Aus Sicht des Qualitätsmanagers: Wie nachhaltig agiert die österreichische Bauwirtschaft schon heute? Wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Florian Steindl: Die österreichische Bauwirtschaft hat zwar schon große Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit gemacht. Insbesondere durch energieeffizientes Bauen, das durch gesetzliche Vorgaben wie die OIB-Richtlinien und Förderprogramme für Niedrigenergie- und Passivhäuser unterstützt wird, oder etwa durch den verstärkten Einsatz nachhaltiger Baustoffe wie Holz. Auch das Thema Kreislaufwirtschaft gewinnt an Bedeutung, allerdings bestehen noch Herausforderungen bei der großflächigen Wiederverwendung von Materialien. Ebenso könnte die digitale Bauplanung bzw. der österreichweit flächendeckende Einsatz mittels BIM zur effizienteren Ressourcennutzung beitragen. Um die Klimaziele zu erreichen, sind jedoch zusätzliche Maßnahmen und eine konsequentere – vor allem auch langfristige – Umsetzung bestehender Konzepte erforderlich.
Ein Thema, das laufend an Bedeutung gewinnt, ist ESG. Wie gut ist die Baubranche vorbereitet?
Wie viele anderen Branchen steht auch der Bausektor zunehmend unter Druck, sich den Anforderungen im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zu stellen. In Österreich und global wächst die Bedeutung von ESG-Kriterien und auch die Baubranche beginnt damit, diese stärker in ihre Prozesse zu integrieren. Hier sehen wir unterschiedliche Geschwindigkeiten. Manche Betriebe sind im Zusammenspiel von Managementsystem und ESG gut aufgestellt, andere lassen die Thematik mehr auf sich zukommen. Dennoch kann man auch hier sagen: Der hohe CO2-Ausstoß in der Produktion von Beton und Stahl bleibt die große Herausforderung. Auch bei der Standardisierung von ESG-Kennzahlen und der Schulung der Mitarbeitenden gibt es noch viel zu tun – insbesondere bei kleineren Unternehmen, da große Unternehmen häufig besser vorbereitet sind. Um echte Fortschritte zu erzielen, ist es ist entscheidend, ESG fest in der Unternehmensstrategie zu verankern, Know-how zu fördern und klare, messbare Kriterien zu entwickeln.
Wie unterscheiden sich dabei die drei Bereiche Environment, Social und Governance?
Auf die einzelnen Faktoren heruntergebrochen sehe ich beim Umweltaspekt noch große Chancen bei der Entwicklung nachhaltiger Materialien, beim Einsatz von Energieeffizienzmaßnahmen – die bei Neubauten bereits sehr gut funktionieren – oder bei standardisierten Verfahren zur Wiederverwendung von Baustoffen für ein besseres Handeln gemäß der Kreislaufwirtschaft. Hinsichtlich der sozialen Komponente ist der Arbeitsschutz auf Baustellen in Österreich streng reguliert. Dennoch besteht die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, vor allem für Beschäftigte aus dem Ausland oder Leiharbeiter. Bauträger müssen außerdem ihre soziale Verantwortung ernst nehmen, indem sie Wohnraum für alle sozialen Schichten schaffen und die Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften berücksichtigen.
Beim Thema Governance oder Unternehmensführung gibt es häufig noch Nachholbedarf in der Umsetzung von Governance-Strukturen, um die Bedeutung von Compliance und Transparenz im Unternehmen zu verankern. Zwar veröffentlichen immer mehr Unternehmen der Baubranche Nachhaltigkeitsberichte, die Anforderungen – insbesondere durch die EU-Taxonomie-Verordnung – steigen jedoch laufend weiter, was eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema erfordert.
Wie lautet also Ihr Fazit?
Wir sehen noch einen großen Rückstand, was die Integration von ESG in die Unternehmensstrategie von Bauunternehmen betrifft, was primär auf die mangelnde Standardisierung von ESG-Kriterien in der Baubranche zurückzuführen ist. Es gibt verschiedene Zertifizierungssysteme wie DGNB, LEED oder BREEAM, es fehlt aber eine einheitliche und allgemein anerkannte Vorgehensweise. Unternehmen benötigen klare, messbare ESG-Kennzahlen, um ihre Fortschritte zu bewerten. Folglich besteht natürlich auch ein großer Bedarf an Aus- und Weiterbildung, um das Wissen über ESG-Themen in der gesamten Branche zu verbreiten. Bauunternehmen müssen ihre Teams gezielt schulen, um ESG-Kriterien in allen Projektphasen zu berücksichtigen. Dabei kann auch der Einsatz von Technologien wie BIM ESG-Ziele unterstützen, indem sie den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes optimieren. Der Grad der Digitalisierung in der Branche variiert jedoch stark, was die breite Umsetzung erschwert. Viele Themen sind also bereits in Berücksichtigung, wenngleich es auch noch viel Luft nach oben gibt.
Wo gibt es die größten Wissenslücken bzw. das größte Optimierungspotenzial? Welche sinnvollen ersten Schritte sollen Unternehmen setzen, die sich auf ESG vorbereiten wollen?
Da ESG-Kriterien nicht für sich alleine stehen, sondern Anforderungen darstellen, die im Rahmen der gesamten Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen sind, müssen sie in den jeweiligen Prozessen implementiert und gemessen werden. Viele Unternehmen haben bereits (zertifizierte) Integrierte Managementsysteme, wie etwa die ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001 oder ISO 50000 implementiert und müssen hier nur einen Abgleich der Norm- und ESG-Kriterien vornehmen. Hier können entsprechende Schulungsangebote helfen, am Ball zu bleiben sowie gleichzeitig eine rasche und einheitliche Umsetzung zu gewährleisten, ohne parallele Norm- und ESG-Welten zu schaffen.
Welche Unterstützung bietet Quality Austria den Unternehmen aus der Baubranche?
Wir haben ein vielfältiges Angebot: Das betrifft etwa Bereiche wie Qualität, Umwelt, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Compliance und Anti-Korruption sowie Risikomanagement oder eben die Implementierung von Nachhaltigkeits- und ESG-Kriterien. Hier bieten wir einerseits Zertifizierungen von Managementsystemen und Audits an, aber auch Aus- und Weiterbildungen bzw. branchenspezifische Dienstleistungen, um die Prozesse in Bauunternehmen zu optimieren, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig auch ESG-Kriterien erfolgreich zu integrieren. Wir haben eine breite Palette von Schulungen und Lehrgängen entwickelt, die speziell auf die Bedürfnisse der Baubranche zugeschnitten sind. Gleichzeitig besteht auch immer die Möglichkeit von Inhousetrainings, also maßgeschneiderten Schulungen direkt vor Ort bei den Betrieben.
Es empfiehlt sich also in jedem Fall, hier am Ball zu bleiben, laufend Chancen und Verbesserungspotenziale aufzudecken und besser früher als spät mit dem Thema zu starten. Auf diesem Weg zu mehr Erfolg unterstützen wir unsere Kunden sehr gerne.