Die Arbeitswelt verändert sich, und das bringt auch für Bewerter neue Herausforderungen. Aber auch mit dem Thema Digitalisierung sind diese konfrontiert. Einen Blick in eine mögliche Zukunft wirft Astrid Grantner, Geschäftsführerin der EHL Immobilienbewertung im Interview.
Die Bürowelten und Arbeitsplätze verändern sich, und Büros von heute sehen nicht mehr so aus wie die von gestern, aber auch nicht wie die von morgen.
Grantner: Die drei Themen Technologie, Flächensparen und die damit verbundenen Leerstandsraten sind es, die zu geänderten Arbeitsplatz-Modellen führen. Immer mehr Menschen können von wo auch immer arbeiten, und das ist der wesentliche Treiber dieser Entwicklung. Arbeiten von zu Hause aus ist ein massives Thema. Dazu kommt eine neue Interpretation von Mobilität – steigende Leerstände in Garagen könnten ein Indikator dafür sein.
Wie könnte sich das weiterentwickeln?
Grantner: Es ist überhaupt ein spannendes Thema, wie sich die Mobilität an sich entwickeln wird, und wie sich das auf den Wert der Immobilie auswirkt. Diese Flächen sind ja teuer in der Herstellung. Allein durch nicht genutzte Parkplätze verliert ein Gebäude an Ertragspotenzial.
Es werden sicherlich neue Konzepte kommen. Wir hatten letztes Jahr ein Objekt mit einer – zusätzlich schlecht geplanten – und somit schwer vermietbaren Garage, die wurde in ein Selfstorage-Lager umgenutzt. Diese sind gut vermietet, und im innerstädtischen Bereich ist das durchaus ein Thema – vor allem auch mit dem Trend zur Mikrowohnung.
Stichwort „Hackability“. Wenn sich in weiterer Folge durch Leerstand die Büroflächen verändern und man statt reiner Büronutzung jetzt vielleicht Begegnungszonen oder – etwas übertrieben gesagt – ein Spielzimmer hat, wie könnte sich das auf die Bewertung einer Büroimmobilie auswirken?
Grantner: Die Frage ist, wie man die vermietbare Fläche definiert – wie man sie definieren wird. Was sind Arbeitsflächen, was sind Aufenthaltsräume, und in welchem Zusammenhang stehen diese? Diese Entwicklung kommt, aber bei den Gebäuden, die ich bisher am Radar habe, ist dieses Thema noch nicht so ausgeprägt.
Bei alten Bürohäusern, die nicht mehr marktgängig sind, wäre eine gewisse Auflösung der Struktur und eine Vermischung von Innen und Außen, wie „Hackability“ ja definiert wird, durchaus ein Thema. Da ist dann die Qualität der Flächen anders zu bewerten. Der Mehrwert von Freiflächen wie Begegnungszonen, oder, wie Sie gemeint haben, „Spielzimmern“, ist ja nicht unmittelbar greifbar. Das ist ähnlich wie bei dem Thema Feng Shui, das vor einiger Zeit en vogue war, wo man den Mehrwert auch nicht monetär nachweisen kann, – man kann ebenso schwer den in Euro gemessenen Nachweis erbringen, dass solche extravaganten Büroflächen die Arbeitskraft oder Innovation der Mitarbeiter fördern.
Letztendlich muss sich der Vermieter überlegen, wie er damit umgeht, und wie er diese Flächen an potenzielle Mieter weitervermarktet. Bei eigengenutzten Objekten stellt sich diese Thematik vielleicht wieder etwas anders dar.
Wobei in den USA der Trend bereits viel weiter geht und Stadtteile gehackt werden.
Grantner: Gerade in den USA musste „Hackability“ ja entstehen, da es dort ganz andere Stadtstrukturen gibt, die auch viel ausgeprägter und einteiliger sind als bei uns. Man will die einseitige Office-Nutzung in den Business Districts aufbrechen.
Ich kann mich an einen angloamerikanischen Kunden erinnern, der nach Wien kam, keine Strategie in der Struktur der Bürostandorte erkannte und den CBD vermisste. Wien ist gewachsen, und amerikanische Städte sind langfristig strukturell geplant. Wien wird für immer mehr internationale Investoren interessant, denen eine Stadtstruktur, wie wir sie haben, nicht geläufig ist.
Die Internationalität steigt ein Stück weiter, und es ist schon interessant, den Markt zu erklären. Aber auch für uns ist es lehrreich, denn Lagen, die für uns abseits liegen, sind für internationale Investoren oftmals zentral gelegen. Diese sehen Distanzen in einer anderen Dimension.
Nicht nur die Büros verändern sich, es tauchen auch immer mehr neue Assetklassen auf.
Grantner: Das ist natürlich bei unserer Bewertung immer ein Thema. Studentenheime, Logistikimmobilien, Gesundheits- und Pflegeimmobilien sind erst in den vergangenen Jahren zunehmend ins Interesse von Investoren gerückt und somit relativ neu bei uns. Es entwickelt sich mittlerweile ein Markt, und wir stellen uns auf diese Assets ein. Es gibt kaum Vergleichstransaktionen, und die Frage ist: Mit welchen Renditen arbeiten wir?
Woran orientiert man sich?
Grantner: In erster Linie am Mietvertrag. Gibt es lange Kündigungsverzichte, wie stark ist der Mieter, ist die Miete nachhaltig? In Abhängigkeit vom geplanten Anlagehorizont treffen Investoren dann ihre Entscheidungen.
Das heißt, dass auf die Substanz bei einer Ertragsimmobile immer weniger Wert gelegt wird.
Grantner: Ich würde es anders formulieren. Eine entsprechende Qualität und Nachhaltigkeit der Bausubstanz wird vorausgesetzt, es gibt ja auch verschiedenste Gebäudezertifizierungen, die hier ins Spiel kommen.
Nutzen Sie bei neuen Assetklassen auch Daten aus dem Ausland?
Grantner: Wir kooperieren mit dem weltweit tätigen Immobilien-Dienstleistungsunternehmen Savills, und mit Savills Deutschland arbeiten wir auf Bewertungsebene verstärkt zusammen. Wir tauschen unsere Erfahrungswerte aus und transferieren sie auf den österreichischen Markt.
Wie sehen Sie den Einfluss der Digitalisierung auf die Bewertung in der Zukunft?
Grantner: Sehr positiv. Ein Gutachten besteht grob gesagt aus einem Befund- und einem Bewertungsteil. Im Befund werden die relevanten Daten zu einem Objekt erhoben und dargestellt, und diese resultieren dann in der Bewertung. In beiden Bereichen hält die Digitalisierung Einzug.
Schon in den vergangenen Jahren haben wir in der Bewertung enorme Fortschritte durch die Digitalisierung erzielt – es stehen verschiedenste Datenquellen und Recherchemöglichkeiten, wie allein schon die Abfrage im Grundbuch, zur Verfügung. Das hat wesentlich zu erhöhter Markttransparenz beigetragen.
In bestimmten Fällen machen automatisierte Bewertungsmodelle Sinn, wenn man z.B. als finanzierende Bank sehr viele einfach strukturierte und homogene Immobilien zu bewerten hat, wie Einfamilienhäuser oder Eigentumswohnungen. Aber bei Objekten, wie wir sie täglich bearbeiten, die komplexer und abseits jeglicher Standardisierung sind, da funktioniert das nicht mehr so gut.
Die besten Tools können jedenfalls das persönliche Know-how eines erfahrenen Bewerters und das Gespür für das Potenzial einer Immobilie nicht ersetzen.