Typisch für eine Nische im Immobilienbereich ist die Tatsache, dass der erste Interessent diese bereits besetzt hat. „Vorher ist die Thematik ja nicht als Nische sichtbar, man geht dann eher von Randbereichen des üblichen Marktsegments aus“, meint Wolfgang M. Fessl, Geschäftsführer von Reinberg & Partner, und gibt auch gleich ein Beispiel. Bei Seniorenimmobilien war es anfangs nämlich so, dass die wenigen Marktteilnehmer, die sich solche zugetraut haben, diese „ähnlich wie Hotels“ behandelt haben. Nur dass die Bewohner zwei Zimmer statt eines hatten und länger als ein paar Nächte geblieben sind. Heute gehören Seniorenimmobilien zum normalen Angebot, somit kann man nicht mehr von einer Nische sprechen. Aber es gibt noch genug andere, und es ergeben sich immer wieder neue.
Etablierte Nischen
Eine gut etablierte Nische sind Parkhäuser, obwohl es kaum eine Handvoll professioneller Investoren gibt. „Das liegt wohl auch daran, dass es sich um sogenannte Betreiberimmobilien handelt, bei denen nicht nur die Immobilie selbst, sondern auch „das darin betriebene Gewerbe wertbildend ist und einiges an Spezialwissen erfordert“, erklärt Wolfgang M. Fessl und ist überzeugt, dass diese Nische noch länger Bestand haben wird. Auch wenn wir weniger Auto fahren, die mobilitätssichernden Fahrzeuge werden dennoch irgendwo untergebracht werden müssen.
Unterbringung ist auch auf kleineren Flächen ein Thema, wie etwa bei „Storage“ – ein Segment, in dem die Immobilienrendite AG aktiv ist. Immer mehr Menschen lagern Dinge aus ihrem Wohnraum aus. „Wir bieten Lagermöglichkeiten direkt in den Wohngebieten an – zu viel günstigeren Preisen, als wenn man eine größere Wohnung mieten müsste“, sagt Vorstand Mathias Mühlhofer. Nischenmärkte können auch einzelne Projekte sein, wie Mühlhofer beschreibt: „Wir haben uns auf die Revitalisierung von alten Industrie-Liegenschaften spezialisiert.“ In Spillern bei Korneuburg wurde eine alte Schokowaffel-Fabrik renoviert, in Weikersdorf bei Wiener Neustadt eine ehemalige Druckerei in ein modernes Produktionsareal mit Fertigung, Lagerhallen und Büros verwandelt.
Erdgeschoßflächen in B- und C-Lagen
„Immobilien, auf die künftig besonderes Augenmerk zu legen ist, sind Erdgeschoßflächen in B- und C-Lagen“, sieht Andreas Gnesda, CEO teamgnesda, große Chancen. Früher befanden sich dort der Greißler an der Ecke, der Schuster, der Tischler, die Drogerie oder der Waschsalon. Danach kamen Videotheken, Wettbüros und Kreditvermittler. Jetzt stehen sie vielfach leer. „Diese Immobilien gilt es jetzt daher neu und intelligent zu nutzen“, meint Gnesda: „Denn sie prägen das Stadtbild und haben extremen Einfluss auf die Wohn- und Wohlfühlatmosphäre des Umfelds.“
Nische aus neuer Mobilität
Die größte Nische beziehungsweise das größte Potenzial entsteht aber für Andreas Gnesda durch die neue Mobilität: „Rund 65 Prozent der Flächen in Wien gehören derzeit noch dem Auto, also Parkplätzen und Straßen. Wenn sich Car Sharing noch mehr durchsetzen wird und das selbstfahrende Auto in der Realität ankommt– was nur eine Frage der Zeit ist – brauchen wir die Kapazität der Straßen und die Vielzahl an Parkplätzen nicht mehr.“ Das Stadtbild bekommt ein gänzlich neues Antlitz ohne parkende Autos. Es werden damit Flächen frei, die für eine nachhaltige Stadtplanung der stark wachsenden Metropole Wien dringend benötigt werden.
Der Inhalt zählt und nicht die Immobilie
Eine international erfolgreiche Nische sind Rechenzentren. Ursprünglich wurde diese von den Investoren eher gemieden, mit der Befürchtung der sehr schwierigen Nachvermietung der Räumlichkeiten. Heute bilden sie eine lukrative Assetklasse, in der es in Österreich jedoch nur wenig Bewegung gibt. „Das liegt aber nicht an der Nachfrage, sondern an der Tatsache, dass der Wert eines Rechenzentrums nur zu einem geringen Teil im Gebäude liegt“, erklärt Reinberg-&-Partner-Geschäftsführer Wolfgang M. Fessl: „Der weitaus höhere Anteil ist in der – sehr individuellen – Haustechnik konzentriert. Und diese lässt sich tatsächlich nur sehr schwer weitervermieten.“
Kuriose Entwicklung am Büroflächenmarkt in Wien
Corona hat die Büroarbeitswelt auf den Kopf gestellt, und viele Unternehmen sind dabei, ihre Flächen auf die neuen Herausforderungen auszurichten. „Das heißt, mehr Flächen für Kommunikation und Zusammenarbeit zu schaffen bei gleichzeitiger Reduktion der Schreibtische“, konkretisiert Andreas Gnesda. Durch diese Umstrukturierungen entsteht ein riesiger Markt an Untermietflächen, da die Unternehmen in ihren Verträgen gebunden sind. Diese Untermietflächen werden vielfach serviciert vermietet – also mit infrastrukturellen Services, daher sieht Andreas Gnesda die Nische darin, dass „Büromieter zu serviceorientierten Vermietern werden“.
Corona hat noch eine zweite Entwicklung dynamisiert. „Coworking-Spaces im ländlichen Raum schließen perfekt die Lücke zwischen Homeoffice und Pendeln zum Arbeitsplatz“, so Marcus Weixelberger, CEO von andys.cc, ein Anbieter von Coworking-Spaces. Nicht nur Mieter, sondern auch Investoren suchen außerhalb der Ballungszentren nach Immobilien, die sich als Coworking-Spaces eignen. „Eine klare Win-win-Situation, die neue und innovative Produkte in der Immobilienwirtschaft schaffen wird“, blickt Marcus Weixelberger in die Zukunft.
Facettenreiche Logistik
Auch bei den Logistikimmobilien hat sich die Assetklasse mittlerweile in verschiedene Nutzungen und Nischen aufgeteilt. „Wir haben mit Kunden verschiedene Modelle konzipiert“, meint Felix Zekely, Geschäftsführer von OPTIN Immobilien: „Das Spektrum reicht von Big Boxes über Light Industrial bis hin zur Last-Mile-Logistik.“ Zekely geht davon aus, dass sich Fonds in gewissen Regionen auf spezielle Nutzungsarten oder Nischen konzentrieren werden: „Ich glaube, dass die Spezialisierung ein wesentlicher Fokus in Investmentplänen bzw. in der Anlagestrategie ist.
Produkte, die nicht interessant waren
Allerdings können nicht alle Nischen auch wirklich besetzt werden. „Erinnert sich noch jemand an Meinl Airports International?“, fragt Wolfgang M. Fessl: „Das war ein Immobilienfonds, der 2007 aufgelegt wurde und speziell in Flughäfen und deren Immobilien investieren sollte.“ Bis auf ein paar Minderheitsbeteiligungen an eher exotischen Flughäfen blieb man erfolglos, sodass der Fonds bereits 2009 – mit hohen Verlusten – geschlossen wurde.