Der Lebensform Stadt gehört die Zukunft. Darüber sind sich alle Experten einig. In den Industrieländern und in Lateinamerika wohnen bereits 70% der Bewohner in städtischen Regionen. Mit der Globalisierung und der weltweiten, digitalen Vernetzung kommt es zu einer weiteren Verdichtung urbaner Gebiete. Ein Beispiel: Im 19. Jahrhundert war London die einzige Stadt der Welt mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. Heute gibt es weltweit bereits 60 Städte mit über fünf Millionen Bewohnern. Die meisten davon in Asien.
Vorteile der zunehmenden Verdichtung
Auch wenn die zunehmende Urbanisierung auf den ersten Blick nicht ökologisch und nachhaltig erscheint: Viele Wissenschaftler sehen in der zunehmenden Verdichtung urbaner Gebiete eher Vorteile. Schließlich machen Städte es möglich, dass die Hälfte der Menschheit auf nur rund 4% der urbaren Landfläche lebt. Und das bringt einen weiteren Vorteil: Der Natur bleibt mehr Raum zur Entfaltung. Der amerikanische „Stadtökonom“ Edward Glaeser spricht in seinem Buch „Triumph of the City“ davon, dass „der fehlende Raum in der Stadt die (Umwelt-)Kosten für den Transport von Gütern, Menschen und Ideen senkt“. Schließlich sind die Straßen, Abwasserkanäle und Energieleitungen kürzer und verbrauchen entsprechend weniger Energie. Stadtbewohner fahren deutlich weniger Auto, und die Wohnungen sind in Sachen Energieverbrauch beim Heizen, Kühlen und Beleuchten effizienter als Einzelhäuser.
Urbanisierung mit nachhaltigen Strategien
Dennoch muss dem „Megatrend Urbanisierung“ mit neuen, nachhaltigen Strategien begegnet werden, möchte man die Lebensqualität in den städtischen Gebieten langfristig erhalten. Stadtplaner und Architekten richten deshalb den Fokus auf die Errichtung gesunder und grüner Quartiere bzw. Regionen. Auch sind die Ansprüche der Bewohner an die Lebensqualität in der Stadt enorm gestiegen. Diese wird heute nicht mehr nur durch nachhaltige Architektur, Infrastruktur und ausreichend Grünzonen alleine definiert. Genauso wichtig wie die „Hard Facts“ sind auch die „Soft Facts“ einer Stadt geworden: Digitale Vernetzung, Wissenstransfer, ausreichende Work-Life-Balance und Identifikationsmöglichkeiten spielen hier ebenso eine Rolle wie „Public Health“-Maßnahmen und Gemeinschaftsprojekte. Die moderne Stadt ist gleichzeitig ein Ort für Ideenaustausch und eine Quelle zur Energie- und Kraftgewinnung.
Green Buildung Urban Farming
Spricht man heute von Green Buildung und nachhaltigem Städtebau, bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Der moderne „Lebensraum Stadt“ soll den Bewohnern Energie verleihen und nicht abziehen. Lebenswerter Wohnraum bedeutet, genügend Zonen für Erholung, Rückzug– und Gesundheit zu schaffen. „Gesund und naturnah“ können dabei auch „Urban Farming“-Projekte sein, die auf brachliegenden Flächen ihren ökologischen Beitrag für die Stadt leisten. „Garteln in der City“ trägt einerseits zu einem verstärkten Umweltbewusstsein bei und sorgt andererseits für ein identitätsstiftendes Gemeinschaftsgefühl der Bewohner.
„Nachhaltiges Bauen und Wohnen ist zu einem der zentralen Themen in Architektur und Stadtplanung geworden“, betonen die Trendforscherin Adeline Seidel und der Experte Hans Drexler in ihrem Buch „Building the Future. Maßstäbe des nachhaltigen Bauens“. Klimawandel, Ressourcenverknappung und wirtschaftliche Krisen zwingen Architekten und Planer zunehmend zum Umdenken. Dabei wird vor allem nach ökologischen Methoden gesucht, um Gebäude, Quartiere und ganze Städte „grün“ zu errichten oder zu sanieren.
Naturnahes Wohnen in der Stadt
Die grünen Städte der Zukunft verbinden Naturnähe und Urbanität. Üppige Vegetation und urbane Architektur schaffen dabei eine Mischung aus naturnahen Kraftquellen, gesundem Lebensstil und ökologischem Bewusstsein. Projekte wie„Bosco Verticale“ (dt. „vertikale Stadt“) des italienischen Architekturbüros Stefano Boeri in Mailand (siehe Foto) verdeutlichen den Megatrend Natur und Gesundheit: Bei diesem nachhaltigen Wohnprojekt im Herzen Mailands sorgen 900 Bäume und über 2.000 Sträucher und Blumen für ein eigenes Mikroklima. Diese neuartigen „Baumhäuser“ reinigen die Luft der Umgebung und absorbieren CO2. Die Bäume und Sträucher spenden im Sommer genügend Schatten und schützen im Winter. Die zwei „Bosco Verticale“-Wohntürme mit 110 bzw. 76 Metern Höhe bilden einen „grünen“ Blickfang mitten im dicht verbauten Stadtgebiet. Die symbolische Botschaft: Auch die Stadt kann ihren Beitrag zur Regeneration der Natur leisten.
Kein Widerspruch
Naturnahes Wohnen und urbaner Lebensstil galten vor einiger Zeit noch als Widerspruch. Mit dem zunehmenden Interesse der Bevölkerung an einer umweltgerechten, nachhaltigen Bauweise wird dieser Widerspruch nun aufgelöst. Das wachsende Interesse an „gesunden“ Materialien, umweltfreundliches Design und „Soft Facts“, wie die populäre Sharing-Kultur oder soziale Gemeinschaftsprojekte und Netzwerke, haben aus der Green-Building-Idee ein gesamtgesellschaftliches Konzept gemacht. Dabei geht es nicht mehr nur um Nachhaltigkeit für die einzelne Immobilie, sondern um die verbesserte Lebensqualität ganzer Wohnviertel, Städte und Regionen. Im weitesten Sinne geht es um das Wohl der Gesellschaft und der Umwelt.