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Notwendige Veränderungen

Paradigmenwechsel erfolgen meist angekündigt, aber dieser ist anders: Er findet einfach statt. In der europäischen Immobilienwirtschaft zeichnen sich Veränderungen ab, die schlicht und einfach aus Notwendigkeit entstehen.

Erstmals seit 2010 zeigt das Investitionsklima in Deutschland, Frankreich und Großbritannien wieder einen einheitlichen Aufwärtstrend. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Investitionsklima-Studie von Union Investment, für die insgesamt 165 Investitionsentscheider in Deutschland, Frankreich und Großbritannien repräsentativ befragt wurden. Die europäischen Immobilieninvestoren stehen in den Startlöchern, ihre Investments 2013 gegenüber dem Vorjahr deutlich hochzufahren. Doch man muss auch auf die Details blicken, um zu sehen, wie differenziert der europäische Immobilienmarkt ist bzw. welche Veränderungen sich hinter diesen Aussagen verbergen.

Deutliches Nord-Süd-Gefälle

„Auf dem europäischen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien hat sich 2012 eine weitere Polarisierung mit einem immer deutlicheren Nord-Süd-Gefälle gezeigt. Der Umsatz im letzten Quartal des Jahres lag in einigen Märkten auf rekordverdächtigem Niveau– beispielsweise in Deutschland und Norwegen, Länder, die bei Investoren, die einen sicheren Hafen suchen, weiterhin sehr beliebt sind“, analysiert Georg Fichtinger, Head of Capital Markets, CBRE Österreich, die Lage auf den Investmentmärkten.

Abgesehen von den Hauptmärkten Deutschland, Frankreich und Großbritannien zieht es Immobilienanleger vermehrt in den Norden Europas. Neben Norwegen gehören etwa Schwedens Transaktionszahlen zu den höchsten in ganz Europa. Laut der schwedischen Firma Industrifinans gleichen die drei größten schwedischen Städte aus Investorensicht Berlin. Grund sind eine hohe Mieteranzahl, unter den Neubaukosten liegende Quadratmeterpreise im Bestand und hinter der Nachfrage zurückbleibende Neubauaktivitäten. Hingegen mussten Spanien, Portugal, natürlich Griechenland und andere südosteuropäische Länder starke Rückgänge hinnehmen. Auf längere Sicht gesehen wird auch dieser Markt wieder kommen, zeigt sich Friedrich Wachernig, Vorstand der S IMMO AG, sicher: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Märkte in Zentral- und Südosteuropa mittelfristig wieder als Wachstumsmotor fungieren werden.“

Russland, Polen und der Rest von CEE

In CEE stellt sich die Lage sehr unterschiedlich dar: Schon Ende des vergangenen Jahres wurden die Investmentsummen, etwa in Polen, hochgefahren. Das Land verzeichnete laut CBRE-Quartalsindex vom dritten auf das vierte Quartal einen Investitionsanstieg von 632%– von 210 Millionen auf 1.538 Millionen Euro. Der Hauptgrund war wohl, dass Polen neben Russland und der Tschechischen Republik als einer der wenigen attraktiven Investmentstandorte in CEE/SEE gilt und dies vermutlich auch 2013 so bleiben wird. Von der gesamten Summe, die 2012 in CEE/SEE investiert wurde, flossen 92% in diese drei Staaten. Die anderen mussten teilweise herbe Einbußen hinnehmen. Eduard Zehetner, CEO der IMMOFINANZ Group: „CEE bietet hohe Ertragschancen und bessere Renditen, vor allem Russland und Polen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.“

Investitionen erfolgen vorsichtiger

Dieser Ansicht ist auch Clemens Rumpler, Geschäftsführer von Henderson Global Investors Immobilien Austria: „Kaum ein institutioneller Investor hat Lust, außerhalb von Polen, Tschechien, der Slowakei und eventuell auch Moskau Investments in Osteuropa zu tätigen. Man ist derzeit in diesen Regionen sehr vorsichtig.“ Zu sehr sind noch die letzten Jahre, die schlecht beratenen Investoren herbe Verluste brachten, in den Köpfen der Verantwortlichen. Auch für Rumpler ist klar, dass „Osteuropa wieder kommen muss, aus Mangel an Alternativen. Investoren werden wieder in den Osten gehen. Aber sie haben ihre Lektion gelernt, werden vorsichtiger sein und sich vor dem Kauf intensiver mit dem Gesamtumfeld der Immobilie beschäftigen.“ Das war ja in den Boomzeiten nicht der Fall, es gab genügend Käufe, bei denen die Immobilie faktisch ohne vorherige Besichtigung erworben wurde. Der Markt wird also, sobald er wieder anspringt, eine große Veränderung durchgemacht haben. „Auf Teufel komm raus“ wird nicht mehr investiert und schon gar nicht entwickelt werden– die Prozesse werden langsamer und vorsichtiger verlaufen.

Vorsicht zählt überhaupt zu den großen Schlagworten beim Einkauf von Immobilien. Vor allem viele Sachverständige mussten sich nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarkts herbe Kritike gefallen lassen– zu Recht. Freilich war die Boomphase vor der Krise nicht wirklich eine Zeit, in der Due-Diligence-Prüfungen stets vollständig durchgeführt wurden. Mittlerweile haben– vor allem offene deutsche– Fonds teilweise wieder sehr viel Geld eingesammelt, das veranlagt gehört, aber die Sachverständigen sind übervorsichtig. „Genug Geld wäre ja da“, so ein Brancheninsider, „aber die Sachverständigen sind extrem ,gebrannt’ und daher dermaßen vorsichtig bei der Einschätzung ihrer Preise, dass die Deals sehr lange dauern oder gar nicht zustande kommen.“

Jagd nach Core-Projekten

Die Vorsicht ist auch sicherlich ein wesentlicher Faktor, warum sich die Investoren um die am Markt befindlichen Core-Objekte duellieren. Spitzenimmobilien in London, Paris und den größten deutschen Städten sind weiterhin heiß umkämpft, wie der internationale Immobilieninvestor LJones Lang LaSalle berichtet. Es ist zu erwarten, dass die Investoren äußerst risikoscheu bleiben und sich weiterhin auf Core-Objekte konzentrieren werden– Objekte in hervorragender Lage mit bonitätsstarken Mietern. „Das Käuferinteresse richtet sich weiterhin auf das Top-Segment, in dem das Angebot die potenzielle Nachfrage bei Weitem nicht abdeckt“, analysiert Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter bei EHL Immobilien, den österreichischen Markt. Und was Österreich in diesem Fall betrifft, gilt auch für den Rest Europas. 85% der Immobilienprofis glauben, dass die Konzentration auf Core-Produkte infolge der Eurokrise weiter zunehmen wird, so die Investitionsklima-Studie von Union Investment. Auch eine Umfrage von Schroder Property unter 122 Investoren kommt bezüglich Core-Immobilien zur gleichen Ansicht: Sie bleiben mit 73% weiterhin die bevorzugte Anlageklasse. Allein, es könnte sich dabei auch nur um Wunschdenken handeln, denn die Zahl der verfügbaren Core-Immobilien wird immer kleiner bzw. sie werden auch teurer. „Wenn ich ein Projekt wie das Generali Center in idealer Einkaufslage zum Verkauf anbiete“, gibt Rumpler ein fiktives Beispiel, „dann werden sich entsprechend viele Investoren melden, und dadurch wird sich der Preis automatisch erhöhen.“

Und die Rendite … ?

Die Eigentümer von Top-Immobilien wissen sehr wohl, was ihr Objekt wert ist, und damit stellt sich die Frage: Wie gering kann die Rendite für den Investor noch sein? Fichtinger bestätigt: „Aufgrund der hohen Nachfrage nach Core-Immobilien gingen an mehr Standorten die Spitzenrenditen weiter zurück, als Renditeanstiege gemeldet wurden.“ Laut CBRE verringerten sich die Renditen für Büroimmobilien in den EU-15-Staaten nach vier aufeinanderfolgenden Wachstumsquartalen um vier Basispunkte, während die Renditen für Einzelhandelsimmobilien nach einem kleinen Anstieg im dritten Quartal um fünf Basispunkte gesunken sind.

Die für Anleger schwer darstellbaren Renditen sind einer der treibenden Gründe, warum Investoren in den kommenden Jahren wieder verstärkt das Investment suchen könnten, wie es in der Studie von Union Investment beschrieben wird: Die europäischen Investoren scheinen allmählich wieder einen größeren Risikoappetit zu verspüren. Unter den britischen Investoren ist „Rendite“ mit deutlichem Abstand das Anlagemotiv Nummer eins; auch in Frankreich und Deutschland steigt die Bereitschaft, die traditionell stärker ausgeprägte Sicherheitsorientierung abzulegen.

Aus Investoren werden wieder Developer

Das ist nicht so sehr ein Wunsch als vielmehr ein Muss. „Es ändert sich das Kaufverhalten, und das muss so sein, denn Core-Immobilien sind in ihrer Anzahl begrenzt“, erklärt Henderson-Österreich-Chef Rumpler und kennt aus seinem eigenen beruflichen Umfeld einen Fall, in dem der Investor, der grundsätzlich in Core-Immobilien investieren wollte, nun umdenkt und verstärkt auf Developments setzen will. „Investoren müssen wieder risikofreudiger werden“, so Rumpler. „Das erfordert dann allerdings eine umfassende Beschäftigung mit der Immobilie.“ Das ist auch ein Grund dafür, warum große internationale Fonds letztendlich bei grenzüberschreitenden Transaktionen zum größten Teil nur Core-Immobilien erwerben wollen und können. Rumpler: „Die Größe ist nicht ausschlaggebend, sondern dass es Core ist, denn solche Investments kann man in gewisser Weise auch aus der Entfernung managen.“ Für Rumpler ist es aber wesentlich, dass sich jeder Investor ein Bild von seiner Immobilie machen muss: „Es ist eine alte Regel: Du musst bei der Immobilie gewesen sein, du musst das Objekt kennen, das Umfeld, die Nachbarn, die Mieter, die Kunden und alles, was zu einer ordentlichen Umsetzung des Projekts erforderlich ist“– egal, ob Investment oder Development.

„Neue“ Investoren tauchen auf

Ein weiterer Entwicklungsschub in der Immobilienwirtschaft kommt von „neuen“ Investoren in der Branche. Die Investorenlandschaft in europäischen Ländern hat sich nämlich verändert: Statt offener und geschlossener Fonds bestimmen zunehmend institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland sowie Family-Offices den Markt. Die Ansprüche dieser hochprofessionellen Anleger kommen der Immobilienwirtschaft zugute, weil sie zu einer weiteren Professionalisierung führen. Kritischere Prüfungen durch die Banken und die modernen Kommunikationsmittel, die eine erheblich höhere Markttransparenz ermöglichen, sind weitere Treiber dieser Entwicklung. Diese neuen Player werden 2013 besonders für die Nachfrage im Preisbereich von 20 bis 60 Millionen Euro verantwortlich sein.

Region gegen Staat

Viel stärker als bisher sind die Wirtschaftsdaten eines Staates nicht mehr ausschlaggebend für die Investition. JLL zufolge entscheidet eher das Wirtschaftswachstum einer Stadt über Immobilienkäufe als das eines Landes. In vielen Städten wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nämlich stärker als im gesamten Land. Laut einer JLL-Studie wird das BIP in München von 2012 bis 2020 durchschnittlich um 3,1% im Jahr steigen, jenes in ganz Deutschland hingegen nur um 1,4%. Während für London ein BIP von 3,2% errechnet wird, wird es in ganz Großbritannien lediglich bei 1,9% liegen– in einigen Regionen sogar noch weit darunter. Die Studie kategorisiert 300 Städte weltweit danach, wie erfolgversprechend Investitionen dort in Zukunft sein werden. Nur die vier europäischen Städte London, Paris, Istanbul und Moskau zählen zu den Top 30, deutsche Städte sind interessanterweise nicht vertreten. Und das, obwohl am deutschen Investmentmarkt im vergangenen Jahr rund 24,5 Milliarden Euro in Gewerbeimmobilien investiert wurden– „das höchste Volumen seit Einsetzen der Finanzkrise“, erklärt Andreas Schulten, Vorstand bei BulwienGesa. Im Vergleich zum Jahr davor bedeutet der Wert einen Zuwachs von 8,8% oder rund 2,1 Milliarden Euro und im Vergleich zu 2010 sogar einen Zuwachs von 32,8%. „Mittlerweile profitieren auch Objekte in City-Randlagen und B-Standorte vom wieder erstarkten Interesse an deutschen Büroimmobilien“, so Schulten: „Das Interesse an deutschen Gewerbeimmobilien bleibt auch 2013 hoch.“

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  • Erschienen am:
    01.04.2013
  • um:
    11:49
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