe, überzeugt. Neben dem technischen Aspekt müssen die Nutzer*innen im Vordergrund stehen. »Ein digitales Tool ist immer nur so gut wie der Mensch, der mit dem Tool arbeitet«, sagt Kradischnig. Die Qualitäten der Menschen und Teams müssen mit den Qualitäten der digitalen Lösung verbunden werden. Zudem sollten fortlaufend Awareness-Schulungen angeboten werden, um Ängste und Befürchtungen von Mitarbeiter*innen zu nehmen.
Eine Frage der Finanzen
Eine Hürde stellt für viele Unternehmen auch die finanzielle Seite dar. »In Gesprächen mit Kunden stellen wir fest, dass die Befürchtung hoher Investitionskosten sowie unklarer Kosten-Nutzen-Verhältnisse weit verbreitet ist«, sagt Daniela Hetz, Region Marketing Managerin bei Nevaris Bausoftware. Auch Gerald Herndlhofer, Geschäftsführer von Drees & Sommer Österreich, sieht in hohen Anfangsinvestitionen für Software, Hardware und Schulungen insbesondere für kleinere Unternehmen eine Herausforderung. Auch der Mangel an qualifizierten Fachkräften, die sowohl in der Baubranche als auch in digitalen Technologien versiert sind, kann Projekte ins Stocken bringen.
IT-Dienstleister Digitall weist darauf hin, dass jede Digitalisierungslösung natürlich auch an technischen Schwierigkeiten oder der schlechten Integration in bestehende Lösungen scheitern kann. »Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Risiken bestehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen sind. Beispielsweise durch eine sorgfältige Auswahl von Technologien und klare Kommunikation mit den Mitarbeitern«, sagt Sales-Manager Farhad Farahani. Daniela Hetz spricht in diesem Zusammenhang von »aktivem Change Management«. »Unternehmen müssen den Willen zur Veränderung leben.« Denn Digitalisierung bedeutet Veränderung. Deshalb reicht es auch nicht, einfach nur bestehende Prozesse in Bits und Bytes umzuwandeln.
»Wir empfehlen unseren Kunden in jedem Beratungsprojekt, ihre Prozesse im Rahmen einer Prozesslandkarte zu erfassen«, sagt Plomberger vom Kompetenzzentrum Future Digital. Damit verschafft man sich nicht nur einen Überblick über die derzeitigen Arbeitsabläufe, sondern kann auch Zeitfresser und Potenziale identifizieren und gezielte Maßnahmen setzen.
PwC-Experte Hofstätter sieht eine große Herausforderung für die Unternehmen in der Kombination von Einzelmaßnahmen, dezentralen Entscheidungen sowie einer Zersplitterung und falschen Priorisierung. »Eine Kombination von einzelnen dezentralen Initiativen ist oftmals ineffizient.« Zudem sei, wie bei fast allen Umsetzungsprojekten, der Erfolg von der Akzeptanz der einzelnen Nutzer*innen abhängig.
Externe Unterstützung
Die hohe technische und organisatorische Komplexität der digitalen Transformation legt nahe, dass sich Unternehmen externe Unterstützung holen. Die dafür anfallenden Kosten sind in der Regel in kürzester Zeit wieder eingespielt, weil Fehler vermieden und die Lösungen rascher und effizienter zum Laufen gebracht werden. Das Beratungsunternehmen PwC versucht, mit einem strukturierten Strategieprozess den Grundstein für den Erfolg zu legen, indem langfristige Ziele definiert und Maßnahmen priorisiert werden. »Darauf aufbauend werden Maßnahmen und Schwerpunkte abgeleitet und in die Operationalisierung überführt«, erklärt Hofstätter. Die Umsetzung wird von spezialisierten Teams mit breiter Industrieerfahrung begleitet. »Diese breite Umsetzungserfahrung zusammen mit der Kenntnis von rechtlichen, steuerlichen und auch regulatorischen Anforderungen bietet für den Kunden einen entsprechenden Mehrwert.«
Die Delta Gruppe unterstützt durch ihre Expertise in der Nutzung digitaler Werkzeuge in der Bau- und Immobilienbranche und durch die Partnerschaften im Innovationsbereich, wie zum Beispiel mit »Digital Findet Stadt«. »Mit interdisziplinären Teams und unserer Early-Adopter-Strategie können wir Unternehmen die aktuellsten technologischen Entwicklungen anbieten, um sie sicher in deren Systeme zu integrieren«, so Kradischnig. Angeboten wird eine punktuelle Dienstleistung oder eine Begleitung von der Beratung bis zur Umsetzung im Hard-, Software- und Kulturbereich.
IT-Dienstleister Digitall hat speziell für die Bauwirtschaft passende Lösungen entwickelt, die eine 360-Grad-Sicht auf Projekte, Stakeholder und Assets versprechen. »Als Partner für ganzheitliche Digitalisierungsprojekte bieten wir mehr als nur die technische Implementierung. Wir begleiten die Kunden von der Konzeption bis zur Skalierung digitaler Lösungen und übernehmen die volle End-to-End-Verantwortung«, so Farahani.
Auch Drees & Sommer unterstützt Unternehmen durch maßgeschneiderte Beratung und Unterstützung im gesamten Digitalisierungsprozess. Dies umfasst die strategische Planung und Implementierung von digitalen Lösungen, die Integration neuer Technologien in bestehende Systeme sowie Schulungen und Unterstützung beim Change Management. »Zudem bieten wir Expertise im Bereich Datensicherheit und Datenschutz, um sicherzustellen, dass alle digitalen Systeme den geltenden Standards entsprechen«, erklärt Herndlhofer.
Nevaris begleitet den Digitalisierungsprozess von AVA über Baumanagement, BIM, mobile Baustellenkoordination bis zu ERP. »Viele unserer Mitarbeiter kommen aus Baufirmen und bringen einen dementsprechend hohen Anspruch an unsere Software mit«, erläutert Hetz.
Das Kompetenzzentrum Future Digital hat neben dem Analysetool DIGICHECK mit DIGIMATCH und DIGIGO noch zwei weitere Lösungen aus der DIGI-Reihe entwickelt, um Kunden nicht nur den Ist-Stand aufzuzeigen, sondern sie auch mit konkreten Maßnahmen bei der digitalen Transformation ihres Unternehmen zu unterstützen.
Unterstützung bei der Dokumentation: Projekt »DigiBauRech«
Im Auftrag der Bundesinnung Bau hat die Zukunftsagentur Bau (ZAB) gemeinsam mit der Inndata Datentechnik das Projekt »DigiBauRech« umgesetzt. Damit sollen speziell kleine und mittlere Baubetriebe bei den Dokumentationsanforderungen unterstützt werden, indem Informationen, die bereits über verschiedene Quellen verteilt sind, digital und prozessbezogen verfügbar gemacht werden. Mit »DigiBauRech« erhalten Unternehmen die Möglichkeit, strukturierte, dokumentierbare Informationen aus den Quellen des ERP des jeweiligen Baustoffhändlers kombiniert mit den Inhaltsdaten der Baustoffindustrie über einen österreichweit allgemein gültigen Webservice zu beziehen und für Dokumentationszwecke, Kostenrechnungen, Nachkalkulationen und Taxonomieprüfungen zu nutzen.
Ein praktisches Beispiel ist die Erstellung der Ökobilanz. Mit »DigiBauRech« werden alle notwendigen Daten aus verschiedenen Quellen verbunden und richtig kombiniert aufbereitet. Somit sind auch die kleinen Betriebe in der Lage, die geforderten Daten für die Ökobilanz zur Verfügung zu stellen.
Digitalisierungsstrategie: 9 Schritte in 3 Phasen – von der Zielsetzung bis zur Umsetzung
Analysephase
1. Schritt: Zielfestlegung – was soll mit der Digitalisierung erreicht werden?
2. Schritt: Mitarbeitereinbindung
3. Schritt: Ermitteln der Ausgangslage
Auswahlphase
4. Schritt: Problemfeldanalyse und Schwerpunkte festlegen
5. Schritt: Softwareanforderungen definieren
6. Schritt: Systemauswahl festlegen
Umsetzungsphase
7. Schritt: Umsetzungsschritte planen
8. Schritt: Prozesse mit neuer Systemlandschaft optimieren
9. Schritt: Mitarbeiter*innen schulen und weiterbilden