Die Real I.S. hat im August dieses Jahres das neungeschoßige Hotelgebäude „MOOONS“ in unmittelbarer Nähe des Wiener Hauptbahnhofs erworben. Welche Idee steckt hinter dem Kauf?
Maximilian Ludwig: Wien – noch dazu in dieser zentralen Lage – ist ein ausgezeichneter Hotelstandort. Die Stadt ist bei Städtetouristen wie bei Geschäftsreisenden gleichermaßen beliebt, was einen ausgeglichenen Mix unterschiedlicher Kundengruppen bedeutet.
Das „MOOONS“ war für uns eine Gelegenheit, bei der wir zugreifen mussten: Das Gebäude war bereits fertiggestellt. Mit MHP haben wir einen Betreiber, den wir kennen und schätzen, der sich in Wien bestens auskennt, viel Erfahrung mit erfolgreichen Konzepten hat, gut durch die Corona-Krise gekommen ist und mit der neuen Marke viel vorhat. Uns gefällt das Boutique-Konzept des „MOOONS“, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Vor allem auch die interessante Architektur mit ihrer auffallenden Fassade sagt uns zu. Von der Lage mit perfekter Verkehrsanbindung ganz zu schweigen. Und was für unsere Investoren natürlich wichtig ist: Der Ankauf war auch eine Opportunität, die langfristig ein attraktives Rendite-Risiko-Verhältnis verspricht.
Ist es nicht ungewöhnlich, in einer für die Stadthotellerie schwierigen Zeit Hotelprojekte zu erwerben?
Maximilian Ludwig: Wir denken nicht, dass die Hotellerie ein strukturelles Problem hat, im Gegenteil: Bis zum Pandemieausbruch war die Branche absolut gesund, die Übernachtungszahlen an den meisten Destinationen stiegen konstant, sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Reiseverkehr. Durch den Trend zu digitalen Meetings gibt es zwar Strukturbrüche, die wir beobachten und berücksichtigen müssen. Aber solange die Menschen reisen wollen und müssen, lässt sich ein Hotelbett nicht durch einen Laptop ersetzen.
Vielleicht werden einige Geschäftsreisen künftig durch digitale Meetings ersetzt, und aktuell lässt sich schwer einschätzen, wie sich das Tagungs- und Kongressgeschäft entwickeln wird. Ich bin aber der Überzeugung, dass das Bedürfnis nach persönlichen Begegnungen und Reiseerlebnissen überdauert – das lässt sich ja bereits an den Übernachtungszahlen vieler attraktiver Städteziele ablesen. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht ist. Doch das ist bei Hotelinvestments und in Pachtverträgen mittlerweile eingepreist.
Wie finanziert man unter den aktuellen Umständen einen Hotelkauf? Sind die Banken bei der Kreditvergabe nicht restriktiv?
Maximilian Ludwig: Wir hatten sicher auch aufgrund des außergewöhnlichen Produkts keine Schwierigkeiten, Finanzierungsangebote zu finden – zu absolut marktgängigen Konditionen. Die sind zwar nicht ganz so wie vor Pandemieausbruch, aber immer noch günstig. Manche Institute sind etwas zurückhaltender geworden, aber die Auswahl an passenden Finanzierungsangeboten ist immer noch ausreichend.
Wie schätzen Sie den Markt in Wien ein, und planen Sie weitere Zukäufe in Wien?
Maximilian Ludwig: Wien ist für uns eine der attraktivsten Städte in Europa, nicht nur für Hotels. Die Stadt hat eine sehr internationale Ausrichtung, sie ist das Tor nach Osteuropa und beherbergt zahlreiche Konzerne und Institutionen von weltweiter Bedeutung. Und der Immobilienmarkt zeichnet sich durch hohe Stabilität und Sicherheit aus. Deshalb sondieren wir diesen Markt stetig, vor allem im Bürobereich. Aber natürlich sind wir auch offen für eine weitere Hotelopportunität, so sich denn etwas ergibt. Bei Hotels ist es für uns wichtig, dass sie möglichst unterschiedliche Kundengruppen ansprechen. Neben Wien finden wir in Österreich übrigens auch Salzburg und Graz spannend.
Welche Märkte sind für die Real I.S. in Europa noch interessant?
Maximilian Ludwig: Insgesamt, über die Nutzungsgruppen hinweg, verstehen wir uns als paneuropäischer Investment- und Asset-Manager. Neben Deutschland und Österreich werfen wir ein besonderes Augenmerk auf die Niederlande, Spanien und Frankreich, schließen aber auch andere Länder nicht aus. Speziell für Hotels gilt das eben Gesagte: Bei diversifiziertem Kundenpotenzial, hoher Objektqualität und passenden Ankaufskonditionen schauen wir uns sich bietende Opportunitäten gerne an. Dann unterscheiden wir nicht nach Himmelsrichtung.
Wie wird sich die Hotellerie bzw. die Nachfrage entwickeln? Sieht es für die Stadthotellerie besser aus oder für die Freizeitdestinationen?
Maximilian Ludwig: Langfristig bleibt beides begehrt. Im Freizeitsegment haben wir erst in diesem Sommer gesehen, wie groß das Bedürfnis zu reisen war. Die Nachfrage war vielerorts größer als das Angebot. Die Menschen suchen Erlebnisse und Begegnungen, privat wie beruflich. Bislang hat sich der Freizeittourismus allerdings schneller von der Krise erholt als Geschäftsreisen. Destinationen, die beide Bereiche abdecken, haben deshalb in unseren Augen derzeit das größte Potenzial.
Wie schätzen Sie das Thema Hotel/Arbeiten/Wohnen in einem Projekt ein?
Maximilian Ludwig: In den vergangenen Jahren hat die Vielfalt unterschiedlicher Hotelkonzepte unheimlich zugenommen, und oftmals sind die Abgrenzungen zwischen den klassischen Nutzungen Hotel, Wohnen und Büroarbeitsplatz dabei etwas verschwommen. Die Pandemie hat bei diesem Trend zu einer Atempause geführt. Die Hotels haben sich in den vergangenen Monaten teils notgedrungen auf das Wesentliche konzentriert. Gelegenheiten für ungezwungene Begegnungen wurden bewusst reduziert. Ich glaube, dass dieser Trend langfristig zurückkehren wird. Dies wird allerdings noch dauern und muss dann auch eingepreist werden.
Was sind für Sie die interessantesten Trends im Tourismus?
Maximilian Ludwig: Hygienekonzepte und Abstandsregelungen werden uns noch lange begleiten. Digitale Konzepte und Prozesse werden sich auch vor diesem Hintergrund weiter durchsetzen, beispielsweise ein kontaktloser Check-in ohne Schlange an der Rezeption. Und das Thema Nachhaltigkeit wird auch die Hotellerie immer stärker beschäftigen – zuerst bei den Geschäftsreisenden, dann aber auch bei den Touristen. Übrigens muss dieser Trend nicht automatisch zu weniger Business-Übernachtungen führen: Denn wenn Kurzstreckenflüge im Inland oder ins benachbarte Ausland deutlich reduziert werden, lassen sich viele Geschäftstermine mit mehrstündiger Anreise gar nicht mehr ohne Übernachtung bewerkstelligen.