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Einzelhandelsimmobilien in Europa – in den Tagen von Covid-19 und darüber hinaus

Eine der wesentlichen Herausforderungen, die die aktuelle Corona-Krise mit sich bringt, besteht darin, dass sie noch völlig unberechenbar ist. Das einzige „Wissen“, das wir bisher haben, ist, dass es in Chinas Hotspot Wuhan, der Anfang Jänner unter Quarantäne gestellt wurde, immer noch (Mitte März) täglich (weniger, aber immer noch) neue Fälle gibt. In Europa hat sich, ausgehend vor allem von Italien, die Krankheit inzwischen auf dem gesamten Kontinent ausgebreitet.

Immer mehr Länder sehen sich gezwungen, den totalen „Shutdown“ zu verkünden, fast jedes Mal einschließlich aller ihrer nicht als „essenziell“ betrachteten Einzelhandelsgeschäfte. Mit Ausnahme von Supermärkten, Drogerien und Apotheken sind Einzelhandelsmieter, die auf dem ganzen Kontinent zum Schließen gezwungen werden, weiterhin mit signifikanten Belastungen wie Personalkosten und mehr noch mit Mieten, Betriebskosten und anderen immobilienbezogenen Aufwendungen konfrontiert, ohne gleichzeitig Umsatz lukrieren zu können.

Es ist offensichtlich, dass alle diejenigen Handelsunternehmen, die stillgelegt werden, diese erheblichen finanziellen Herausforderungen nur für einen sehr begrenzten Zeitraum bewältigen können werden. Der Deutsche Einzelhandelsverband hat errechnet, dass der Einzelhandel in unserem Nachbarland (jenseits der Lebensmittelbranche) täglich rund 1,15 Milliarden Euro Umsatz einbüßt (!). Der überwiegende Teil dieser Umsätze wird nie wieder nachgeholt werden können, selbst wenn die Geschäfte bald wieder öffnen würden. Allerdings hat etwa die deutsche Stadt Stuttgart – offensichtlich entsprechend den Erfahrungen von Wuhan – bereits angekündigt, dass die Stilllegung vorläufig einmal bis zum 15. Juni 2020 geplant ist. Andere Prognosen sehen bereits Schließungen in ganz Europa für mehrere Monate vor. In dieselbe Richtung gehen die aktuellsten Ankündigungen auch der österreichischen Politik.

Expansionspläne komplett auf Eis gelegt

Viele der ohnehin im Laufe der letzten Jahre weniger gewordenen Einzelhändler, die in den vergangenen Monaten noch auf Expansionskurs waren, haben inzwischen deutlich gemacht, dass sie zumindest ihre Expansionspläne vorerst komplett auf Eis legen. Eine neue Nachfrage nach Einzelhandelsflächen ist damit praktisch nicht (mehr) vorhanden. Viele Unternehmer aus der Gastronomie- und Freizeitbranche – in vielen Fällen Jungunternehmer mit sehr begrenzter Eigenkapitalausstattung – haben ihre Mitarbeiter bereits komplett entlassen müssen, und dieser traurige Trend wird sich leider fortsetzen. Dasselbe gilt für Händler außerhalb des Lebensmittel- und Drogeriehandels, die nicht großen Handelsketten angehören.

Gerade in Österreich gibt es unverändert zahlreiche kleine und mittelständische Einzelhandelsunternehmen, die nicht nur ihre Filialen geschlossen haben, sondern zwischenzeitlich ihren gesamten Betrieb praktisch zum Stillstand gebracht haben. Hinzu kommt, dass – teilweise aufgrund aller oben genannten Rahmenbedingungen – die Arbeitslosigkeit aktuell explodiert. In Österreich haben beispielsweise bereits am ersten Tag der Zwangsschließungen (Montag) mehr als 16.000 Menschen Arbeitslosenunterstützung beantragt, einen Tag später waren es bereits 49.000 Anträge. Letzterer Wert ist die höchste Zahl, die es je an einem Tag in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg gab.

Vor diesem Hintergrund scheinen die folgenden Schlussfolgerungen für den Einzelhandelsimmobilienmarkt wahrscheinlich:

  • Unvorhersehbarkeit: Die Ungewissheit ist in diesem Moment immens. Eines ist jedoch klar: Je länger der Stillstand dauern wird, desto gravierender werden die Folgen für den Einzelhandel und somit auch für Einzelhandelsimmobilien werden.
  • Nachfrage: Die aktuelle Nachfrage der Mieter nach Non-Food-Einzelhandelsimmobilien ist praktisch auf dem Null-Niveau angelangt. Je länger die Rahmenbedingungen so bleiben werden, wie sie aktuell sind (oder sogar noch verschärft werden, wie etwa aktuell in Tirol), desto mehr wird sich die gesamte wirtschaftliche Nachfrage verschlechtern und sich dadurch das Interesse und die Fähigkeit von Einzelhändlern, Einzelhandelsimmobilien weiterhin anzumieten, verringern.  
  • Markt: Wir werden trotz aller jetzt in die Wege geleiteten wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich eine hohe Anzahl von Insolvenzen (nicht nur im Non-Food-Einzelhandel) sehen, gefolgt von Filialschließungen und Leerständen in ganz Europa. Unsere gesamte Einzelhandelsimmobilienwelt wird damit bereits in wenigen Wochen nicht mehr so sein, wie sie noch im Februar dieses Jahres war. Highstreets und Einkaufszentren werden dramatisch anders aussehen als heute. Selbst wenn die Krise vorbei ist, wird es Monate dauern, bis sich wieder ein neues Gleichgewicht für Einzelhandelsimmobilien-Märkte auf dem ganzen Kontinent etabliert haben wird.
  • Zukunft – jede Krise bietet immer Chancen: Der Online-Handel, vor allem in wirtschaftlich stärker entwickelten Ländern und in den Sektoren, die alltägliche Waren liefern, wird eindeutig einen positiven Durchbruch sehen (in den USA hat Amazon bereits angekündigt, in den nächsten Wochen weitere 100.000 Mitarbeiter einzustellen). In vielen Fällen wird der Online-Handel durch veränderte Konsumentengewohnheiten auf der Gewinnerseite sein. Dies kann auch durchaus für lokale Anbieter gelten, die sich jetzt bietende Chance nutzen sollten. Für bisher reine Online-Player mögen sich Chancen auftun, neue Vertriebskanäle in den durcheinandergeratenen Märkten – auch im stationären Umfeld – zu starten. Aber auch klassische stationäre Händler, welche die Krise überleben, werden voraussichtlich Standortchancen im Markt vorfinden, die noch vor wenigen Wochen kaum vorstellbar gewesen wären

Für alle jedoch gilt: Diejenigen, die sich am schnellsten auf neue Rahmenbedingungen einstellen können und entsprechend anpassen, werden auf der Gewinnerseite stehen, sobald die Krise vorbei ist.

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  • Erschienen am:
    21.03.2020
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