Die Bauwirtschaft war in den vergangenen Jahren eine der treibenden Kräfte des chinesischen Wirtschaftswachstums. Allerdings eines sehr fragwürdigen: Jedes Jahr wurden in China mehr als zwei Milliarden Quadratmeter Gebäudefläche fertig gestellt. Dabei wurden über 40% der weltweiten Zement- und Stahlproduktion verbaut. Doch China ist nicht nur der größte Verschwender von Zement und Stahl auf der ganzen Welt– auch Energieeffizienz wird beispielsweise kleingeschrieben. Die Städte wachsen schnell und teilweise unkontrolliert. Dadurch hatte China bis dato zwei Probleme: zum einen eine– teilweise künstliche– Preissteigerung und zum anderen eine mindere Bauqualität.
70% Leerstand in den Städten
Jetzt scheinen diese Zeiten vorbei zu sein. Rund 65 Millionen Wohnungen sollen in China leer stehen, und es existieren richtiggehende Geisterstädte, die zwar fix und fertig gebaut sind, aber nicht verkauft und bezogen wurden. Die Stadt Daya Bay ist eine dieser Geisterstädte. Für 12 Millionen Menschen konzipiert, sind rund 70% der Stadt unbewohnt. Selbst staatlich kontrollierte chinesische Medien haben diese Zahlen genannt. Trotzdem wird– oder muss aber– weiter produziert werden, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Immer noch werden alte Wohnviertel abgerissen, um dort neue Wohnblocks hochzuziehen. Die Bewohner der kleinen Häuser, die den Bauprojekten weichen müssen, können sich das Leben in den Neubauten nicht leisten. Die Preise liegen bei 70.000 bis 100.000 Dollar pro Einheit in einem Land, in dem oder das durchschnittliche Jahreseinkommen bei 6.400 Dollar liegt.
Festhalten an der Baupolitik
Die chinesische Führung will dennoch nichts an ihrer Baupolitik ändern, um das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hoch zu halten. Doch nicht nur die Höhe, auch die Qualität des BIP sei relevant, sagte der Analyst Gillem Tulloch kürzlich in einer australischen Fernsehreportage über die Immobilienentwicklung in China. Über die Qualität der errichteten Wohnungen meinte er, dass er sich vorstellen könne, dass Leute hier „wohnen wollen, wenn man die Preise auf null bringt.“ Die Qualität ist ohnehin schlecht und zahlreiche unbenützte Bauten beginnen bereits zu verfallen. Wer sich solche Geisterstädte „in echt“ anschauen möchte, der kann auf YouTube „Ghost Cities China“ eingeben und findet dort interessante Einsichten in eine unvorstellbare Welt. „There are not many places in the world like this“, so der Analyst Gillem Tulloch. South China Wall: das große Desaster.
Aber nicht nur bei den Wohnbauten mangelt es an Interessenten. Als eine der größten Fehlplanungen der Welt wird wohl die South China Mall nördlich von Hongkong in Dongguan in die Geschichte eingehen bzw. ist es schon. Sie wurde im Jahr 2005 eröffnet und verfügt über Themenparks, eine Achterbahn und einen Nachbau des Arc de Triomphe. Die Kosten für den Bau beliefen sich auf rund 1,1 Milliarden Euro. Sie ist die größte Einkaufsmall der Welt und hat eine Größe von über 700.000 Quadratmetern, 1.500 Geschäfte, und es wurde mit einer Kundenfrequenz von täglich 70.000 Menschen gerechnet– allein, sie kamen nicht. Nicht einmal ein Bruchteil. Das Einkaufszentrum leidet seit seiner Eröffnung unter extremem Kundenmangel und daraus resultierender hoher Leerstandsquote– um es freundlich auszudrücken. Die beträgt nämlich 95% und damit gilt die Mall, ebenso wie die Wohnblöcke, als Geisterimmobilie. Nur wenige Kunden verirren sich hierher und ein Geschäftsmann in einem Spielzeuggeschäft meinte in einem englischen Nachrichtensender, er „verkaufe manchmal vier bis fünf Tage nichts“.
Häuser, die keiner kaufen kann
Auf der einen Seite stehen die Häuser, die keiner kaufen kann, auf der anderen Seite Investoren aus der Mittelschicht. Viele Chinesen haben oft nur die Möglichkeit, ihr Geld in Immobilien anzulegen, um so für das Alter vorzusorgen. Langsam beginnt der Motor aber zu stottern und die Immobilienpreise in China befinden sich im Sinkflug. Viele Käufer waren in den vergangenen Monaten, noch bevor die Immobilien bezugsfertig waren, bereits mit Preissenkungen ihres Eigentums konfrontiert. Die chinesischen Bauunternehmer versuchen sich mit Rabatten auf ihre Immobilien zu überbieten. In den vergangenen Wochen fielen die Preise für Wohnhäuser in großen Städten wie Shanghai, Beijing und Shenzhen, aber auch kleinere Städte wie Hangzhou und Chongqing sind betroffen. Manche Unternehmen bieten Rabatte von bis zu 32% an. „Der Preiskrieg hat begonnen“, sagte Alan Chiang Sheung-lai vom Immobilienberater DTZ der South China Morning Post. Der verzweifelte Versuch der Bauunternehmer, nicht genutztes Inventar, Immobilien, abzustoßen, lief aus dem Ruder. Manch einer bot sogar Wohnungen zu einem Preis an, der nur die Kosten decken konnte. Viele Experten schätzen die Immobilienblase in China als sehr gefährlich ein, sowohl für die Weltwirtschaft als auch für das Land selbst. Denn „wenn diese Blase platzt, wird das viele Menschen in die Armut treiben. Das erhöht das Risiko von sozialen Unruhen“, so Tulloch.
China vor der Zerreißprobe
Das ist offensichtlich auch der chinesischen Oberschicht bewusst. Nach einer Untersuchung der Bank of China und dem Herausgeber der Top-Reichen-Liste „Hurun“ haben bereits 60% aller reichen Chinesen damit begonnen, ihre Auswanderung vorzubereiten oder sind bereits ausgewandert. Dass sich nun auch die Partei-Eliten absetzen, ist für Gordon Chang, Kolumnist für „Forbes“ und Rechtsanwalt mit jahrelanger China-Erfahrung, ein Beleg, dass Wirtschaft und Gesellschaft vor dem Kollaps stehen. Ein Indikator dafür ist auch die massiv um sich greifende Korruption, die zu bekämpfen die chinesische Führung keine Mittel gefunden hat. Zusammen mit den explodierenden Lebensmittelpreisen, einem nicht funktionierenden Gesundheitssystem und gigantischen Geisterstädten ist das eine unangenehme Mischung. Die Sorge vor großen Unruhen in China nimmt immer mehr zu.