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Know-how, Kommunikation und Durchsetzungskraft

Obwohl– oder vielleicht gerade weil– sich die Technik immer weiterentwickelt, passieren bei Bauprojekten nach wie vor Fehler. Das ist normal, sagt Matthias Rant, Ziviltechniker und Sachverständiger sowie Präsident des österreichischen Sachverständigenverbands. Allerdings wären diese oftmals ohne große Probleme zu lösen, bevor sie zu einem Kostenungetüm anwachsen.

Hat Österreich, was die Sachverständigen betrifft, in Europa eine Sonderstellung?

Rant: Wir haben in Österreich als einziges Land in Europa ein gesetzliches Zertifizierungsverfahren für alle Sachverständigen, vom Ägyptologen bis hin zum Bausachverständigen. Wir haben derzeit insgesamt etwa 12.000 Mitglieder und eine gerichtliche Zertifizierung für alle Sachverständigen– das ist ein enormer Vorteil.

Welcher?

Rant: Wir können mit einer Stimme sprechen. Nirgendwo in Europa gibt es eine Vereinigung, in der alle Sachverständigen „unter einem Hut“ sind. In den meisten Ländern gibt es eine starke Zersplitterung und dadurch keine homogene Vertretung, was oftmals zu einem ziemlichen Durcheinander führt. Wir sind der direkte Ansprechpartner des Justizministeriums, und das ist Gold wert. So kommen wir nämlich zu vernünftigen Lösungen.

Bis dahin war es aber ein weiter Weg.

Rant: Ja. Mein Vorgänger hat die vier Landesverbände, gegliedert nach den Oberlandesgerichtssprengeln, geeint. Das waren Wien, Graz, Linz und Innsbruck. 1994 wurde ich SV-Präsident und habe seinen Weg fortgesetzt. 1994 hatten wir rund 3.500 Mitglieder, jetzt sind es rund 9.000, dazu kommen noch außerordentliche Mitglieder, Mediatoren und Dolmetscher, was insgesamt 12.000 macht. Alle, die mit der Justiz zu tun haben, sind unter einem Dach.

Wie viel Zeit verwenden Sie für diese Tätigkeit?

Rant: Meine ehrenamtliche Arbeit umfasst rund 400 bis 500 Stunden im Jahr. Außerdem bin ich Sachverständiger mit dem Schwerpunkt Bauschäden und Immobilien und habe ein eigenes Ingenieurs- und Planungsbüro sowie eine Softwarefirma.

Als Sachverständiger waren Sie 2008 mit dem Skylink am Flughafen Wien befasst, der ja für große Aufregung gesorgt hat.

Im Interview

Matthias Rant

Matthias Rant ist Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger und Zivilingenieur, spezialisiert auf die Bewertung von Immobilien (Bauwesen,Bauschäden, Bauabwicklung).

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Rant: Als sich die Situation beim damaligen Skylink zuspitzte und ein Baustopp näherrückte, kamen die Verantwortlichen zu mir. Grund waren die zahlreichen Großprojekte, die ich betreut habe, und meine internationale Erfahrung. Die Herausforderung war nämlich, wie man ein Bauprojekt mit fast 4.000 Räumen und zehntausenden Mängeln dokumentieren kann. Wir hatten insgesamt zwölf Parteien, und hätten wir diese Dokumentation auf Papier machen müssen, wäre sie nicht möglich gewesen. Ich habe daher dem Gericht angeboten, für diesen speziellen Fall eine Software zu entwickeln. Letztendlich hat das funktioniert, und es war ein riesiger Erfolg– alles natürlich unter einem enormen Zeitdruck.

Wie viel Zeit hatten Sie für das Erfassen der Mängel?

Rant: Wir mussten in einem Jahr mit der Dokumentation fertig sein. So lange galt der Baustopp. Gemeinsam mit 26 Sachverständigen und Spezialisten haben wir daran gearbeitet, und es ist uns gelungen, in weniger als einem Jahr alle Mängel zu dokumentieren. Auf diese Leistung bin ich sehr stolz. Der Flughafen Berlin ist hingegen seit Jahren eine Baustelle, wo nichts weitergeht.

Wie meinen Sie das?

Rant: Der Erfolg war, dass man in einem Jahr wieder weiterbauen konnte. Es gab keinen einzigen Prozess, sondern es wurden faktisch nur außergerichtliche Vergleiche geschlossen, da klar dokumentiert war, was Sache ist. So weit ist man in Berlin noch nicht. Es wird gestritten, es gibt Konkurse.

Das ist in Geld gar nicht mehr auszudrücken.

Sie müssen ja weiterbauen. Wenn eine so große Baustelle zwei oder drei Jahre „steht“, dann ist sie technisch überaltert, dann gehen Firmen in Konkurs, dann können sie keinen Probelauf machen, dann wird die Technik nicht gewartet. So eine Baustelle verkommt einfach. Es ist schon schlimm genug, wenn es einen Baustopp gibt, aber dann muss ganz schnell gehandelt werden. Und das fehlt meines Erachtens in Berlin. Wichtig ist, dass vor dem Bauschluss der Streit beendet wird.

Aus dieser Geschichte heraus haben Sie aber ein neues Tool entwickelt.

Rant: Ja. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung weiß ich ja, wo das Geld verblödelt wird– wenn ich das so sagen darf. Meistens dort, wo die Schnittstellen fehlen. Bei einer durchschnittlich guten Bauleistung gibt es 1 bis 2% Schäden, und wenn ich 50% davon vermeiden kann, dann ist das eine entsprechende Summe. Wenn ich das gut dokumentiert habe, dann gibt es kein Problem.

Wie ist die Software aufgebaut?

Rant: Docu-Tools, so heißt die Software, basiert auf einer grundlegenden Philosophie: Bevor Räume mit Decken oder Boden geschlossen werden, wird alles genau dokumentiert, und wenn das ordentlich gemacht wird, dann habe ich die gesamte Dokumentation des Bauwerks. Der Kunde bekommt alles genau aufgelistet, wenn das Gebäude übergeben wird.

Das hat auch einen enormen Effekt auf die Betriebs- und die Lebenszykluskosten.

Inwiefern?

Rant: Jeder Techniker und jeder Facility-Manager kann genau sehen, was wo installiert wurde, welche Technik verwendet wurde und wo sich die jeweiligen Teile genau befinden. Das spart auf lange Sicht gesehen enorm viel Geld.

Wie hat eigentlich die Technik die SV-Arbeit verändert?

Rant: Dass sie die Arbeit erleichtert, kann man nicht sagen. Man kann aber mittlerweile genauere und präzisere Grundlagen als früher liefern. Doch die Gutachter sollten sich dadurch nicht hinreißen lassen, eine Scheingenauigkeit zu erzeugen. Ein Gutachten bleibt ein Gutachten, und wie gut es ist, hängt vom Wissen und von der Genauigkeit des Gutachters ab. Man muss es nachvollziehen können, und es darf nicht durch einen Wust von Berechnungen verschleiert werden. Wir haben heute die unglaubliche Möglichkeit, viel mehr an Dokumentation zu liefern, aber das darf das Hirn des Sachverständigen nicht ersetzen, der Plausibilität sicherstellen muss.

Es geht um die Fähigkeiten des SV und nicht nur um die Technik.

Rant: Ja. Ich habe vor vielen Jahren ein Fachbuch über Immobilienbegutachtung aus dem Jahr 1920 gekauft. Darin war ein Haus auf zwei Seiten bewertet. Heute würde ein Gutachter damit keine Chance haben, aber es war nicht unbedingt falscher als heute. Heute wird verlangt, dass alles nachvollziehbar und belegbar ist. Heute ist das Gutachten aufwendiger, und es wird nicht mehr akzeptiert, dass der Sachverständige einfach sagt: So ist es. Durch einen Wust von Argumenten wird ein Gutachten nicht besser oder wichtiger. Der Mensch, der ein Gutachten erstellt, muss wissen, was Sache ist. Wenn er das nicht weiß, ist er fehl am Platz. Ich muss heute mehr beweisen als früher, aber das Wissen muss vorhanden sein.

Was sind für Sie in den vergangenen Jahren die auffälligsten Veränderungen in der Baubranche?

Rant: Die Art der Abwicklung einer Baustelle hat sich in den letzten fünf Jahren gigantisch verändert. Aber es ist nicht besser geworden. Es wird genauso viel Blödsinn gemacht wie vorher, aber ich kann es besser nachweisen. Es ist heute durch die Bautechnologie schwieriger geworden, ebenso durch das Zusammenstauchen der Zeit. Da darf am Bau nichts passieren und wenn irgendwo am Anfang etwas passiert, summiert sich das im Lauf der Zeit immer mehr.

Kurz und gut: Die Technik ist besser, aber die Zeit kürzer, und dadurch hebt sich das irgendwie auf. Trotz aller Technik gibt es aber zwei ganz wesentliche Faktoren, warum oft etwas danebengeht.

Welche?

Rant: Wenn ich beim Bau eine Abweichung vom Soll erkenne, dann muss ich als verantwortungsvoller Bauherr sofort reagieren. Jede Abweichung muss sofort repariert werden, da sich jeder Fehler potenziert. Leider ist aber die Bauherrenverantwortung etwas ganz Seltenes geworden. Der zweite Punkt: Ich muss für meine Projekte immer eine adäquate Bauabwicklungsmethode suchen. Nehme ich zum Beispiel einen Generalunternehmer oder mache ich eine konventionelle Abwicklung?

Hat das mit der Größe des Projekts zu tun?

Rant: Nein, mit der Komplexität. Der Parlamentsumbau etwa ist ohne einen Generalplaner nicht machbar. Ich brauche einen Planer, der für alles verantwortlich ist. Ich kann nicht einen Architekten, einen Gebäudetechniker, einen Statiker usw. haben, da dann die Schnittstellen fehlen oder problematisch sind. Und wenn ich die nicht habe, geht das Projekt „in die Hose“.

Die Abwicklungsmethodik ist in diesem Fall deshalb so wichtig, weil ich schnell eine Entscheidung treffen muss. Die öffentliche Hand kann oft nicht schnell und kompetent sein, weil der Dienstweg zu lang ist. Diese Auswahlverantwortung, wie ich etwas umsetze, wen ich einsetze, um etwas abzuwickeln, die wird viel zu selten wahrgenommen. Ich muss jemanden nehmen, der sich auskennt.

Worauf sind Baufehler prinzipiell zurückzuführen?

Rant: Auf die Baustelle. Es ist einfach so: Wo gebaut wird, passieren Fehler. Das ist auch nicht schlimm, aber man muss kompetent und nachhaltig reagieren. Dazu gehören Persönlichkeiten, die das können, dürfen und wollen.

Ein Baufehler kann eine Zeit lang unter der Decke gehalten werden, aber er pflanzt sich fort und wird immer größer. Ich fürchte auch, dass in Österreich ein paar Baustellen wieder aufbrechen werden, die jetzt im Laufen sind.

Welche könnten das sein?

Rant: Es gibt einige Großprojekte, wo dies passieren könnte, aber ich kann Ihnen zum aktuellen Zeitpunkt nichts darüber sagen.

Noch einmal zurück zum Thema Bauen. Wie wird sich das Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Rant: Die Bauzeit wird wahrscheinlich noch mehr verkürzt und die Abwicklung noch komplexer werden, weil es neue Baumethoden geben wird. Ich glaube nicht, dass wir heute besser als vor 100 Jahren bauen. Sehen Sie sich die wirtschaftliche Lebensdauer der Gebäude heute an. Ein 150-jähriger Altbau, der instand gesetzt ist, ist ein gesuchtes Objekt. Bei vielen Gebäuden, die heute gebaut werden, ist das nicht so.

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  • Erschienen am:
    20.07.2015
  • um:
    16:50
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