Beim Jour fixe mit dem Thema „Bisherige Rechtsprechung zum Lagezuschlag“ im Anwaltsbüro Müller Partner Rechtsanwälte hatten sich betroffene Hauseigentümer sowie Makler und Hausverwalter eingefunden, um Aufklärung zum Lagezuschlag zu erlangen. „Wenn Worthülsen zur Beschreibung einer guten Lage bisher genug waren, so trifft das nun sicher nicht mehr zu“, leitete Andreas Grieb, Richter am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, seinen Vortrag zur Frage der Durchschnittlichkeit einer Lage im Zusammenhang für den Anspruch auf Lagezuschläge ein. Wesentlich sei außerdem, dass der Bezirksvergleich nicht treffsicher ist und daher ein Lagezuschlag einzeln zu rechtfertigen ist. Die Vorgeschichte zum Thema ist lang, und zu Beginn des letzten Jahres war mit einem vielzitierten OGH-Urteil ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. Entgegen der gängigen Praxis war festgestellt worden, dass bei der Frage der Durchschnittlichkeit auf die Umgebung abzustellen ist und nicht auf den Verkehrswert. Der OGH war einer Klägerin gefolgt, die den Lagezuschlag ungerechtfertigt fand, und im November 2018 war ein Fall in der Hartmanngasse in zweiter Instanz ähnlich ausgegangen.
Lagezuschlagskarten – Dramatik pur
Mit dem politischen Erbe des Mietrechtsgesetzes umzugehen, scheint auch die Verwaltungen zu überfordern. In Wien wird die Frage „Lagezuschlag ja oder nein?“ mit immer neuen Lagezuschlagskarten beantwortet, was wegen der Preisrally beim Wohnen für besondere Dramatik sorgt. „Legistisch betrachtet ist ein Beurteilungsspielraum hier notwendig, aber unverständliche Ergebnisse entlang von Straßen sind problematisch“, erläuterte Grieb anhand der Kaiserstraße. Dort kann demnach für die geraden Hausnummern laut Empfehlung der Stadt Wien ein Zuschlag verrechnet werden, während das auf der gegenüberliegenden Seite nicht der Fall ist. Eine betroffene Vermieterin war tatsächlich im Publikum, und sie beklagte einen Einnahmenverlust von 38 Prozent. Sie wolle sich rechtskonform verhalten, würde aber nur mehr die Verkaufsmöglichkeit sehen, um nicht unwirtschaftlich zu handeln.
Immobilienfirmen und Institutionelle übernehmen gerne
Marktbeobachter stellen fest, dass das kein Einzelfall ist. „Finanzierungen sind ohne Aussicht auf Rückzahlung von den Banken nicht zu bekommen“, begründete Sandra Bauernfeind, Geschäftsführende Gesellschafterin EHL Wohnen. Infolge stagnierender oder sogar rückläufiger Erträge würden sich Zinshausbesitzer zurückziehen. Spekulativ aufgestellte Immobilienfirmen und institutionelle oder andere Anleger übernehmen gerne. Diese treten laut EHL bei zwei Dritteln der gehandelten Objekte als Käufer auf, um Wohnungen ins Eigentum zu überführen. Mit ein Grund, warum der Bestand an klassischen Wiener Mietzinshäusern laut Zinshausmarktbericht von Otto Immobilien in den letzten neun Jahren um sieben Prozent auf 14.439 Objekte bis 2018 abgenommen hat.
Mit konservierten Beweismitteln dagegenhalten
Traditionelle Zinshausvermieter hoffen auf bessere Zeiten und vermieten lieber befristet als unbefristet. Für den Aufwand zusätzlicher Lagenachweise haben sie dem Tenor nach wenig Verständnis. Die Gastgeberin und Partnerin in der Kanzlei, Manuela Maurer-Kollenz, nahm sie trotzdem in die Pflicht: „Die Vermieter müssen da ihre Hausaufgaben schon machen und ausreichend Begründung für die Überdurchschnittlichkeit bei der Lage liefern.“ Der Immobilienbewerter und gerichtlich beeidete Sachverständige Markus Reithofer stellte als Vortragender fest: „Die Lagezuschlagskarte ist eine Art Generalgutachten, und für Einzelgutachten benötigen wir Beweismittel.“ Lagevorteile wären am besten detailhaft festzuhalten und auch über die Zeit zu konservieren. Relevant sei der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, und auch Bestandsverträge wären betroffen. Immerhin, so ein Hinweis aus dem Publikum, gäbe es bereits digitale Lageservices von Spezialisten. Was die Auswertung betrifft, da mangelt es derzeit noch. Die Verbände der Sachverständigen sowie der Immobilientreuhänder sind dem Vernehmen nach da aber auch schon aktiv. Eine Klagewelle bis hoch hinauf sei übrigens entgegen manchen Befürchtungen nicht eingetreten, da man sich lieber verglichen hätte.