Demografische Veränderungen, also die bevorstehenden Pensionierungen der Babyboomer und das Erwachsenwerden der Millennium Generation, der Internethandel, der Rückzug in die Städte, die Zinslandschaft– aber auch die „Kluft zwischen Arm und Reich“– werden einen großen Einfluss auf die Immobilienwirtschaft in den kommenden Jahren haben. Das sind die Aussagen von Noah D. Shlaes, dem Vorsitzenden der Counselors of Real Estate (CRE), bei der Eröffnungsrede der National Association of Real Estate Editors (NAREE) Conference in Miami. Shlaes schickt allerdings voraus, dass die von der CRE erstellte Auflistung aufgrund der wirtschaftlichen Situation weltweit einen „höheren Grad an ökonomischen Unsicherheiten aufweist als in den vergangenen Jahren“.
Die marktbestimmenden Gruppen
Zwei Gruppen werden eine große demografische Wende verursachen: Zum einen sind es die Babyboomer (geboren zwischen 1946 und 1964) und zum anderen die Millennials (geboren zwischen 1980 und 2000). Ausschlaggebend ist der „Lifestyle, den sie in den kommenden Jahren wählen werden“.
Es ist eine unterschiedliche Form an Wohnwünschen und Vorstellungen, die sich bei beiden Gruppen ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Daraus ergibt sich aber: Die eine Gruppe sucht seniorengerechtes Wohnen, Alters-WGs oder betreutes Wohnen, die anderen suchen eher die Städte, und hier auch nicht unbedingt die eigene Wohnimmobilie, sondern Miete und die „Stadt der kurzen Wege“. Die Immobilientransaktionen dieser beiden Gruppen werden in den nächsten Jahren umfangreich sein, außerdem werden sie weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Immobiliensektor haben, was die medizinischen Einrichtungen, den Einzelhandel, Büros oder Unterhaltungsmöglichkeiten betrifft.
Investoren von außen– Investment in Wohnimmobilien
Ausgesprochen viel Kapital fließt derzeit in den amerikanischen Immobilienmarkt. Vor allem von außerhalb des eigenen Landes kommen zahlreiche Investoren, und die Investitionsquote nähert sich einer Rekordhöhe. Nicht nur in den großen Städten und A-Lagen wird gekauft, sondern auch in zahlreichen B-Städten. Die Investments sind nicht mehr so stark auf Gewerbeimmobilien beschränkt, sondern weiten sich auf Wohnbauten aus. Das hängt stark mit dem Wunsch der „Millennials“ und der Babyboomer nach neuen Wohnformen und Mietwohnungen zusammen.
Die Zinslandschaft
Die Zinsen sind auf einem historischen Tiefststand und werden in absehbarer Zeit keine großen Sprünge nach oben machen. Versierte Investoren und vorsichtige Hauskäufer bereiten sich aber dennoch auf steigende Zinsen vor. Wenn die Zinsen aber tatsächlich steigen, dann werden sie höhere Hypothekenzahlungen verursachen. Zahlreiche monatliche Hypothekenraten sind jedoch sehr knapp kalkuliert und könnten nicht mehr bedient werden …
Suburbs immer weniger erwünscht
Städtisches Bevölkerungswachstum ist ein globales Phänomen. Was aber in westlichen Staaten zunehmend zu beobachten ist, ist der wachsende Wunsch nach „life-work-play“ und der „Stadt der kurzen Wege“. Diese Entwicklung ist aber– und das ist vor allem in den USA interessant– nicht nur auf junge Menschen beschränkt, sondern diese konkreten Wünsche ziehen sich durch alle Altersgruppen. Einkaufszentren werden sich anpassen müssen und innerstädtische Einkaufsmöglichkeiten werden an Zugkraft gewinnen. (Anm. d. Red.: Hier sprach Noah D. Shlaes von „Urban vertical shopping configurations“– eine für die USA ungewöhnliche Art, denn die meisten Einkaufsmöglichkeiten befinden sich außerhalb der Städte und sind eben Shopping Center in einer Ebene und nicht so strukturiert wie z.B. der Gerngross in der Mariahilferstraße).
Ganz massiv ist durch den Wunsch nach der „Innenstadt“ derzeit natürlich der Druck auf dem Immobilienmarkt der Suburbs in den USA. Häuser sind im Überfluss vorhanden, werden aber vor allem von der neuen Generation nicht mehr nachgefragt, und der Druck auf die Preise ist landesweit sehr stark. Sicher ein Problem, das die USA in den kommenden Jahren massiv beschäftigen wird, Shlaes sprach in diesem Zusammenhang von Häusern einer „past generation of suburbanites“. Außerdem verlagern auch viele Unternehmen ihre Büroflächen aus den Vorstädten in die Städte.
Energie ist ein Dauerbrenner in den USA
Vor zwei Jahren war es noch die boomende Fracking-Industrie, der man einen großen Einfluss auf den Markt prophezeit hatte. Heute beeinflusst sie den Markt wieder– allerdings in die entgegengestzte Richtung. Der seit Mitte 2014 gefallene Ölpreis wirkt sich negativ auf die großen und kleinen Produzenten aus, auf die Zuliefer- und Dienstleistungsindustrie und natürlich auf das Einkommen der Beschäftigten und damit auch auf ihre Kaufkraft. Die letztjährigen „Boom Towns“, so Shlaes, „are now the opposite.“ Die Dauer dieser Phase lässt sich schwer abschätzen.
Ein positiver Nebeneffekt: Alternative Energien werden für viele Firmen als Investitionsmöglichkeiten wieder interessanter.
Die Kluft zwischen Arm und Reich
„The gap between Rich and Poor verdient einen genauen Blick in Bezug auf Immobilien“, erklärt Shlaes. Nicht nur in den USA, sondern weltweit. Für den Einzelhandel bedeutet das eine stärkere Aufspaltung in „Diskontangebote“ und „Luxuslabels“. Für das Wohnen allerdings ist die Sache etwas komplexer, man wird sich der Frage nach erschwinglichem Wohnraum widmen müssen, und hier wird vor allem das Thema Miete eine wesentliche Rolle spielen. Dies hat auch mit den Millennials zu tun, die ihre Kaufentscheidung weitaus später treffen– wenn überhaupt– als es die Generation davor tat. Auch neue Wohnformen könnten sich in Zukunft etablieren, wie zum Beispiel Wohngemeinschaften.
Der Rückgang vom Kauf und der Trend hin zur Miete, der Rückzug von kleinen lokalen Firmen aus Kommunen und das damit geringere Jobangebot führen natürlich auch zu weniger Steuereinnahmen. Damit können auch weniger Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden und die Gebiete „verkommen“. Damit wächst aber die Gefahr von sozialen Unruhen.
Infrastruktur– das leidige Thema
Die Infrastruktur in den USA ist ohnehin ein heikles Thema, denn sie ist hoffnungslos veraltet und hinkt der von anderen Ländern hintennach: Überalterte Straßen, Brücken und Versorgungsleitungen werden den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung nicht mehr gerecht– ganz zu schweigen von den Unternehmen. Marode Straßen und Brücken behindern den Verkehrsfluss, der in den USA ohnehin auf Kraftfahrzeuge aufgebaut ist. Die Bevölkerung ist unter den herrschenden Bedingungen immer weniger dazu bereit, lange Wege zur Arbeit oder zum Einkaufen zurückzulegen. Kurzfristig lassen sich diese Probleme nicht beheben, und die Gefahr, dass ganze Stadtteile verfallen, ist enorm.
Private Public Partnership-Modelle können dafür eine Lösung sein.
Der Einfluss der Technologie
„Immobilien sind ein dynamischer Sektor für Technologie-Innovationen“, so der CRE-Vorstand Shlaes. Speziell {{article_open::689}}Crowdfunding{{link_close}} eröffnet neuen Zielgruppen die Möglichkeit, in Immobilien zu investieren. Die Technologie hat jedoch auch allgemein die Geschwindigkeit des Business für Immobilienprofis verändert. Technologie gilt für die CRE daher als einer der wesentlichen Träger für Veränderungen im Business– unabhängig von der Haus- oder Bautechnik.
Wohin bewegt sich der Einzelhandel
„Der Einzelhandelssektor erfährt kontinuierliche Herausforderungen“, so Shlaes. Internet, demografische Entwicklungen, sinkendes Einkommen und vor allem in den USA die Rückkehr in die Innenstädte. „Ein Standort, der gestern noch zu den besten zählte, kann heute oder morgen bereits ein sehr schlechter sein“, meint Shlaes mit Blick auf diese Konstellation in den USA. (Anm. d. Red.: In den USA befinden sich fast alle Shopping Center außerhalb der Städte und sind nur mit dem PKW erreichbar.) {{article_open::652}}Die großen Shopping Malls außerhalb der Städte haben im gegebenen Marktumfeld große Probleme.{{link_close}} Durch den Zuzug in die Innenstädte und den Wunsch nach der „Stadt der kurzen Wege“ wird in den USA bereits begonnen, die Suburbs mit Einkaufszonen zu bestücken.
Der wachsende Onlinehandel setzt den Shopping Centers zusätzlich zu. In Deutschland– um ein Beispiel zu nennen– wird erwartet, dass der Umsatz im stationären Einzelhandel dieses Jahr wohl um etwa ein Prozent, auf 403,9 Milliarden Euro, zurückgehen wird, während sich der Onlinehandel über eine Wachstumsprognose von 12 Prozent auf 43,6 Milliarden Euro freuen dürfte. Trotz des stetigen Anstiegs des Onlineshopping wird die physische Präsenz des Einzelhandels weiter eine wichtige Rolle spielen. Die Frage ist, bei wie viel Prozent sich Einzel- und Onlinehandel einpendeln werden.
Bis dahin wächst aber der Druck auf die Einzelhandelsflächen, und auch bei den Logistikimmobilien– betreffend Größe und Anzahl– wird es zahlreiche Anpassungen geben (müssen).