Warum trotzt manch römische Hafenanlage den Wellen schon seit zwei Jahrtausenden, während Baustoffe der Neuzeit nach spätestens 100 Jahren am Ende sind? Forscher der University of Utah, USA, scheinen dieses Rätsel gelöst zu haben. Was die Verbindung aus Kalk, Vulkanasche und Gestein so haltbar macht, ist das Meerwasser, das in das betonartige Gemisch eindringt und im Inneren des Materials spezielle kristalline Strukturen entstehen lässt. Das sorgt für Stabilität und lässt die Bauwerke mit der Zeit stärker werden, als sie bei der Errichtung sind.
Und ewig währt
Das Prinzip des römischen Betons soll im dritten Jahrtausend genutzt werden. Das Forschungsteam aus Utah arbeitet bereits am Nachbau des antiken Wunderstoffs. Mit dem Einsatz von Ablagerungen alter vulkanischer Aschen oder Aschen aus Kohlekraftwerken und Verbrennungsanlagen verspricht man sich, die Lebensdauer von herkömmlichem Zement wesentlich zu verlängern. Die Langlebigkeit von Baumaterialien entspricht der Forderung nach Nachhaltigkeit. Das erklärt auch, warum natürliche Materialien wie Holz, Stein und Lehm heutzutage fröhlich Urständ’ feiern. Beispielgebend ist eine Technik aus dem Mitteleuropa des 13. Jahrhunderts, der Fachwerkbau.
Rund zwei Millionen Gebäude mit Steinfundament, tragenden Holzgerüsten und dazwischenliegendem Gefach aus Stroh und Lehm wurden errichtet, wovon eine Vielzahl seit 750 Jahren durchgängig bewohnt und genutzt wird. „Eine der spezifischen Bauphysik dieser Gebäude entsprechende Sanierung ist ein attraktives und lohnendes Geschäft, da unsere moderne Bauweise aus Stahl und Beton in Sachen Langlebigkeit nicht einen Bruchteil dieser Perspektive hat“, sagt Michael Willhardt, deutscher Publizist und Fachmann für ökologisches Bauen. Als sein Lieblingsbeispiel für die Erhaltung dieser Konstruktionsart nennt er das preisgekrönte Thüringer Stadthaus in Arnstadt, Baujahr 1582. „Das Gebäude hat in fünf Jahrhunderten mehr als zehn sehr verschiedene Nutzungen erfahren und ist heute als kleines Ökohotel so attraktiv wie eh und je.“
Holz, Stroh, Lehm
Wie spannend das Konzept bis dato ist, zeigen jene Baufirmen – vornehmlich in Deutschland –, die sich nach wie vor auf die Errichtung von Fachwerkhäusern in traditioneller Bauweise spezialisieren. Einer zeitgemäßen Interpretation des Themas Bauen mit Holz und Lehm wenden sich wiederum österreichische Unternehmen zu. „Unser Strohhaus“ mit Sitz in Guntramsdorf baut mit Strohballen, Holz und Lehmputz. Bei der Holz-Lehm-Haus Entwicklungsgesellschaft in Schlierbach (Traunviertel, Oberösterreich) werden Holzblockhäuser mit Massivholzelementen errichtet und mit Lehm veredelt. „Es gibt aus heutiger Sicht nicht viel, das nachhaltiger und bauökologischer zu sein scheint als ein Objekt in massiver Lehmbauweise“, sagt dazu Holzbauarchitektur- und Materialexperte Andreas Breuss, der bei seinen mehrfach ausgezeichneten Projekten im privaten Wohnbau versucht, auf künstliche Baustoffe zu verzichten. Dass die universitäre Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen des Instituts für Architektur und Entwerfen (welche Uni? … an der TU Wien? Korr) dem Uraltbaustoff Ende 2018 eine eigene Veranstaltung widmete, spricht für das wachsende Interesse am Thema.
Häuser zum Mitnehmen
Wie sich die Langlebigkeit von Baumaterial mit der Schnelllebigkeit moderner Gesellschaften in Einklang bringen lässt, ist eine Frage, die ein anderes heimisches Unternehmen auf ungewöhnliche Weise beantwortet hat. „Meine Grundidee war ein Haus aus Holz, gebaut aus regionalen Baustoffen, gefertigt von Facharbeitern aus Österreich. Wertbeständig und ökologisch, aber zugleich an die mannigfaltigen Veränderungen des Lebens anpassbar“, erklärt Oliver Pesendorfer, Gründer des Start-ups McCube. Herausgekommen ist ein modulares Fertighaus, das schlüsselfertig geliefert und direkt auf der grünen Wiese auf ein Fundament aus Erdschrauben gesetzt wird – nach Anschluss an Wasser und Strom innerhalb weniger Stunden bezugsfertig.
Einfach ergänzen oder teilen
Die Möglichkeit, einzelne Module bei Bedarf zu ergänzen oder abzudocken, entspricht laut Pesendorfer dem Geist der Zeit: „Man beginnt mit einem Cube, also einem Ein-Zimmer-Haus. Ist Nachwuchs unterwegs, stellt man einfach einen weiteren Cube als Kinderzimmer dazu. Sollte es später einmal zu einer Trennung kommen, kann das Haus einfach geteilt und mitgenommen werden. Ändert sich der Arbeitsplatz, baut man das Haus an einem neuen Standort auf.“ Eine mobile Immobilie für Flexibilität in allen Lebenslagen, gebaut hauptsächlich aus Holz und Hanf. Mittlerweile bietet das Unternehmen mehrere Modelle an. Zuletzt wurde im Juni 2018 McCube 3.0 präsentiert, das vor allem smarte, ökologische Schwerpunkte setzt. Verantwortlich zeichnen dafür unter anderem eine in die Architektur integrierten Fotovoltaikanlage, ein Stromspeicher und ein Sharingmodell. Dabei wird Strom kostenlos ausgetauscht, im Bedarfsfall werden günstige Stromüberschüsse aus Windparks eingespeist und gespeichert.
Aus Alt mach Neu
Die nachhaltige Idee, „historische“ Materialien einzusetzen, um Neues zu bauen, lässt sich auch anders realisieren. Stichwort Recycling. Bis zu 400 Tonnen Baurestmassen können beim Abriss eines Einfamilienhauses anfallen, etwa 9,5 Millionen Tonnen kommen österreichweit pro Jahr auf Baustellen zusammen. Nur ein kleiner Teil davon landet auf Deponien, 80 Prozent werden hierzulande in Recyclinganlagen behandelt, um danach erneut zum Einsatz zu kommen. „Ein Haus besteht zu 96 Prozent aus mineralischen und somit wiederverwertbaren Baustoffen“, erklärt Martin Car, Geschäftsführer des österreichischen Baustoff-Recycling-Verbands.
Problemlose Weiterverarbeitung
Ziegel, Putz und Mörtel können etwa problemlos weiterverarbeitet werden. Zumeist werden sie granuliert und danach zum Beispiel als Zuschlagstoffe in Leichtbeton verwendet. Mit Bodenaushub lassen sich Terrassen aufschütten, Abbruchschotter eignet sich für die Anlage von Wegen und Zufahrtsstraßen. Verwendet werden kann auch Recyclingmaterial, das ursprünglich kein Baustoff war, etwa Altpapier zum Einsatz als Dämmstoff. „Theoretisch könnte ein ganzes Haus zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial errichtet werden. In der Praxis ist es derzeit noch nicht wirtschaftlich“, so Car.