Sie haben 2020 die Geschäftsführung von Wienerberger übernommen. Ihre Amtszeit ist geprägt von Pandemie, Inflation, Krieg etc., aber auch von einem beispiellosen Bau- boom, gefolgt von einer Vollbremsung vor allem im Wohnbau. Wie würden Sie Ihre bisherige Amtszeit zusammenfassen?
Johann Marchner: Ein Stück weit gespalten. Aufgrund dieser Themen konnte die Organisation nie in einem Standardmodus arbeiten. Auf der anderen Seite haben uns diese Entwicklungen gezeigt, dass vieles, von dem wir dachten, dass es nicht möglich ist, doch machbar ist. Wir haben uns bestmöglich auf die Situation eingestellt und die Zeit genutzt, unsere Kernthemen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung voranzutreiben.
Österreich muss im Konzern vorangehen und ich denke das gelingt uns auch ganz gut, wenn ich etwa an unser Werk in Uttendorf denke, wo wir mit dem weltweit größten industriellen Elektroofen zur Ziegelproduktion eine Reduktion der CO2-Emissionen von 90 % erreichen. Das gilt aber auch für neue Produkte und Systeme wie das neue Fertigteilsystem oder im Bereich Robotik.
Sie haben jetzt einige positive Erfahrungen in Ihrer Wienerberger-Zeit genannt. Was war negativ? Gab es auch Enttäuschungen?
Die Vorwürfe der Preistreiberei oder künstlichen Verknappung in der Pandemie haben schon sehr wehgetan. Vor allem hat es mir für die Mitarbeiter leidgetan, die ihr Bestes geben und dann in solche Diskussionen verwickelt werden. Ich bin auch überzeugt, dass ich jeden einzelnen Vorwurf entkräften kann. Wir sind da absolut transparent und haben nichts zu verbergen. Ich wurde sogar im privaten Umfeld damit konfrontiert, dass ein Baumeister angeblich nicht bauen konnte, weil Wienerberger keine Ziegel liefert. Wie sich herausgestellt hat, hat der Baumeister noch nicht einmal bestellt. Und das ist kein Einzelfall.
Die Bundesregierung hat Ende Februar ein großes Bau- und Wohnpaket angekündigt. Seitdem ist es verdächtig ruhig geworden, zudem beklagen sich die Länder, die für die Abwicklung zuständig sind, nicht in die Planungen eingebunden gewesen zu sein. Wienerberger hat unter anderem als Teil der Initiative »Mehr zu Haus für Österreich« genau so ein Paket gefordert. Zufrieden mit der Regierung?
Was man leider vermisst, und zwar bei jeder Marktverwerfung, ist, dass wir zu wenig Mechanismen im Köcher haben, um Entscheidungen auch rasch administrativ umzusetzen. Ich denke, dass alle mit den angekündigten Maß- nahmen zufrieden waren. Natürlich gäbe es ein paar Ergänzungen wie etwa die Mehrwertsteuer für Bauleistungen zu überdenken, um auch die Schattenwirtschaft zu bekämpfen, aber im Großen und Ganzen war das schon okay. Aber sobald es politisch wird, wird es schwierig, wie man jetzt an den Reaktionen der Länder sieht.
Ist das auch eine Kritik an der Regierung, dass vor allem schöne Überschriften produziert wurden, aber der Teufel im Detail liegt?
Das ist genau das, was ich meine. Vieles ist nicht bis zum Ende gedacht. Man muss, bevor man mit solchen Ankündigungen rausgeht, alle Beteiligten an den Tisch holen, um die Details zu klären. Das ist wie bei der Papstwahl. Da fliegen beim Konklave auch die Fetzen, aber nachdem weißer Rauch aufsteigt, steht man geschlossen hinter der Entscheidung. Für diese Entscheidungsfindung bräuchten wir ein echtes Expertengremium, das die Politik parteiübergreifend berät und Fakten schafft. Nehmen Sie das Thema Flächenversiegelung, da sagen die einen so, die anderen so. Das müsste mal abschließend geklärt werden, ob Österreich zu viel versiegelt oder nicht. Noch besser wäre ein eigenes Bauministerium. Das wäre auch im volkswirtschaftlichen Interesse. Bodenversiegelung, Infrastruktur, günstiges Bauen und Wohnen, das sind alles hochbrisante soziale Themen.
Spüren Sie, dass aktuell Investitionen zurückgehalten werden, weil die Details des Bau- und Wohnpakets nicht geklärt sind?
Ja, das spüren wir. Ein großer Baumeister hat mir kürzlich genau das bestätigt. Er sieht aber auch positive Signale, allerdings nicht von der Regierung, sondern von der EZB. Wenn die erwarteten Zinssenkungen kommen, wird auch wieder investiert werden.
Viele Branchenvertreter rechnen oder hoffen auf einen Aufschwung am Bau- markt in der zweiten Jahreshälfte. Teilen Sie diese Einschätzung?
Vor ein paar Monaten hätte ich dieser Einschätzung noch zugestimmt. Durch die Zinssenkung werden wir eine leichte Belebung spüren, aber sicher noch keine Trendwende. Die wird erst 2025 kommen. Bleibt zu hoffen, dass bis dahin nicht strukturell zu viel zerstört wurde und wir die steigende Nachfrage nicht befriedigen können, weil die Ressourcen fehlen.
Der Einfamilienhausbau ist deutlich zurückgegangen. Wird Wienerberger versuchen, diesen Rückgang im mehrgeschoßigen Wohnbau auszugleichen?
Es ist schon länger klar, dass es aufgrund des begrenzten Raumangebots und der hohen Grundkosten eine Limitierung des Einfamilienhausbaus geben wird. Es gibt Alternativen wie Doppelhäuser oder Reihenhäuser aber der Trend zum mehrgeschoßigen Wohnbau ist eindeutig. Da gehen wir unseren Weg weiter, den wir schon vor längerer Zeit eingeschlagen haben. Deshalb haben wir mit dem Brick Bauhaus 2050 ist ein eigenes Gebäudebewertungsmodell entwickelt, das sich auch ein Stück weit gegen klimaaktiv richtet. Denn dort geht es nur um die Energieeffizienz des Gebäudes. Das ist uns zu einseitig, uns geht es um den gesamten Energieaufwand über den gesamten Lebenszyklus. Aus unserer Sicht sind effiziente Wandsysteme in Verbindung mit erneuerbarer Energie die bessere Wahl als noch mehr, salopp formuliert, Styropor an die Wände zu kleben. Damit erreichen wir auch die Pariser Klimaziele.
In diesem Zusammenhang sind auch EPDs und Ökobilanzen wichtig. Wie stark ist bereits die Nachfrage?
Die Nachfrage steigt. Auch der digitale Produktpass geht in diese Richtung. Wir haben schon vor Jahren begonnen, die Ökobilanzen zu rechnen. Jetzt erwarten wir, dass alle Baustoffe originäre EPDs zur Verfügung stellen, die miteinander vergleichbar sind. Da geht es auch um Herkunft und Transport. Es muss Transparenz hergestellt werden. Wenn jemand mit Holz bauen will, dann soll er das tun. Es darf aber nicht zusätzlich gefördert werden. Jeder Werkstoff muss gleichbehandelt werden. Warum soll Ziegel als lokaler Baustoff schlechter behandelt werden als importiertes Holz?