So analysiert man bei Raiffeisen Research die neuen Rahmenbedingungen für Immobilieninvestitionen, und man nimmt sich nunmehr vor heimischen Journalisten auch des Themas Leistbarkeit von Wohnraum an. Der Zinsanstieg stünde dabei erst am Anfang, denn 2023 könnten die Zinsen variabler Immobilienkredite auf über drei Prozent klettern. Knapp 30 Prozent des Haushaltseinkommens waren es im Vorjahr, die ein mittelmäßiger österreichischer Haushalt für Zinsen und Tilgung bei einem variablen Kredit fürs Einfamilienhaus aufgewendet hat. Mit dem Zinsanstieg könnte die Kreditbelastung eines solchen Haushalts nächstes Jahr auch 40 Prozent des Einkommens oder mehr betragen. Damit sei eine Schmerzgrenze überschritten, die sich übrigens über die neuen Vergabekriterien für Kredite definiert.
Hart an der Schmerzgrenze
Wie sehr die subjektive Schmerzgrenze bei den Wohnkosten erreicht ist, wurde separat in einer Umfrage ermittelt, und hier ergibt sich ein ganz ähnliches Bild. Unter Angemessenheit bei den Wohnkosten verstehen die meisten Befragten maximal 30 Prozent des Haushaltseinkommens. Die Schmerzgrenze liegt für die Mehrheit bei höchstens 40 Prozent. Bei den unteren Haushaltseinkommen ist fast schon jeder dritte Haushalt bereits am Limit oder sogar jenseits dessen. Bei den Haushalten bis 3.000 Euro Einkommen kennt rund die Hälfte trotz Leistbarkeit auch angespannte Momente. Mietende sind von steigenden Wohnkosten tendenziell stärker betroffen, insbesondere jene in privaten Wohnungen. Mehr als die Hälfte der Wohnungseigentümer gibt an, sich die Wohnkosten – Energiekosten inklusive – gut leisten zu können.
Preise steigen weiter
Laut dem Deloitte Property Index 2022 ist der Quadratmeterpreis für Neubauwohnungen im Jahr 2021 in Österreich im Schnitt um elf Prozent gestiegen – und das, obwohl Österreich in Sachen Wohnbauvorhaben pro 1.000 Einwohner europäischer Spitzenreiter ist. Mit dem Property Index analysiert das Beratungsunternehmen Deloitte jährlich den europäischen Immobilienmarkt. Und die Analyse bestätigt das, was viele Menschen bereits wahrgenommen haben: Der Kauf von Immobilien wird immer schwerer leistbar. So betrug der durchschnittliche Quadratmeterpreis 2021 bei neuen Wohnungen hierzulande 4.782 Euro. Und der Preiszuwachs geht weiter: Laut aktuellen Analysen haben die Immobilienpreise im ersten Quartal 2022 um knapp 13 Prozent weiter angezogen.
Inflationsschutz Eigentum
Dass sich die Kosten beim Wohnen – unabhängig von den Preisen – überproportional gesteigert haben, das sehen 97 Prozent der 1.000 befragten Haushalten so, also praktisch alle. Die zuletzt massiv gestiegenen Energiekosten tragen übrigens zu rund einem Viertel zu diesen Aufwendungen bei. Trotz gestiegener Zinsen könne ein Fixzinskredit gewissermaßen Inflationsschutz bieten. Peter Mayr, stellvertretender Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich, erklärt: „Die Mieten werden eher steigen, aber der Fixzins bleibt fix.“ Zudem sei die Inflation momentan höher, als es die Kreditzinsen sind, womit die Realverzinsung negativ ist. Wohnungseigentum würde demnach ein vergleichsweise sorgenfreies Leben bedeuten. Dass Wohnen im Eigentum aber immer unleistbarer wird, ist auch bei Raiffeisen Research unbestritten, die Rede ist da von rückläufiger Kreditnachfrage.
Keine Preiskorrekturen
Die Immobilienpreise werden laut Senior Researcher Matthias Reith aber trotz allem nicht einbrechen: „Preiskorrekturen sind erst dann zu erwarten, wenn sich die Besitzer ihre Immobilien nicht mehr leisten können.“ Für die vor 2019 erworbenen Immobilien würden die damals moderateren Kaufpreise nun begünstigend wirken. Bei länger zurückliegenden Käufen sei die Situation außerdem über bereits erfolgte Tilgungen und mittlerweile gestiegene Haushaltseinkommen entschärft. „Eine Abmilderung der Preise ist zu erwarten, aber eine Preiskorrektur nicht“, erteilt der Raiffeisen-Analyst allfälligen Spekulationen über das Platzen einer Immobilienblase eine Abfuhr.
Hotspots
Was die Leistbarkeit angeht, wird von einem Ost-West-Gefälle berichtet. Im Westen ist die Immobilie weniger leistbar als im Osten. Im Burgenland ist das Verhältnis von Haushaltseinkommen und Immobilienpreis dreimal besser als im Österreich-Schnitt. In Salzburg, Tirol und Vorarlberg wird ein nicht vorhandenes Angebot für die Unleistbarkeit von Wohnraum verantwortlich gemacht. Außerdem wird von einem Stadt-Land-Gefälle berichtet, das dafür sorgt, dass Wohnraum nur außerhalb der stark nachgefragten Zentralräume erschwinglich ist.
Reserven im Ortskern
Peter Weinberger, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien NÖ, Wien & Burgenland, sieht in der Neuvermarktung von ungenutztem Immobilienbestand einen wesentlichen Preisdämpfer: „Viele Flächen in Ortskernen liegen brach, die für Wohnzwecke genutzt werden könnten.“ Hohen Vorlaufkosten fürs Bauen im Bestand müsse allerdings Einhalt geboten werden. Zum anderen wird einmal mehr das demotivierende Mietrecht für Altbauten beklagt. Raiffeisen Immobilien plant angesichts dessen eine Initiative zur Belebung der Ortskerne.