Die geänderten Ansprüche in unserer Gesellschaft an das „Krankenhaus“ und die sich schnell entwickelnde Medizintechnik führen bei dieser Form von Immobilien zu einer weitreichenden Modifikation. Der Innovationszyklus in der Medizin gewinnt an Tempo, und Tatsache ist, dass es immer mehr und immer schneller neuartige Heilungsmöglichkeiten, innovative Diagnoseverfahren und damit verbesserte Heilungsprozesse gibt.
Mit dem Krankenhaus Nord entsteht in Floridsdorf entlang der Brünner Straße eines der modernsten Krankenhäuser Europas, das zugleich das Flaggschiff innerhalb des neuen Krankenhaus-Konzepts der Stadt Wien darstellt. Das Bauwerk ist als modernes Hightech-Spital mit Wohlfühlcharakter inklusive hohem Tageslichtanteil, lichtdurchfluteten Atrien, Dachgärten und weitläufigen Grünflächen mit Wasser und Gräserlandschaften konzipiert. Es wird in Ein- und Zweibettzimmern rund 850 Betten beherbergen. Insgesamt wird es 7.900 hinsichtlich Nutzung und Anforderung definierte Räume geben – eine Herausforderung für alle am Bau Beteiligten. Das Krankenhaus Nord ist auf dem besten Weg, ein internationales Vorzeigeprojekt zu werden, nicht nur in der Gesundheitsversorgung, sondern auch in puncto Nachhaltigkeit. Die Stadt Wien erstellte eine Nachhaltigkeitscharta, in der Vorgaben für die ökologische und ressourcenschonende Errichtung wie auch Ausstattung festgelegt wurden. Die EU-Kommission ließ es bereits jetzt an Lob nicht fehlen und zeichnete das KHN als Vorbildprojekt im Rahmen des Programms „Green Public Procurement” aus. Die Teilinbetriebnahme soll 2015 erfolgen, der Vollbetrieb wird dann 2016 aufgenommen.
Die klassische Orientierung an der Bettenzahl bei der Konzeption von Spitälern hat in modernen Gesundheitssystemen so gut wie ausgedient. Kapazitätsplanungen müssen sich künftig an dem Bedarf an Untersuchungs- und Behandlungsleistungen und nicht an der Aufenthaltsdauer von Patienten orientieren. Im Mittelpunkt der Planung des Krankenhauses der Zukunft müssen daher Abläufe stehen: Wie viele Operationen sind durchzuführen, wie viele Arzt/Patienten-Kontakte etc. sind notwendig? Die Ausrichtung an diesen Kennzahlen ist zweifellos komplizierter, führt aber im Spitalsbetrieb letztendlich zu höherer Effizienz.
Die Anforderungen verändern die Immobilie
„Mit den neuen Entwicklungen und Anforderungen verändert sich auch das Krankenhaus als Immobilie“, erklärt Rudolf Linzatti, Geschäftsführer von Solve Consulting in Wien: „Das Krankenhaus entwickelt sich zum Gesundheitszentrum mit integrierten Einrichtungen für Prävention, ambulanter Behandlung und poststationärem Leistungsangebot.“ Aus dem klassischen Krankenhaus wird ein Gesundheitscluster. Die eigentliche medizinische Versorgung wird direkt im Haus angeboten, viele der anderen Leistungen werden außerhalb des eigentlichen Spitals erbracht. Durch die Verbesserung der technischen medizinischen Möglichkeiten ist längst kein so langer Aufenthalt der Patienten mehr notwendig wie noch vor 20 Jahren. Viel mehr Eingriffe als früher erfolgen ambulant oder tagesklinisch, und nur bei komplexeren Eingriffen bleibt der Patient länger. Daraus ergeben sich natürlich auch bauliche Konsequenzen: Das Spital benötigt ausreichende Untersuchungs-/Behandlungszimmer, OP-Räume, ein (reduziertes) Angebot an interdisziplinär genutzten Betten sowie Partner für die postakute Weiterbetreuung.
Fortschritt in der Medizintechnik erfordert Flexibilität
Da in den nächsten Jahren mit weiteren schnellen Fortschritten und Entwicklungen in der Medizintechnik gerechnet werden kann und muss, ist auch die interne Flexibilität höchst wichtig. Allein schon die Integration eines neuen technischen Geräts– man denke beispielsweise die Magnet-Resonanz-Tomographie– braucht entsprechende Veränderungsmöglichkeiten in den Räumen und in den Abläufen. Linzatti: „Makro- und Mikroflexibilität der Immobilie Krankenhaus ist notwendig in Hinblick auf Bedarfsverschiebungen zwischen den Leistungsbereichen und aufgrund des technologischen Anforderungsbedarfs.“ Das können zum einen Erweiterungsmöglichkeiten sein, zum anderen geht es auch um Modularität bei der Zusammenfassung gleichartiger Funktionen, wie Ambulanzen oder Pflegebereiche versus Gliederung nach Abteilungen. Eine höchstmögliche Mikroflexibilität durch entsprechende baulich-technische Strukturen für automatisierte oder hochtechnisierte Bereiche, wie zum Beispiel Zentrale Operationsraumgruppen oder Labore, ist nötig.
Höhere Investments am Anfang machen sich bezahlt
Mehr als bei anderen Immobilien gilt auch beim Krankenhaus das Thema „Nachhaltigkeit“. Zum einen sollten Gesundheitsinstitutionen auch im Hinblick auf Umweltschutz (Emissionen) vorbildlich sein, zum anderen steigen die Lebenszykluskosten massiv an. Bedenkt man, dass diese Kosten in den Phasen bis zur Ausschreibung am stärksten und dabei mit nur wenig Aufwand zu beeinflussen sind, wird in diesem Fall noch dramatischer als bei anderen Gebäudetypen bewusst, wie wichtig die richtige Planung ist. Denn die Errichtungskosten eines neuen Krankenhauses betragen nur mehr das Zwei- bis Dreifache der jährlichen Betriebskosten, Tendenz weiter fallend. Höhere Anfangsinvestments, die dafür einfachere, kostengünstigere Abläufe ermöglichen, machen sich daher sehr schnell bezahlt. Neben der Orientierung an den Bedürfnissen der Patienten und der Mitarbeiter muss also auch auf die Prozesse innerhalb der Immobilie besonderes Augenmerk gelegt werden. „Die Planung orientiert sich primär an den wertschöpfenden Kernprozessen, das sind die ambulante, tagesklinische und stationäre Aufnahme und Behandlung der Patienten“, erklärt Linzatti: „Die medizinischen Supportprozesse wie unter anderem Operationen, Röntgendiagnostik oder Labors werden unter dem Gesichtspunkt höchstmöglicher Effizienz analog zu Produktionsbetrieben designt.“
Das Krankenhaus soll “heilen“
Neben der ökologischen und der ökonomischen Nachhaltigkeit ist aber auch die gesellschaftliche Relevanz entscheidend. Denn bei keiner anderen Immobilie ist der sich aus ihr ergebende „Erfolg“ so offensichtlich wie bei einem Krankenhaus. Entweder ist der Patient gesund oder nicht. Neben allen notwendigen Strukturen ist bei einem Krankenhaus der Zukunft am wichtigsten, so Linzatti, „ein heilendes Umfeld zu schaffen“.