Um einen umfassenden Überblick über die Novelle der Wiener Bauordnung zu geben, werden wir uns auf die Meinungen von Andreas Hawlik, Architekt von HAWLIK GERGINSKI ARCHITEKTEN ZT GmbH, und Markus Busta, Rechtsanwalt von HSP Rechtsanwälte GmbH, stützen, die in einem Interview ihre Einschätzung zu den Änderungen abgegeben haben.
Die Novelle der Wiener Bauordnung im Überblick
Die Novelle der Wiener Bauordnung hat das Ziel, die Schaffung von Wohnraum zu erleichtern und gleichzeitig Nachhaltigkeit und Klimaschutz stärker zu berücksichtigen. Die Änderungen in der Bauordnung sollen die Raumplanung, die Verdichtung und die Energieeffizienz betreffen. Durch die Novelle sollen die Rahmenbedingungen für den Wohnbau verbessert werden und gleichzeitig innovative architektonische Lösungen gefördert werden.
Stadtbildbeurteilung: Die Bedeutung für die Nachverdichtung
Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Stadtbildbeurteilung. In der vorherigen Version der Bauordnung wurden Gebäude, die vor 1945 errichtet wurden, mit Schutzzonen gleichgesetzt. Diese restriktive Handhabung von Stadtbildfragen wurde jedoch in der Novelle nicht umgesetzt. Die Stadtbildbeurteilung bleibt im Prinzip unverändert, was für die Nachverdichtung im Baubestand von großer Bedeutung ist. Andreas Hawlik betont in seinem Interview, dass bereits zuvor restriktive Regelungen galten, insbesondere für Gebäude vor 1945. Die Novelle sollte eine Vereinfachung dieser Regelungen bringen, jedoch wurde dieser Teil nicht umgesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf die Nachverdichtung im Baubestand auswirken wird.
Die Stadtbildbeurteilung ist ein relevanter Parameter, der starken Einfluss auf die Nachverdichtung im Baubestand hat. Die Novelle der Bauordnung hatte das erklärte Ziel, leistbaren Wohnbau zu fördern und die Schaffung von Wohnungen zu erleichtern. Ob dies durch die Novelle tatsächlich erreicht wird oder nicht, bleibt jedoch abzuwarten.
Gründerzeithäuser und die Innenentwicklung
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Novelle betrifft den Schutz von Gründerzeithäusern und die Innenentwicklung von Städten und Orten. Eine kontroverse Frage ist, ob der Schutz von Gründerzeithäusern aufgeweicht werden sollte, um den Wohnbau voranzutreiben. Markus Busta betont in seinem Interview, dass viele Gründerzeithäuser in einem schlechten Zustand sind und den Platz für neue energieeffiziente Gebäude blockieren. Er plädiert dafür, eine bessere Abwägung zwischen dem Erhalt historischer Gebäude und der Schaffung neuer Wohnräume zu finden. Dies könnte dazu beitragen, Platz für innovative architektonische Lösungen zu schaffen und gleichzeitig den Bedarf an leistbarem Wohnraum zu decken.
Die Innenentwicklung von Städten und Orten ist ein wesentlicher Aspekt, der bei der Schaffung von Wohnraum berücksichtigt werden muss. Die Novelle der Bauordnung zielt darauf ab, die Nachverdichtung im Baubestand zu erleichtern, um den begrenzten Raum optimal zu nutzen. Eine Herausforderung besteht darin, den Erhalt historischer Gebäude und die Schaffung neuer Wohnräume in Einklang zu bringen. Eine mögliche Lösung könnte darin bestehen, den Schutz von Gründerzeithäusern aufzuweichen und Platz für innovative architektonische Lösungen zu schaffen.
Raumplanung und Verdichtung: Ein Fokus auf nachhaltige Stadtentwicklung
Die Novelle der Bauordnung sieht auch Änderungen in Bezug auf Raumplanung und Verdichtung vor. Insbesondere bei Einkaufszentren gibt es strengere Vorschriften, um die Flächenversiegelung zu reduzieren. Die Errichter von Einkaufszentren sind verpflichtet, einen Großteil der Stellplätze unterirdisch oder in Hochgaragen zu schaffen und zumindest ein Drittel der Nutzfläche in einem Obergeschoss unterzubringen. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, den Flächenverbrauch am Stadtrand zu reduzieren und eine nachhaltigere Stadtentwicklung zu fördern.
Die Raumplanung und Verdichtung sind entscheidende Aspekte bei der Schaffung von Wohnraum. Die Novelle der Bauordnung legt den Fokus auf eine nachhaltige Stadtentwicklung und zielt darauf ab, den begrenzten Raum optimal zu nutzen. Dies beinhaltet die Reduzierung der Flächenversiegelung und die Schaffung von Einkaufszentren, die den vorhandenen Raum effizient nutzen.
Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit
Ein weiterer Schwerpunkt der Novelle ist die Förderung von Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. Die Stadt Wien hat einen Do-Tank für Kreislaufwirtschaft eingerichtet und arbeitet an Vorschlägen für kreislauffähiges Bauen. Die genauen Regelungen zur Umsetzung von Kreislaufwirtschaft in der Bauordnung sind jedoch noch in Arbeit und werden voraussichtlich in einer zukünftigen Novelle festgelegt. Die Förderung von Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Stadtentwicklung und trägt dazu bei, den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu reduzieren.
Chancen für innovative architektonische Lösungen
Die Novelle der Bauordnung bietet auch Chancen für innovative architektonische Lösungen. Durch die erleichterte Schaffung von Wohnraum und die Förderung der Nachverdichtung im Baubestand können Architekten und Planer kreative Lösungen finden, um den begrenzten Raum optimal zu nutzen. Die neuen Vorschriften zur Raumplanung und Verdichtung erfordern möglicherweise eine Neuausrichtung der Planung und Umsetzung von Projekten. Energieeffizienz und ökologische Nachhaltigkeit werden zu wichtigen Kriterien bei der Gestaltung von Gebäuden und der Nutzung des städtischen Raums. Architekten müssen innovative Konzepte entwickeln, um diese Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig ästhetische und funktionale Gebäude zu schaffen.
Auswirkungen auf den Wohnbau in Wien
Die Novelle der Bauordnung hat potenziell große Auswirkungen auf den Wohnbau in Wien. Durch die erleichterte Schaffung von Wohnraum und die Förderung der Nachverdichtung im Baubestand können mehr Wohnungen geschaffen werden. Dies ist besonders wichtig, um den steigenden Bedarf an Wohnraum in Wien zu decken. Die Änderungen in Bezug auf Stadtbildbeurteilung und Gründerzeithäuser können jedoch auch zu Herausforderungen führen. Während der Erhalt historischer Gebäude von großer Bedeutung ist, müssen auch die Bedürfnisse nach modernem und leistbarem Wohnraum berücksichtigt werden. Eine ausgewogene Abwägung zwischen Erhalt und Entwicklung ist daher entscheidend.
Die neuen Vorschriften zur Raumplanung und Verdichtung können dazu beitragen, den Wohnbau nachhaltiger zu gestalten und die Flächenversiegelung zu reduzieren. Durch die Schaffung von Einkaufszentren mit einer besseren Nutzung des vorhandenen Raums kann auch der Stadtrand attraktiver gestaltet werden.
Fazit
Die Novelle der Wiener Bauordnung bringt wichtige Änderungen mit sich, die den Wohnbau und die Stadtentwicklung in Wien beeinflussen werden. Die erleichterte Schaffung von Wohnraum, die Förderung der Nachverdichtung im Baubestand und die Fokussierung auf Nachhaltigkeit sind entscheidende Schritte in Richtung einer lebenswerteren und nachhaltigeren Stadt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Novelle in der Praxis auswirken wird und ob weitere Anpassungen und Ergänzungen in zukünftigen Novellen erforderlich sein werden. Architekten und Planer müssen innovative Lösungen finden, um den steigenden Bedarf an Wohnraum zu decken und gleichzeitig ökologische Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Die Novelle der Bauordnung bietet Chancen für neue architektonische Konzepte und eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung.