Worin sehen Sie die entscheidenden Veränderungen seit der Wirtschaftskrise und in der aktuellen Wirtschaftssituation?
Haselsteiner: Was sich entscheidend geändert hat, ist, dass die bisher herrschende mehr oder weniger unbekümmerte Zukunftsgläubigkeit, dass es immer aufwärts geht, einem großen Gefühl der Unsicherheit gewichen ist. In dieser Unsicherheit wird das Tagesgeschäft weiterbetrieben– aber nicht mit demselben Optimismus, sondern mit einem „Bedrohungsszenario“ im Hinterkopf. Die Leute sind vorsichtiger geworden.
Wie wirkt sich das konkret in Ihrem Unternehmen aus?
Haselsteiner: Tatsache ist, dass man die Bonität seiner Partner stärker prüft, viel genauer auf das Working Capital schaut, das man einsetzen muss, und versucht, die möglichen– und unsicheren– Zukunftsszenarien in die Überlegungen einzubeziehen.
Wie wird sich die Situation Ihrer Meinung nach weiter verändern?
Haselsteiner: Wenn ich das wüsste, dann wäre ich nicht hier. Unser Problem ist ja, dass es keiner sagen kann. Ich bin sogar überzeugt, dass bei einem EU-Gipfel mit Ministerpräsidenten auch keiner weiß, wie es weitergeht. Sie hoffen, glauben und versuchen zu beeinflussen, aber wissen tut es kein Mensch.
In welcher Form wird sich die Bauwirtschaft verändern? Werden wir in Zukunft mehr Privat-Public-Partnership-Modelle haben, bei denen Staat und Private verstärkt zusammenarbeiten?
Haselsteiner: Die Staatskassen sind leer wie schon lange nicht, da ja die Priorität auf Schuldenabbau liegt und bei den Ausgaben gespart wird, wo es nur möglich ist. Daher sind PPP-Projekte derzeit begünstigt, wobei sie in den verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Akzeptanz haben. In Österreich oder auch in Deutschland haben sie sich noch nicht so durchgesetzt. Hier ist es Tradition, dass man aus dem Budget die Infrastrukturinvestitionen bestreitet und dies von einem Beamtenapparat verwaltet wird, wobei das ja bei uns immer mehr aufgeweicht wird.
Inwiefern?
Haselsteiner: Wir haben sehr viele staatsnahe Betriebe, die privat organisiert sind, aber den Staat als Aktionär haben, der für die Schulden haftet. Prinzipiell glaube ich, dass sich unter dem Überbegriff PPP alles zusammenfassen lässt. Es sind alle Varianten denkbar, und es gibt sie auch schon in irgendeiner Form. Es ist ja auch PPP, wenn ich als Staat gewisse Tätigkeiten nicht mehr selbst mache, sondern zum Beispiel baue und erhalten lasse und es nur mehr bespiele, wie zum Beispiel Schulen oder Kindergärten, aber auch Gefängnisse. Es wird für den Staat berechenbarer, was ja ein enormer Vorteil ist. Ich kann diese Immobilien wieder hergeben oder mich zurückziehen aus einem Teil. Damit ist eine ganz andere Flexibilität gewährleistet. Denken Sie nur an die Immobilien des Bundesheeres. Landesverteidigung oder Zivilschutz setzt nicht voraus, dass die Soldaten in staatseigenen Immobilien sitzen.
Ein Staat ohne eigene Immobilien?
Haselsteiner: Ich glaube schon, dass der Staat in Zukunft keine Immobilien besitzen will, außer den Identität stiftenden; die will er behalten, wie in Wien zum Beispiel das Schloss Schönbrunn oder andere Sehenswürdigkeiten.
Wie sehen Sie das Thema Nachhaltigkeit?
Haselsteiner: Alles, was energieeffizient ist und damit Kostenersparnis bringt, das geht von selbst. Die Null-Energiehäuser sind schon Standard und werden immer zahlreicher. Das rechnet sich für jeden einzelnen, denn ich nehme die Investition vor und spare daher Energie ein. Die Nutzer, egal ob Mieter einer Wohnung, eines Büros oder anderer Immobilien, achten sehr darauf, wie hoch die Betriebskosten sind. Das ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für das Gebäude, denn Heizung und Kühlung sind die gewichtigsten Einzelpositionen.
Das klingt fast so, als wären Energieausweise und Zertifikate für Sie nicht so wesentlich.
Haselsteiner: So ist es auch. Es ist in Ordnung, dass es sie gibt und dass sie gemacht werden, aber viel wirkungsvoller als die Ausweispflicht ist die ökonomische Betrachtung. Jeder Nutzer, der die Betriebskosten zu tragen hat, wird darauf ein erhöhtes Augenmerk legen und insbesondere auf die Energiekosten. Und wenn ich mir ausrechnen kann, dass ich eine bestimmte Investition in die Haustechnik in einer bestimmten Anzahl von Jahren zurückverdienen kann, oder wenn ich ein Gebäude besser, schneller oder höher vermieten kann, dann sind das Anreize genug. Und auf Grund dessen kann der Nutzer sagen: Das will ich oder das will ich nicht, und damit regelt sich das automatisch.
Das heißt, wir bräuchten keine staatlichen Verordnungen dazu?
Haselsteiner: Nicht ganz. Dort, wo es sich nicht mehr rechnen kann, wird der Staat aufgerufen, einen Anreiz zu setzen– sowohl Bonus wie Malus. Oder wenn es um ein nationales Ziel wie das Kyoto-Abkommen geht, dann wird es ohne Lenkungsmaßnahmen von Seiten des Staates nicht gehen.
Gibt es ein Bauprojekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Haselsteiner: Es gibt viele schöne Projekte, die mir in Erinnerung geblieben sind, vor allem solche, die bautechnisch eine Herausforderung waren. Aber wir haben so viele Projekte verwirklicht und viele aktuelle Baustellen– und meine Mitarbeiter wären böse, wenn ich nicht ihr Projekt nenne. Wie gesagt, es gibt sehr viele, an die ich mich positiv erinnere. Leider gibt es auch einige schmerzhafte Niederlagen.
Sie sind auch Mentor des Vereins Ute Bock und engagieren sich auch sonst im sozialen Bereich.
Haselsteiner: Genau genommen bin ich der Vorsitzende der Concordia Privatstiftung, und diese unterstützt auch den Verein Ute Bock. Ich unterstütze immer lieber Menschen statt Projekte, weil für mich immer der Mensch entscheidend ist, der das Projekt verantwortet. Für mich stellt sich die Frage: Ist diese Person so, dass ich ihr helfen will? Dann bleiben einem viele Enttäuschungen erspart. Ute Bock ist eine Frau, die glaubhaft und authentisch ihre Anliegen verfolgt, und wenn es sie nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden. Es ist schade, dass man sie nicht klonen kann, aber Gott sei Dank gibt es immer viele Menschen, die in irgendeiner Form und in irgendeinem Land Sozialarbeit leisten. Diese zu unterstützen ist eine Freude, weil man sieht, was mit dieser Unterstützung bewirkt wird.
Was ist für Sie schwieriger: Unternehmer zu sein oder Politiker?
Haselsteiner: Lassen Sie es mich so sagen: Aus der Politik Befriedigung zu ziehen ist ungleich schwieriger als aus dem Unternehmertum. Aber es ist schwieriger, Unternehmer zu sein, da man seiner Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und den Mitarbeitern gerecht werden muss. Im Gegensatz zum Politiker, der keine hat. Die Egoismen der Politik oder die Verschwendung von Ressourcen, das wird nicht bestraft. Mit der Ausnahme, nicht mehr gewählt zu werden, aber das ist zu wenig. Die Politiker werden zu selten zur Rechenschaft gezogen.
Was sind Sie lieber?
Haselsteiner: Unternehmer.
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in 10 Jahren?
Haselsteiner: Dieser Zeitrahmen geht schon über meinen aktiven Horizont im Unternehmen hinaus. Ich hoffe sehr, dass wir meinen Plan, der derzeit durch die Krise auf Eis gelegt werden musste, noch umsetzen: die Expansion nach Russland. Dass es mir noch gelingt, diesen Prozess anzustoßen und auf einen unumkehrbaren Punkt voranzutreiben. Das ist für mich der ganz klare Fokus für die nächsten Jahre.
Wieso gerade Russland?
Haselsteiner: Ich bin überzeugt, dass die Wachstumschancen eines europäischen Baukonzerns in Russland liegen und nicht in Asien, da unser Geschäft nicht globalisierbar ist. Russland ist eine enorme Herausforderung, und es gibt nur wenige, die sich trauen, und noch weniger, die die Nachhaltigkeit haben. Wir sind schon seit 1990/91 dort, und in der Zwischenzeit waren wir immer dort, und wir haben viele kommen und gehen gesehen.
Und wo sehen Sie sich selbst in 10 Jahren?
Haselsteiner: Ich werde mir ein Leben nach der STRABAG schon entsprechend gestalten.
Danke für das Gespräch
Das gesamte Interview finden Sie im ÖSW Magazin „Wohnart“ unter www.wohnart-online.at