Die Durchmischung, die bei den Stadtteilen bereits Realität ist, setzt sich auch bei Einzelprojekten immer stärker durch. Projektentwickler, Mieter und Investoren sehen ihre Chancen in den gemischt genutzten Objekten, die unterschiedlichen Welten verschmelzen. „Gebäude müssen universell nutzbar und idealerweise einfach zwischen verschiedenen Nutzungen adaptierbar sein“, fasst Jasmin Soravia, Geschäftsführerin der SORAVIA Projektentwicklung, den Weg der kommenden Jahre zusammen. Henning Koch, Leiter des Bereichs Transactions bei der deutschen Commerz Real, bestätigt das Interesse der Käufer: „Investoren suchen nach Mischnutzungen. Das ist ein Trend der Zukunft. Es gibt nichts, was es nicht geben kann. Vor zehn Jahren hätte niemand gedacht, dass es in Bürohäusern auch Wohnungen gibt und dass diese Kombination von Mietern und Investoren nachgefragt wird.“
Immobilie mit allem
Die Entwicklung kombinierter (Gewerbe-)Projekte stellt Entwickler vor immer neue Herausforderungen. Die Zeiten, in denen „ein Büroobjekt“ entwickelt – sprich: vom Architekten nach bestimmten Vorgaben errichtet – wurde, sind lange vorbei. Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult: „Immer unterschiedlichere Nutzungsformen wie auch immer neue Anforderungen an die Immobilie selbst erfordern viel mehr als noch vor zehn Jahren eine gesamtheitliche Auseinandersetzung mit allen Aspekten eines Immobilienlebens.“ Das reicht von der Definition der Anforderungen hinsichtlich der Zielgruppe für die spezielle Immobilie und den daraus resultierenden Lage- und Umfeldkriterien über Fragen der nachhaltigen Errichtung und Nutzung und des Einsatzes alternativer oder autarker Energien bis hin zu einer größtmöglichen Flexibilität in der Nutzung und Nachverwertung. Flexible Laufzeiten von Verträgen und Größenanforderungen plus die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Nutzung von „Allgemeinflächen“, wie gemeinsamer Rezeption, Kantine, Relaxzonen, Besprechungszimmer und ähnlichen Angeboten, sind Kriterien, nach denen Nutzer sich heute für eine Immobilie entscheiden.
Eine Frage der Bewirtschaftung
„Solche Anforderungen stehen allerdings „in diametralem Gegensatz zu dem Sicherheitsbedürfnissen von (institutionellen) Investoren, die Projekte werden zu „Arbeitsimmobilien“, so Anton Bondi. Das heißt, sie müssen laufend bewirtschaftet werden – vergleichbar mit einem Fachmarktzentrum oder EKZ, wenn auch nur in wesentlich geringerem Umfang –, um für Nutzer weiterhin attraktiv zu bleiben. Werden diese Kriterien erkannt und entsprechend umgesetzt, führt das zu einer nachhaltigen Verbesserung der Qualität der Immobilie, zu einer kontinuierlichen Auslastung und letztlich zu einem besseren Ertrag. Eine klassische Win-win-Situation. Daraus ergibt sich aber für Projektentwickler noch eine weitere Herausforderung. „Im Falle gemischter Nutzungen innerhalb eines Gebäudekörpers gilt es jedenfalls den Produktanforderungen des Investors gerecht zu werden, indem der geringere Grad an Homogenität durch intelligente, synergetische Konzepte kompensiert wird“, so Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der ARE.
Fällt die klassische Trennung?
Eine ähnliche Situation zeigt sich beim Wohnen. Auch hier „setzen Investoren auf neue Assetklassen und Modelle“, so Walter Hammertinger, Geschäftsführer IC Development: „Immer beliebter werden servicierte Wohnprodukte – das sehen wir an der Nachfrage nach unserem Immobilienkonzept „Milestone“. Genau für diese Herausforderung haben wir 2018 ein passendes Produkt entwickelt und suchen aktuell nach Grundstücken dafür.“ Aber nicht nur die Mieter sind erfreut über neue Kombinationen, sondern auch die Investoren, wie Hans-Peter Weiss meint: „Resultierend daraus stehen derzeit selbst Betreibermodelle für gewerbliches Wohnen wie beispielsweise Studentenheime, Serviced Apartments oder Mikrowohnungen regelmäßig im Fokus grundsätzlich konservativ ausgerichteter Investoren.“ Die Frage stellt sich, ob wir in den kommenden Jahren noch die klassische Trennung zwischen Wohnimmobilie und Bürohaus sehen werden. Entwickelt wird, was funktioniert und verwertet werden kann.
24/7
„Urbanes Wohnen, kombiniert mit Arbeiten und einer guten Infrastruktur, ist der Trend der kommenden Jahre“, meint Henning Koch: „Es sollen Plätze entstehen, in denen sich die Menschen 24 Stunden aufhalten können.“ Beim 2018 erworbenen DC Tower in der Donaucity wird man diesen Trend aufgreifen und mit Service verstärken: „Der DC Tower wird ein Flagship-Modell.“ Unter Service versteht Koch, dass „die Menschen, die in Hochhäusern wohnen und arbeiten, auch eine gute Infrastruktur vorfinden wollen“: Concierge-Services, Bars, Restaurants, Fitness-Studio, Salon mit Bibliothek, Eventküche und andere infrastrukturelle Einrichtungen für das tägliche Leben und vor allem kurze Wege zur Arbeit. Ein im Hochhaus angesiedeltes „Blue-Chip Unternehmen“ kann genauso ein Service sein, wenn es zusätzlich Büromöglichkeiten für Start-ups und Coworking-Spaces gibt und sich daraus Synergien zwischen den Unternehmen entwickeln. „Wir halten das für eine sehr interessante Kombination für alle Beteiligten“, so Koch.
Supermarkt mit Haus
Auch Mischnutzungen, indem man auf dem Supermarkt Wohnungen oder Hotels baut, ist (fast) keine Neuerung mehr, so Martin Leinemann, Geschäftsführer der deutschen Arbireo Capital: „Das sind Projekte, denen wir uns gerne widmen. Wir waren bei den ersten Überlegungen und Konzepten von Aldi Ideengeber und Vorreiter. Wir glauben, dass die Verbindung zweier Nutzungsarten die Nachhaltigkeit stärker unterstreicht als ein Soloprojekt auf der grünen Wiese.“ Das Konzept auf dem Supermarkt kommt Wohnen, betreutem Wohnen oder Hotels sehr entgegen, ist Leinemann überzeugt und sieht auch in Deutschland den Rückhalt der Bauämter und der Politik, „da ja der Flächenverbrauch und die kombinierte Nutzung immer wichtige Themen sind“.
Die lebende Stadt
Ein Aspekt, dessen sich auch die Stadt Wien verstärkt annehmen könnte, denn leistbarer Wohnraum ist ein unabdingbares Muss für eine Stadt: „Alle Bauträger, die im Wohnbau engagiert sind, müssen ihre Engagements überdenken. Wir stehen dazu, und wir unterstützen jede Initiative, die dieses Segment betrifft“, meint Peter Ulm, Vorsitzender des Vorstands der Real Estate Investors AG. Eine Stadt kann noch so schöne Immobilien, Zentren oder Leuchtturmprojekte haben, sie muss leben. Das macht sie auch für Investoren interessanter. Vonseiten der Anleger wird immer langfristiger gedacht, egal ob die Immobilie im Portfolio gehalten wird oder verwertet werden soll. „Monokulturen in der Stadtentwicklung sind dem Interesse der Investoren nicht förderlich“, sagt Peter Ulm. Standorte wie das Althanquartier – innerstädtisch, mit Büro, Wohnen, Studentenheim, Nahversorgung und zentraler Verkehrsanbindung – sind absolute Trendprodukte, in Österreich und in Deutschland. „Das Wachstum wird sich allerdings auch in die Metropolregionen verschieben“, ist Peter Ulm überzeugt: „Alles, was sich in einer halben Stunde Umkreis befindet, wird an Bedeutung gewinnen.“ Da sind wir in Österreich vielleicht noch etwas verwöhnt, was Metropolregionen betrifft und was im internationalen Vergleich „kurze Wege“ bedeuten. Für internationale Investoren reicht die Wiener Metropolregion bis St. Pölten. Dort hat auch die 6B47 ein Grundstück gekauft.
Neue Wege sind mühsam
„Es bedarf am Anfang großer Begeisterung und Überzeugungskraft des gesamten Entwicklungsteams, um Architekten, Haustechnikplaner etc. zu überzeugen, Neuland zu betreten“, meint Anton Bondi über die Herausforderungen bei seinem Projekt „Siemensgründe“. Erforderlich seien ein Mehr an Diskussionen, ein höherer Aufwand, da immer wieder Ideen kreiert und wieder verworfen werden, und einfach mehr Zeit, „die bekanntlich Geld kostet. Die neuen Anforderungen sind teilweise aufwendig, verlangen das Abgehen von eingetretenen Pfaden und Risikofreude. Aber es rechnet sich langfristig für alle“, so Bondi. Für Projektentwickler, Mieter und Investoren.