Vor Kurzem hat der Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter auf einer Veranstaltung klargestellt: „Für uns ist die Klimaresilienz ein primäres Planungsziel.“ Mit anderen Nachhaltigkeitszielen könne es Überschneidungen geben. Von Wien bis Vorarlberg steht klimaverträgliches Bauen auf der To-do-Liste mittlerweile ganz oben. Der aktuelle Trendreport der IG LEBENSZYKLUS BAU gibt den Umbau eines Bauernhofs im Vorarlberger Hittisau zur Leuchtenmanufaktur als Beispiel an. Georg Bechter räumt als Bauherr und Architekt in Personalunion mit dem Vorurteil auf, wonach sich Umbauen nicht auszahlt: „Bedenkt man die bauliche Qualität, ist das Weiterbauen günstiger.“ Im konkreten Fall wurde die ehemalige Jauchegrube auch zum Eisspeicher umfunktioniert, und Bechter vermutet: „Bauen und Umbauen ohne Fokus auf Ökologie und Klimaresilienz werden in Zukunft nicht mehr möglich sein.“
Klimabewusstsein für alle
Eine logische Ergänzung zur Klimaresilienz ist die klimabewusste Nutzung von Gebäuden. Dieser Trend, den man auf Rang zwei der Toptrends im angesprochenen Report findet, wird vom immer bedeutender werdenden Handel mit CO2-Zertifikaten gestützt. Eine verpflichtende „Corporate Climate Responsibility“ wird als Treiber genannt. In Sachen Bau verweist die IG LEBENSZYKLUS BAU auf Schnittstellenverluste, die wiederum mit dem Trend zu kooperativen Verfahren eingedämmt werden. Gemeinsames Planen und Bauen mit Building Information Modeling (BIM) soll das Mindset in der Baubranche zukünftig ausmachen. Bei Sedlak Bau unterstützt man diese Sichtweise: „Mit Kooperation erreichen wir mehr als mit kompetitiver Baustellenkultur.“
Alles nur geborgt
Ein weiterer Trend beim Bauen basiert auf der Sharing-Ökonomie. Die Baugeräteanbieter zeigen das schon vor. Neu ist laut dem Report die Möglichkeit, Einrichtungen und sogar Bauteile künftig ebenfalls nutzungsbasiert zu bezahlen. Contracting-Modelle könnten das leisten, und vom Energiethema kennt man derartiges ja schon. „Alles, was leicht demontierbar ist, also Fassadenteile, Fenster, Böden und Wandmodule“, würde laut Simon Battlogg, der bei Rhomberg Bau eine eigene Division für neue Geschäftsmodelle, Innovation und Digitalisierung leitet, dafür infrage kommen.
Alles vor der Türe haben
Regionalität ist der Trend Nummer fünf, und auf die Nähe der Baustoffproduktion wird es demnach immer mehr ankommen. Nähe spielt auch beim nächsten Trend eine große Rolle, nämlich die schnelle Erreichbarkeit von Infrastruktur im Wohn- oder Arbeitsquartier. Die 15-Minuten-Stadt oder das, was Wiener manchmal auch als „Hausschlapfenradius“ bezeichnen, ist das neue Maß aller Dinge. Wien gilt sowieso als eine Stadt des Zu-Fuß-Gehens, wobei das Wiener Proptech-Start-up Place Qu dies mittels Scoring neuerdings auch belegen kann. Die Lebensqualität von Standorten wird dadurch punktgenau ermittelt, und Qualitäten lassen sich so gegeneinander abwägen. In sogenannten Liveable Maps stellt man sie auch flächendeckend dar, was Immobilienprojekte im Zusammenhang mit „Placemaking“ attraktivieren soll. Trend Nummer sieben dreht sich um die Nachverdichtung nach oben. „Lagen mit hoher Attraktivität und guter öffentlicher Anbindung eignen sich für eine Überbauung mit Wohnungen“, sagt Arthur Kanonier, TU-Professor für Bodenpolitik.
Alles biologisch
Biologisches Design ist der nächste Trend, wenn es nach der IG Lebenszyklus geht. Gemeint ist die Verbindung von Natur und Gebautem. Als Beispiel nennt der Report die Biotope City am Wienerberg, und die Stadtplanerin Helga Fassbinder gibt die Idee weiter: „Biophilic Design vereint die scheinbaren Gegensätzlichkeiten von Künstlichem und Biologischem.“ Nicht nur das Grün an der Fassade oder der Rasen vor der Türe ist gemeint, sondern auch die Baustoffe sollen künftig biologischer sein.
Genug für alle
Zu guter Letzt hat man im Trendreport die Gesamtwirtschaft betrachtet. Die soll in Zukunft mehr von dem leben, was ohnedies vorhanden ist. Suffizienz statt Effizienz lautet das neue Motto, und weil das vielleicht mehr eine Hoffnung ist, wurde es nicht als ganzer Trend, sondern als Nummer achteinhalb gereiht. Ein Anhänger des nachhaltigen Wirtschaftens, der WU-Professor Andreas Novy, wagt dazu eine Prognose: „Nicht-Fair-Trade-Baufirmen werden es zunehmend schwerer haben.“
Die Toptrends im Überblick
1 Kein Bauen ohne Klimaresilienz
2 CCR – Corporate Climate Responsibility
3 Vom Me-Project zum We-Project
4 Mieten von Bauteilen und Baustoffen
5 Regionalisierung: Auf die Nähe kommt es an
6 Das Viertelstunden-Quartier
7 Topfield-Developments
8 Biophilic Design
8½ Humanökonomie
Der Trendreport zum Bestellen
https://ig-lebenszyklus.at/ig/online-bestellung-trend-report/