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Krise als Wendepunkt

Eine Insolvenz ist weder Kontrollverlust noch bedeutet sie das Ende. Für den Bau & Immobilien Report zeigt Andrea Fruhstorfer, Rechtsanwältin und Sanierungsverwalterin bei ecolaw Rechtsanwälte, wie Bau- und Immobilienunternehmen durch Sanierung wieder auf Kurs kommen können.

© Gajus-Images

Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht vor einer tiefgreifenden Bewährungsprobe. Steigende Zinsen, anhaltende Inflation, geopolitische Unsicherheiten und der Wegfall zentraler Förderinstrumente führen zu einem Umfeld, in dem selbst etablierte Unternehmen unter Druck geraten. Die aktuellen Zahlen untermauern diesen Befund: Im ersten Quartal 2025 wurden mehr als 2.000 Unternehmensinsolvenzen registriert – ein Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders stark betroffen: der Bau, der Handel und die Gastronomie. Für das Gesamtjahr rechnen Wirtschaftsdienste mit bis zu 8.000 Insolvenzen.

Zwischen wirtschaftlichem Druck und rechtlicher Verantwortung

Die wirtschaftliche Realität vieler Unternehmen steht zunehmend im Spannungsfeld mit rechtlichen Pflichten und Risiken. Wer Anzeichen finanzieller Schieflage erkennt – etwa durch Zahlungsverzögerungen, Projektstopps oder fehlende Finanzierungsperspektiven – sollte diese nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch rechtlich einordnen. Denn sobald ein Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, oder eine dauerhafte Überschuldung vorliegt, kann die Pflicht bestehen, aktiv zu werden – im Interesse der Gläubiger und zur Vermeidung persönlicher Haftung der Geschäftsführung.

Insolvenz verstehen: Der Weg durch die Krise

Ein Insolvenzverfahren ist kein Kontrollverlust – im Gegenteil: Es ist ein geregelter, gesetzlich strukturierter Prozess, der Unternehmen in schwierigen Situationen ermöglicht, geordnet zu sanieren und neu aufzustellen. Je nach Ausgangslage und Perspektive stehen dafür unterschiedliche Verfahrensformen zur Verfügung, insbesondere das Sanierungsverfahren. Richtig vorbereitet kann dieses Verfahren genutzt werden, um Verbindlichkeiten zu restrukturieren, Gläubiger einzubinden und die wirtschaftliche Tätigkeit – etwa durch einen Sanierungsplan – fortzuführen.

Als Sanierungsverwalterin begleite ich Unternehmen durch genau diese Phasen. Die Praxis zeigt: Wer mit klarem Blick, rechtlicher Expertise und ausreichender Vorbereitung ins Verfahren geht, kann nicht nur den Fortbestand sichern, sondern auch strategisch neue Weichen stellen. Die Möglichkeit der Eigenverwaltung – also einer Sanierung unter Beibehaltung der operativen Kontrolle – steht Unternehmen offen, die frühzeitig handeln und strukturiert vorgehen.

Typische Herausforderungen in der Praxis

In der täglichen Praxis bestehen die größten Hürden nicht im Verfahren selbst, sondern in seiner Vorbereitung. Viele Unternehmen betreten das Verfahren mit lückenhafter Dokumentation, fehlender Transparenz oder unklaren Verhältnissen in ihren Projektstrukturen. Besonders in der Bauwirtschaft, wo Vermögenswerte projektbezogen gebunden, Forderungen oft strittig und Verträge komplex sind, ist ein strukturierter Zugang entscheidend.

Ein weiterer neuralgischer Punkt ist die interne und externe Kommunikation. Unsicherheit bei Mitarbeitenden, verunsicherte Geschäftspartner oder stillgelegte Baustellen – all das erfordert eine klare, strategisch geplante Kommunikation. Ein gut vorbereitetes Verfahren schafft die Grundlage dafür, Vertrauen zurückzugewinnen und neue Perspektiven zu eröffnen.

Sanierung als Chance: Der Neustart mit Substanz

Sanierung ist mehr als Schuldenabbau – sie ist eine unternehmerische und rechtliche Neuausrichtung. Unternehmen, die diesen Weg bewusst wählen, können aus der Krise gestärkt hervorgehen: mit effizienteren Strukturen, geschärften Geschäftsmodellen und neuer Finanzierungsperspektive. Gerade in der Immobilienentwicklung, wo Projektzyklen lang, Kapitaleinsatz hoch und externe Abhängigkeiten groß sind, bietet ein Sanierungsverfahren die Möglichkeit, tragfähige Projekte weiterzuführen und unrentable Positionen kontrolliert abzubauen.

Investoren, Banken und Partner erkennen zunehmend den Wert professioneller Sanierungen – nicht als Misserfolg, sondern als Wendepunkt. Wer offen, transparent und lösungsorientiert agiert, kann Vertrauen aufrechterhalten oder sogar zurückgewinnen.

Was Unternehmen jetzt brauchen

Unternehmen in der Bau- und Immobilienwirtschaft benötigen in dieser Phase vor allem Klarheit über ihre wirtschaftliche Situation, rechtliche Sicherheit bei ihren Entscheidungen und den Mut, strukturell nachzuschärfen. Eine laufende Liquiditätsplanung, belastbare Verträge, transparente Kommunikation mit Finanzierungspartnern – all das gehört heute zum unternehmerischen Pflichtprogramm. Genauso wichtig: sich frühzeitig mit professioneller Unterstützung auf mögliche Sanierungsszenarien vorzubereiten – um rechtlich sicher und wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben.

Stabilität braucht Struktur – und den Mut zum Neuanfang

Insolvenz ist kein Scheitern, sondern eine Möglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Rechtssicherheit in Einklang zu bringen. In Zeiten wie diesen braucht es eine neue Kultur des Neuanfangs – getragen von juristischer Klarheit, betriebswirtschaftlicher Realität und unternehmerischer Entschlossenheit.

Insolvenzrecht bedeutet für mich nicht nur Abwicklung, sondern auch die Chance, geordnete Lösungen zu schaffen und neue Perspektiven zu ermöglichen. Was es dafür braucht? Eine Kultur des Neuanfangs. Insolvenz ist kein Stillstand, sondern oft der erste Schritt in eine erfolgreiche Zukunft – wenn der Wille zur Veränderung auf fundierte Begleitung trifft.

Die Herausforderungen der Branche sind gewaltig – doch mit der richtigen Struktur, rechtzeitiger Reaktion und professioneller Begleitung können Unternehmen nicht nur bestehen, sondern sich zukunftsfähig neu aufstellen. Die Bau- und Immobilienwirtschaft hat das Potenzial dazu. Jetzt ist die Zeit, es zu nutzen.

Hintergrund

Good to know: Im Unterschied zur Exekution, bei der einzelne Gläubiger Zugriff auf bestimmte Vermögenswerte haben, ist das Insolvenzverfahren ein umfassender, geordneter Prozess unter gerichtlicher Aufsicht. Ziel ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung – vorzugsweise im Rahmen einer nachhaltigen Sanierung.

Checklist: Frühwarnzeichen erkennen – und rechtssicher handeln

Nicht jede wirtschaftliche Schieflage ist sofort existenzbedrohend – aber bestimmte Entwicklungen im Unternehmen sollten als deutliche Warnsignale verstanden werden. Wer die finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig erkennt, kann gegensteuern, bevor es zu spät ist. Typische Alarmsignale einer wirtschaftlichen Schieflage:

1. Liquiditätsengpässe trotz voller Auftragslage. Zahlungseingänge reichen nicht aus, um laufende Verbindlichkeiten zu bedienen – etwa für Löhne, Material oder Steuern.

2. Wiederkehrende Zahlungsrückstände. Lieferanten und Subunternehmen werden verspätet oder nur teilweise bezahlt. Stundungsvereinbarungen häufen sich und 
können nicht eingehalten werden.

3. Kein aktueller Finanzüberblick. Es fehlen laufende betriebswirtschaftliche Auswertungen. Liquiditätsplanung, Kostenkontrolle und Projektkalkulationen sind unvollständig oder veraltet.

4. Überzogene Kreditlinien. Banken kündigen Kreditlinien, verlangen zusätzliche Sicherheiten oder stellen neue Finanzierungszusagen in Frage.

5. Verlorenes Vertrauen im Team. Führungskräfte oder Schlüsselpersonal verlassen das Unternehmen. Es herrscht Unsicherheit, Unruhe oder Stillstand in wichtigen Bereichen.

6. Projektabbrüche und Baustellenstillstand. Bauprojekte kommen zum Erliegen, weil Material fehlt, Zahlungen ausstehen oder Subunternehmen abspringen.

7. Zunehmende Geschäftsführungsbelastung. Entscheidungen werden hinausgezögert, operative Fragen dominieren das Tagesgeschäft. Strategische Führung rückt in den Hintergrund.

Was ist jetzt zu tun?
Wer mehrere dieser Signale erkennt, sollte sofort handeln: Die wirtschaftliche Lage objektiv analysieren lassen, rechtliche Rahmenbedingungen klären, Haftungsrisiken prüfen und professionelle Sanierungsberatung in Anspruch nehmen. Frühzeitiges Eingreifen schafft Struktur, Sicherheit und neue Perspektiven.

Wenn der Worst Case droht

Was Unternehmen bei drohender Insolvenz beachten sollten:

- Finanzielle Klarheit schaffen: Liquiditätsstatus aktualisieren, Verbindlichkeiten und offene Forderungen erfassen, Kennzahlen des Unternehmens überwachen, Finanzplanung regelmäßig überprüfen (Budget, Cashflow).
- Insolvenzgründe prüfen: Besteht eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit oder eine rechnerische Überschuldung? Ist eine positive Fortbestehensprognose noch darstellbar?
- Pflichten der Geschäftsführung ernst nehmen: Haftungsrisiken vermeiden, keine verspätete Antragstellung riskieren.
- Kostendeckendes Vermögen sichern: Für die Verfahrenseröffnung muss das Unternehmen über ausreichend liquide Mittel verfügen, sodass eine Sanierung noch darstellbar ist.
- Verfahrensoptionen abwägen: Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung frühzeitig vorbereiten.
- Professionelle Begleitung einholen: Rechtsberatung und betriebswirtschaftliche Expertise kombinieren.
- Kommunikation strategisch planen: Mitarbeitende, Partner und Gläubiger frühzeitig informieren.

Bau und Immobilien Report.png 214.43 KB

23.06.2025

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  • Erschienen am:
    23.06.2025
  • um:
    07:00
  • Lesezeit:
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