Der Markt für Seniorenimmobilien und betreutes Wohnen hat im vergangenen Jahr eine deutliche Veränderung erfahren. Aus der Nische wird in den kommenden Jahren eine Assettklasse werden, ist Walter Eichinger überzeugt.
Wo sehen Sie die großen Chancen einer Business-Nische?
Eichinger: Die Fokussierung auf eine Nische, auf ein Marktsegment, gibt auch kleineren Unternehmen die Chance, erfolgreich zu sein. Diese Nischenstrategie führt automatisch zu einer Differenzierung gegenüber dem „Mainstream“, sodass grundsätzlich mit weniger Aufwand und weniger Kosten die Zielgruppen perfekt erreicht werden können.
Welche Voraussetzung muss so ein Unternehmen mitbringen?
Eichinger: Voraussetzung – zumindest in dem von uns fokussierten Markt – ist, dass man über reelle Expertise verfügen muss. Blender oder Nachahmer haben in einer Business-Nische meines Erachtens kaum nachhaltige Positionierungsmöglichkeiten.
Welche Vor- bzw. Nachteile sehen Sie in einem Nischen-Segment?
Eichinger: Ein Nachteil kann im Zeitfaktor liegen, bis man diesen Expertenstatus erreicht hat, respektive von den Marktteilnehmern überhaupt als solcher wahrgenommen und akzeptiert wird. Hat man den Status erreicht, liegt der große Vorteil – bzw. generell die große Chance einer Business-Nische – im „time lead“, also im Zeitvorsprung gegenüber potenziellen Mitbewerbern, bzw. im „time lag“, also im Verzögerungseffekt, bis andere Branchenplayer über das erforderliche Know-how und die Netzwerke verfügen, um sich im Nischenmarkt etablieren zu können.
In welchem Ausmaß gibt es überhaupt Konkurrenz?
Eichinger: Es gibt im deutschsprachigen Raum kaum Entwickler, die wie wir über diese Erfahrung verfügen. Die Markteintrittsbarriere ist also hoch, sodass ein Mitbewerb derzeit für uns noch nicht wirklich spürbar ist.
Was war Ihre Motivation, in diese Nische einzusteigen?
Eichinger: Wir haben uns vor ca. 15 Jahren ganz bewusst für den Markt der Seniorenimmobilie entschieden. Damals aus der Überlegung heraus, dass die Immobilienwirtschaft im neuen Jahrhundert vor drei großen Herausforderungen stehen wird, welche es zu lösen gilt: Alter – Energie – Wasser, und für uns war die Diagnose klar: Unsere Gesellschaft altert.
Allein der demografische Wandel bedingt, dass in 10 bis 15 Jahren die Über-50-Jährigen die zahlenmäßig stärkste Nachfragegruppe am Wohnungsmarkt sein werden.
Wie erwarten Sie, dass sich Ihr Tätigkeitsbereich weiterentwickeln wird?
Eichinger: Im Gegensatz zu Deutschland oder Großbritannien handelt es sich bei uns aktuell noch um einen Nischenmarkt, auf dem primär Spezialisten tätig sind. Private und institutionelle Investoren sind auf diesem Markt derzeit sehr aktiv, erwarten sich aber vom Anbieter ein entsprechendes Know-how, da sie sich nicht selbst mit den teilweise intransparenten Grundlagen auseinandersetzen wollen. Ausgewiesene Expertise, gute Netzwerke im Sozialbereich, Investorenvertrauen und vor allem ein nachvollziehbarer track record sind unbedingte Voraussetzungen, um in diesem Segment tätig sein zu können.
Für uns ist die Einschätzung, der Trend bei Seniorenimmobilien in Deutschland, ein wichtiger Gradmesser. In den letzten Jahren konnten wir bei Tagungen, Messen und Expertengesprächen mit deutschen/europäischen Kollegen zwar ein Bekenntnis zu dieser (neuen) Teilassetklasse feststellen, jedoch immer gepaart mit einer gewissen Zurückhaltung (bzw. Respekt) gegenüber den künftig zu erwartenden Entwicklungen in diesem Marktsegment.
Aber auf Grund der Entwicklung muss sich die Nachfrage ja verändern.
Eichinger: Das stimmt. Im Vergleich zu früher war heuer bei den Tagungen/Messen bei allen Markteilnehmern erstmals eine, sagen wir mal, bedingungslose Euphorie für den Markt der Seniorenimmobilie wahrnehmbar. Ich möchte fast den Ausdruck Goldgräberstimmung verwenden. Das ist für uns wiederum eine Indikation, dass die „Seniorenimmobilie/Betreutes Wohnen für ältere Menschen“ den Sprung von einem Nischenprodukt zu einer neuen und – möglicherweise – bestimmenden Assetklasse der nächsten 50 Jahre vollziehen wird. Natürlich befinden wir uns erst am Beginn, und dieser qualitative Dimensionssprung ist – wenn überhaupt – erst ansatzweise vollzogen.
Welche großen Entwicklungen sehen Sie in den kommenden Jahren?
Eichinger: Fest steht, dass es künftig diese strenge Trennung von „ambulant“ und „stationär“ nicht mehr geben wird, alle europäischen Betreuungs- und Pflegekonzepte gehen ganz klar in diese Richtung (ein erster Ansatz sind eben „Betreute Wohnanlagen“). Wir werden uns daher verstärkt auf Hybridmodelle konzentrieren müssen, z.B. Tages- oder Kurzeitpflege im EG, in den OG Betreute Wohneinheiten und im DG eine Seniorenwohngemeinschaft (oder eine ambulant betreute Wohngemeinschaft).
Im städtischen Bereich werden wir uns vermehrt mit „Campus- und Leuchtturmkonzepten“ auseinandersetzen müssen, d.h. barrierefreie Wohnungen in einem barrierefreien Umfeld mit entsprechender Infrastruktur und einem „Stützpunkt“ (der Betreuungsorganisation=Leuchtturm).
Das ganz große Thema – wie schon bei der GREET andiskutiert – wird der Umgang mit neurokognitiven Störungen, also Demenz, sein. Und die Frage, ob eine Versorgungslücke entsteht, wird sich dabei nicht stellen, sondern wie wir diese Versorgungslücke fachlich, gesellschaftlich und sozialpolitisch in den kommenden Jahren gestalten, ausfüllen oder reduzieren.
Welche neuen Ideen und Überlegungen gibt es bei Silver Living?
Eichinger: Um den „time lag“ zu einem potentiellen Mitbewerb nicht kleiner werden zu lassen, muss man sich permanent mit Trends, Ideen und Entwicklungen – nicht nur in Österreich, sondern auch europa- und weltweit – auseinandersetzen. Hier haben wir den Vorteil, dass wir im europäischen Normenausschuss (Pflege und Betreuung) vertreten sind, und daher schon frühzeitig wissen, wohin uns die Reise führen kann beziehungsweise führen wird.
Einerseits ist die Strategie einer Marktdurchdringung in Österreich unser Ziel, und andererseits die Erschließung neuer Märkte durch die Positionierung unseres (bekannten) Produktes in angrenzenden Nachbarländern wie Südtirol oder der Slowakei. Wir tun also das, was wir wirklich gut können. Gleichwohl wir uns als Bauträger auch dem „normalen“ Wohnbau nicht verschließen.