Angesichts der sich abzeichnenden Veränderungen vermarktet IKEA als Kaufhaus für erschwingliche Möbel jetzt winzige Häuser für Millennials – mit dem Tiny Home Project: „Traumhaftes Design trifft auf nachhaltiges Leben in diesem einmaligen kleinen Haus“ – einmalig klein ist es tatsächlich, denn das Haus hat lediglich 18 Quadratmeter. „Dieses entzückende Haus auf Rädern beweist, dass Nachhaltigkeit und Erschwinglichkeit Hand in Hand gehen können – und es ist voll mit kleinen Stauraum-Inspirationen.“ Ja, dass bei 18 Quadratmetern Nachhaltigkeit und Erschwinglichkeit Hand in Hand gehen, ist irgendwie naheliegend. Denn bei 18 Quadratmetern wird nicht viel Material benötigt und egal, wie viel der Quadratmeter kostet, bei 18 Quadratmetern könnte sich der Kauf ausgehen. Dass das Haus mit Stauraum-Inspirationen voll ist, ist ja wohl selbstredend – muss es sein.
Tiny homes geht gar nicht
Und Räder haben die Tiny Homes auch – früher hätte man Wohnwagen dazu gesagt. Darin zu wohnen ist sicherlich lustig, aber die Frage ist, wie lange. Geht es nach den Wünschen der Österreicher, dann gar nicht. Trotz des schlechten ökologischen Fußabdrucks, den Einfamilienhäuser hinterlassen, wollen die Österreicherinnen und Österreicher auf diese nämlich nicht verzichten. Raiffeisen Immobilien Österreich, die Immobilienmakler-Organisation der Raiffeisen Bankengruppe, hat die Beziehung der Österreicher zum Einfamilienhaus unter die Lupe genommen. Dazu hat man eine repräsentative Umfrage beim Gallup-Institut in Auftrag gegeben.
Einfamilienhaus nach wie vor Wohntraum Nummer eins
Für 65 Prozent ist demnach das Einfamilienhaus nach wie vor die ideale Wohnform, vor der Eigentumswohnung mit 15 Prozent und dem Mehrfamilienhaus im Eigentum mit fünf Prozent. „Der Traum vom Einfamilienhaus im Grünen scheint tief in der Wohn-DNA der Österreicher verankert zu sein – unabhängig von Krise und Klimawandel“, meint Peter Weinberger, Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich. Sein Kollege Nikolaus Lallitsch ergänzt: „Wir sehen in Corona-Zeiten sogar ein noch zunehmendes Interesse an Einfamilienhäusern und auch weiter gewordene Suchradien – dank Homeoffice und Digitalisierung. Viele träumen gerade jetzt von einem Leben im ,Glücksdorf‘.“ Für Nikolaus Lallitsch ist das „eine große Chance für den ländlichen Raum!“
Die wahre Chance liegt in den vorhandenen Flächen
Und das ist der eigentliche Punkt. Die Chancen liegen nicht in einer Marginalisierung des Wohnraums und in der Verbauung neuer Zonen, sondern in einer Ausnützung der vorhandenen – und bereits bebauten – Flächen. Viele Millionen Quadratmeter an Baufläche stehen – gemäß einer aktuellen Schätzung der Österreichischen Hagelversicherung – leer. Dafür brauche es „innovative Konzepte“, sagte Alexandra Kassler kürzlich beim ImmoLive Talk „Bundesländer im Zukunftsfokus“. Die Geschäftsführerin von Wohnsalon Immobilien fand: „Das ist für die ganze Branche eine große Chance.“ Es bringe nicht nur für die Bauträger große Möglichkeiten, sondern auch für den ländlichen Raum. In vielen Regionen boomen zwar die Einfamilienhäuser, aber die Stadtzentren der Klein- und Mittelstädte verlieren an Bevölkerung, dünnen aus und werden damit immer unattraktiver.
Dem hat als Erstes eine steirische Stadt entgegengewirkt. Die obersteirische Stadt Trofaiach wird zum Modell für die Orts- und Stadtkernentwicklung sowie das Bestreben, Leben in den Bestand zurückzubringen. Der von nonconform Architekten initiierte Prozess und die geplanten Maßnahmen in der rund 11.000 Einwohner zählenden Stadt stehen exemplarisch für eine partizipative, langfristig angelegte Zukunftsentwicklung im ländlichen Raum.
Das Glücksdorf in der Steiermark
Ein etwas anderes Modell entwickelt Raiffeisen Immobilien gerade in St. Radegund im Grazer Umfeld, wie Nikolaus Lallitsch beim ImmoLive Talk „Bundesländer im Zukunftsfokus“ erklärte: das „Glücksdorf“. Die Idee: eine Wohnform, die es ermöglicht, ständig vor Ort zu sein, ohne in die Stadt pendeln zu müssen. Gleichzeitig muss es dort Immobilienpreise geben, die leistbar sind, „mit niedrigen Zäunen, wo man Wort an Wort wohnt“ und wo es regional-lokale Einkaufsmöglichkeiten gibt.“ In St. Radegund entstehe ein solches Glücksdorf, ausgelegt auf rund 250 neue Einwohner. Lallitsch: „Wir bauen ja keine Retortenstädte, wir setzen auf Nachhaltigkeit.“ Es geht um die Belebung eines vorhandenen, gewachsenen Dorfes. Das Glücksdorf wird Bestandteil einer vorhandenen Infrastruktur, wo wieder „junges Leben“ einziehen soll. Nikolaus Lallitsch: „Das kann aber jeder Ort sein, solange er gut erreichbar ist“.
Es geht also nicht nur um die Schaffung von Wohnraum, sondern vor allem auch um den sozialen Zusammenhalt oder vielleicht besser das soziale Zusammenfinden in diesen eigenartigen Zeiten.