New York macht derzeit eine so schwere Zeit durch, wie es sie seit dem Attentat von 9/11 nicht mehr gegeben hat. Die Situation in der Stadt hat sich in den letzten Monaten radikal verschlimmert, denn der Corona-Lockdown hat einen Krater in der Wirtschaft hinterlassen. Die meisten Büros stehen nach wie vor leer, Angestellte arbeiten in der neuen Zoom-Ökonomie weiter von zu Hause aus. Was das für den Einzelhandel und die Gastronomie bedeutet, lässt sich leicht ausrechnen. In der Gastronomie und der Unterhaltungsbranche schmierten die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent ab. Was aber wirklich nicht nur für die New Yorker, sondern auch für die Bewohner von vielen anderen demokratisch regierten Großstädten am besorgniserregendsten ist, sind die Unruhen und Plünderungen, eine Welle an Gewaltverbrechen und zuletzt eine wahre Invasion von Obdachlosen. Mit den Einschränkungen der öffentlichen Polizei nehmen auch die Gewaltverbrechen sprunghaft zu.
Amerikaner ziehen schneller um
Die Gewalt, die Aufstände, wütende Mobs und die fehlende – beziehungsweise stark zurückgefahrene – Finanzierung der Polizei tragen zu einem Bevölkerungsschwund bei. Was diese Entwicklung so dynamisch macht, ist die Tatsache, dass es die US-Amerikaner gewohnt sind, weitaus schneller umzuziehen als die Europäer, geschweige denn die Österreicher. 450.000 Menschen sollen Schätzungen zufolge aus der Stadt geflohen sein – die Lebensqualität sinkt, und das bekommen die verbliebenen New Yorker zu spüren. Wegen des fehlenden Steueraufkommens klaffen im Stadtbudget Milliardenlöcher.
Ähnlich trist ist die Lage in Los Angeles, der zweitgrößten US-Metropole: Auch dort hat eine Massenflucht eingesetzt – beginnend bei den Betuchten und Promis. Entlang der Boulevards stehen vor den Häusern „For Sale“-Schilder. Umzugsfirmen haben Hochbetrieb.
Auch die Mittelschicht verlässt die Städte
Aber es verlassen nicht nur die „Reichen“ das sinkende Schiff, sondern auch viele Angehörige des Mittelstands. Corona war oder ist hier allerdings nur ein weiterer Brandbeschleuniger, denn laut einem Artikel der FAZ vom Herbst letzten Jahres zieht es die jungen Amerikaner wieder in die Vororte. Wie die Daten der Behörde für Volkszählung (USCB) zeigen, gehörten Enklaven mit mehr als 50.000 Bewohnern in der Nähe von größeren Städten im vergangenen Jahr zu den bevorzugten Wohnorten der sogenannten Millennials. Die Amerikaner der Jahrgänge 1980 bis 2000 entscheiden sich immer häufiger für die lange verpönten Suburbs, da sie gut bezahlte Arbeitsplätze mit guten Schulen und guter Anbindung an Großstädte verbinden. Laut „Wall Street Journal“ können sich viele der jüngeren Amerikaner die hohen Immobilienpreise in den Großstädten nicht mehr leisten, da die Kluft zwischen durchschnittlichem Hauspreis und durchschnittlichem Haushaltseinkommen wächst.
Arbeiten von überall
Auch die Jobs gehen im Internetzeitalter an die Peripherie. So haben die Hightech-Firmen festgestellt, dass sie Talente von überall aus dem Land bekommen können, ohne teure Büroflächen anmieten zu müssen. Das wirkt sich in weiterer Folge auf die Büromieten in den großen Städten aus. Gearbeitet wird von überall, was den Bedarf an Fläche reduziert. Die braucht man dann eher im eigenen Wohnbereich, womit sich der Kreis zu den Suburbs schließt.
Angesichts der Flucht geben in einigen Vierteln der Großstädte bereits die Mieten nach. Das gilt ganz massiv für die Gastronomie und den Einzelhandel, aber auch für Büros und Wohnflächen. Viele befürchten, dass New York und andere Großstädte den Weg von Detroit gehen könnten. Wer will schon in einer Stadt wohnen, der eine düstere Zukunft vorausgesagt wird, in der sich jedoch Snake Plissken – „die Klapperschlange“ – wohl bestens zurechtfinden würde.