Digitalisierung ist eines der aktuell am häufigsten benutzten Schlagworte, auch in der Immobilienbranche. Doch abseits vom Hype um Gründer- und PropTech-Szene sowie spannenden neuen Apps stellt sich die Frage, wie stark die Branche tatsächlich auf den digitalen Wandel vorbereitet ist. Die Antwort darauf hängt maßgeblich von der Änderungsbereitschaft und dem Mut der Beteiligten ab, findet Malte Priester, Geschäftsführer der IntReal Solutions GmbH.
Sie sagen, erfolgreiche Digitalisierung der Immobilienwirtschaft sei vor allem Kopfsache. Was meinen Sie damit?
Priester: Unser Geschäft ist die Administration von regulierten Immobilienfonds. In die Management- und Reporting-Prozesse fließen heute eine Fülle immobilienbezogener Daten ein; allein schon, um die rechlichten Anforderungen zu erfüllen. Für diesen Bereich kann ich mit voller Überzeugung sagen: Die technischen Möglichkeiten, Prozesse zu automatisieren und damit effizienter zu gestalten, sind vorhanden und sie werden sich weiter entwickeln. Viel wichtiger ist aber die Bereitschaft im Unternehmen, die eigenen Abläufe und Strukturen auf die digitalisierte Welt auszurichten. Deshalb beginnt und entscheidet sich der Erfolg einer Digitalisierung eben im Kopf der Verantwortlichen.
Und hier sehen Sie in der Immobilienbranche Defizite?
Priester: Nimmt man die Ergebnisse von Umfragen zum Maßstab, hat die große Mehrheit der Immobilienunternehmen das Thema Digitalisierung als durchaus relevantes Handlungsfeld erkannt. Und wer sich in den vergangenen Monaten mit dem Thema Digitalisierung der Immobilienwirtschaft beschäftigen wollte, fand dazu beinahe schon täglich eine passende Veranstaltung. Aber die Anzahl dieser Events allein ist kein Indikator für den Grad der Digitalisierung der Branche. Klar ist: Das Wissen um die Bedeutung und die Umsetzung digitaler Prozesse ist vorhanden. Jetzt ist es an der Zeit, die Ärmel hoch zu krempeln und loszulegen.
Woran scheitert die praktische Umsetzung?
Priester: Ein Punkt ist die fehlende Bereitschaft, sämtliche Prozesse im Unternehmen zu überdenken, anzupassen und auf die Anforderungen einer modernen, digitalen Unternehmung hin auszurichten. Inbesondere in der Administration sind die Grundlage hierfür einheitliche und allgemein akzeptierte Definitionen für Daten. Nur dann lassen sich die Vorteile digitalisierter Prozesse überhaupt nutzen. Und hier gibt es für die Immobilienbranche noch einiges zu tun.
Können Sie hier konkreter werden?
Priester: Es gibt nach wie vor zu wesentlichen immobilienwirtschaftlichen Daten kein branchenweites Verständnis. Ob Mietflächen, Restlaufzeiten eines Mietvertrages oder sogar Kaufpreise – im Zweifel versteht jeder etwas anderes. Ich begrüße hier die Arbeit von Institutionen wie der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung. Die gif hat eigens eine Kompetenzgruppe Immobilien-Daten-Austausch eingerichtet und sogar eine entsprechende Richtlinie herausgegeben. Neben der gif beschäftigen sich auch andere damit, allgemein akzeptierte Standards zu entwickeln. Deutschland- oder gar europaweit harmonisierte Datenstandards werden aber wohl noch auf sich warten lassen.
Und das ist ein Problem?
Priester: Ein wesentlicher Hebel für mehr Effizienz in der Administration von Immobilien und Immobilienfonds ist, Reibungsverluste an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Beteiligten zu vermeiden. Und diese Reibungsverluste sind umso geringer, je weniger Schnittstellen existieren und je konsistenter die Datenbasis ist. Das Thema ist übrigens auch bei Investoren auf dem Radar: In einer Umfrage unter mehr als 300 Immobilienanlegern aus Nordamerika, Europa und Asien wurde jedenfalls die fehlende Normierung und Standardisierung von Daten als eines der wichtigsten Probleme genannt.
So wichtig Datenstandards auch sein mögen – ganz ohne die richtige technische Infrastruktur geht es doch auch nicht?
Priester: Natürlich muss die IT stets auf dem aktuellen Stand der Technik sein. Dabei geht es um Kosten und auch um die Sicherheit von Daten. Diese beiden gegensätzlichen Punkte unter einen Hut zu bringen ist ein Balanceakt. Auf der einen Seite wollen wir die höchsten Sicherheitsstandards, auf der anderen Seite soll der „Kostenfaktor IT“ so gering wie möglich sein. Hier sind verschiedene Ansätze denkbar.
Was meinen Sie damit?
Priester: Indem sie einzelne Bereiche oder die gesamte Administration an spezialisierte Dienstleister auslagern, können Unternehmen direkt auf ein etabliertes und regelkonformes System aufsetzen und ersparen sich die erforderlichen und von allen Beteiligten jeweils vorzunehmenden Investitionen in die eigene IT. Skeptiker sind an diesem Punkt schnell mit dem Begriff Datensicherheit zur Stelle. Die Frage, die sich jeder ehrlich beantworten muss ist aber, ob ein in Deutschland ansässiges und mit redundanten Kapazitäten ausgestattetes Rechenzentrum eines spezialisierten Plattform-Anbieters nicht besseren Schutz vor dem Zugriff Dritter bietet als die eigene Daten-Infrastruktur.
Womit wir wieder beim Thema „Kopfsache“ wären.
Priester: Richtig. Denn die eingetretene Pfade zu verlassen erfordert Bereitschaft und Mut. Die Initiative Digitales Immobilienmanagement, ein Zusammenschluss von Immobilienunternehmen, schreibt in ihrer Selbstdarstellung dehalb zurecht von einer Innovationskultur, die notwendig sei und von der Führung im Unternehmen gelebt werden müsse.
Wo steht die Branche hier?
Priester: Hierzu nur eine Zahl: In einer Befragung von Ernst & Young und dem Branchenverband ZIA haben lediglich 35 % der klassischen Immobilienunternehmen angegeben, dass die Digitalisierung bei Ihnen Chefsache ist. Es ist also noch einiges zu tun.