Eine immer älter werdende Gesellschaft stellt besondere Anforderungen an das Bauen. Lebensmuster der Zukunft zeigen, dass auch über 65-Jährige einen Konsumstil pflegen, der stärker an 25-Jährige als an die 60-Jährigen des 20. Jahrhunderts erinnert. Inzwischen gibt es „All-Age- Phänomene“, die bei allen Generationen Anklang finden und die Freiheit des Menschen betonen, so zu leben wie er möchte.
Barrierefrei und behindertengerecht
Dabei ist klarzustellen, dass „barrierefrei“ nicht gleich „behindertengerecht“ ist. Behindertengerecht bedeutet, in der Gestaltung speziell auf die Anforderungen einer bestimmten Behinderung einzugehen. Barrierefreiheit bewirkt, dass möglichst viele Menschen in verschiedenen Lebensphasen selbstständig leben können. Neben den üblichen altersbedingten Einschränkungen, die eine immer älter werdende Gesellschaft mit sich bringt, stellen oft der Transport von Kinderwägen und Gepäck oder die eingeschränkte Mobilität jener, die sich nach einem Unfall oder einer Operation schwertun, ein Problem dar.
Barrierefreiheit ist Nutzerqualität
Das Stichwort „Nutzerqualität“ kommt hier ins Spiel. Dabei geht es darum, trotz Einschränkung mühelos all das tun zu können, was im täglichen Leben notwendig ist. Karl Bier, CEO UBM meint dazu: „UBM hat sich schon lange, bevor es ein Thema wurde, dem nachhaltigen Bauen verschrieben. Barrierefreiheit ist ein Teilaspekt der Nachhaltigkeit. In der Regel belässt es UBM nicht bei der Erfüllung gesetzlicher Vorschriften, sondern sorgt großzügig vor. Dies hat zwei Gründe: Einerseits werden dadurch die Voraussetzungen für hohe Multifunktionalität geschaffen, andererseits wird kostenintensivem Nachrüsten vorgebeugt.“
Die fast „unendliche“ Liste
Betrachtet man das Wort „Nutzerqualität“ in der baulichen Ausführung, so gibt es eine fast unendliche Liste, in welcher Weise ein Gebäude barrierfrei zu sein hat. Das beginnt beim Eingang bzw. beim mühelosen Zugang zur Wohnung oder zum Haus. Wenn eine Parkmöglichkeit beim Haus vorhanden ist, dann sollte sie 3,5 Meter breit sein, das erleichtert das Ein- und Ausladen von sperrigen Lasten, auch von Kinderwagen, Kindersitz und Rollstuhl.
Kein Gefälle über sechs Prozent, rutschfester Belag, geringe Fugenteilung, Türen leicht öffenbar, Bodenbeläge rutschsicher besonders in Bad, Küche, Vorraum und Balkon. Alle Funktionen auf einer Ebene, Beleuchtung, Orientierungsmöglichkeiten, Fenster …
Diese Anforderungen für „barrierefreies“ Bauen lassen sich noch beliebig erweitern und sind in ihrer unüberschaubaren Menge einfach zu viele. Es entsteht leicht der Eindruck, dass sowieso nie alles getan werden kann– und daher besser nichts getan werden sollte.
Verbesserung der Nutzerqualität
Auf die Frage, wo die Grenze für das Machbare zu ziehen ist, erläutert Veronika Egger, Vorsitzende des Vereins „Design for All“ und Expertin im Bereich „barrierefreies“ Bauen: „Es ist eine Frage der Haltung. Wenn Sie barrierefreies Bauen als unnötige Zusatzanforderung betrachten, dann ist jede Liste zu lang. Aus Sicht einer inklusiven und komfortablen Raumgestaltung ist Barrierefreiheit im Neubau selbstverständlich und im Bestand eine kreative Herausforderung. Gute inklusive Gestaltung bedeutet immer eine Verbesserung der Nutzungsqualität, die allen zugute kommt– ganz im Sinne von ,Design for All‘, einem universellen Gestaltungsprinzip mit nachhaltiger Wirkung.“
Direkt betroffen
Auch ein direkt Betroffener wie Hans Wiesinger, ein Mitglied des Vereins „Design for All“, stellt sich der Frage, wo hier die Grenze in der „unendlichen“ Liste an Anforderungen zu sehen ist: „Für mich als Rollstuhlfahrer gibt es dazu natürlich auch noch andere Aspekte. Der ungehinderte, selbstständige Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen für alle Menschen und somit auch für Menschen mit Behinderungen ist ein Menschenrecht. Das ist in der UN-Menschenrechts-Konvention in der Bundesverfassung (B-VG) und im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGStG) nachzulesen. Wir reden hier nicht von irgendwelchen Almosen, sondern vom Recht aller Menschen zur gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und an einer selbstbestimmten Lebensführung.“
Letztendlich bleibt es aber in der Verantwortung jedes Bauherren, wie „barrierefreies“ Bauen normengerecht und gesetzeskonform umgesetzt wird.