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Einpreisung des Risikos

Waren früher das Objekt und die Lage ausschlaggebend, so wird immer mehr auch die wirtschaftliche Situation des Landes wichtig. Warum aber sind Immobilienanleger bereit, 45% mehr für zukünftige Cashflows in Polen zu zahlen als in Rumänien?
Infolge der Schuldenkrise hat sich auf dem Markt für Anlageimmobilien das Augenmerk auf die Einschätzung des Länder- und Marktrisikos verschoben, das nun eine bedeutendere Rolle (vermutlich die größte in den letzten zehn Jahren) zu spielen scheint als objektbezogene Risiken. Dies führt dazu, dass viele Spitzenimmobilien in Ländern, die als riskant eingestuft sind, von Anlegern links liegen gelassen werden.

Die Risikoeinschätzung einer Immobilienanlage

Andererseits stellen solche Spitzenobjekte, zusammen mit einigen Rohstoffen, ECHTE Langzeitwerte dar. Daher würde man annehmen, dass eine grundsätzlich solide (risikoarme oder erstklassige) Immobilie in einem im Hinblick auf das Marktrisiko weniger attraktiven Land trotzdem attraktiv erscheinen würde. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. In der Theorie besteht die Risikoeinschätzung einer Immobilienanlage aus mehreren Segmenten: aus dem Länderrisiko (politisch, wirtschaftlich), dem Marktrisiko (sektor- und lagebedingt) und insbesondere dem objektbezogene Risiko. Die letzten zwei Segmente haben zuletzt an Bedeutung verloren. Die Anleger konzentrieren sich heute vorwiegend auf das Länderrisiko.

Zwei Beispiele

Der Markt für Anlageimmobilien in den zwei größten Ländern Mittel- und Osteuropas (Polen und Rumänien) eignet sich besonders zur Veranschaulichung dieser Schwerpunktverschiebung. Die Differenz zwischen den von Immobilienmaklern angegebenen Renditen für Spitzenimmobilien im Einzelhandel beträgt derzeit etwa 250 Basispunkte. Das bedeutet, dass der Kapitalwert einer Spitzenimmobilie in Warschau um etwa 45% höher liegt als jener eines ähnlichen Objekts in Bukarest. Zwar sollten die Preise in Polen logischerweise höher liegen als in Rumänien, aber ist ein solcher Unterschied zwischen Polen und Rumänien wirklich gerechtfertigt?

Warschau und Bukarest sind große Städte, welche die Wirtschaft ihrer jeweiligen Länder dominieren. Diese gehören zu den ärmeren Mitgliedsstaaten der EU und verfügen über eine ähnlich unterentwickelte, jedoch im Aufbau befindliche Infrastruktur und einen ähnlich starken Fokus auf Industrie. In Bezug auf Transparenz ist bei beiden Ländern eine stetige Verbesserung spürbar, Rumänien rangiert laut JLL Transparency Index bei der Transparenzverbesserung sogar unter den Besten.

Warum sind also Immobilienanleger bereit, 45% mehr für zukünftige Cashflows in Polen zu zahlen als in Rumänien? Die Antwort auf diese Frage lautet, dass Anleger heutzutage (bei ihrer Risikoeinschätzung) dazu tendieren, die jüngste Vergangenheit überzubewerten, die Zukunft jedoch außer Acht zu lassen.

Eine Frage der Reformen

Bei einem solchen Vergleich schneidet Polen– das einzige EU-Land, das von der Rezession im Jahr 2009 verschont blieb und 2010/2011 ein robustes Wirtschaftswachstum verzeichnete– besser ab als Rumänien, dessen Wirtschaft im gleichen Zeitraum schrumpfte und Reformen unterzogen wurde. Wie sehr auch die jüngste Outperformance Polens beeindrucken mag, stellt diese keine Garantie dar, dass das Land weiterhin die anderen hinter sich lassen wird. Trotz des Wirtschaftswachstums kam es in Polen zu einer starken Steigerung der Arbeitslosigkeit, die bis dato nicht viel nachgelassen hat. Das hohe öffentliche Defizit war in den vergangenen Jahren hoch und brachte die Staatsschulden nahe an die verfassungsmäßig festgelegte Grenze, weshalb die Regierung nun Sparmaßnahmen einführt. Zudem lässt die Konsumlaune nach, und die EU-Mittel könnten in der neuen Haushaltsperiode geringer ausfallen. Man kann trotzdem davon ausgehen, dass Polen weiterhin wachsen wird, jedoch mit einer geringeren Geschwindigkeit. Dieses Tempo wird höchstwahrscheinlich mittelfristig von Rumänien überboten, da dessen wirtschaftliche Grundlagen wettbewerbsfähig bleiben und durch die in den Zeiten des Konjunkturabschwungs eingeleiteten Reformen gestärkt wurden.

Risikobereinigte Renditen

Der Quadratmeterpreis für ein Einkaufszentrum in Warschauer Toplage ist auf einem wohl historischen Höhepunkt angelangt, was angesichts eines möglichen Konjunkturabschwungs die Frage rechtfertigt, ob die risikobereinigte Rendite auf solche Anlagen nicht zu niedrig ist. Sind Einzelhandelsflächen in Polens Toplagen bei den derzeitigen Preisen tatsächlich noch attraktiv? Wenn man, dem gesunden Menschenverstand folgend, auch auf Risikostreuung und markt- bzw. objektspezifische Risiken achtet, sollte man das Augenmerk nicht nur auf Polen, sondern ebenso auf andere Länder in der Region richten– sowohl zwecks Diversifizierung als auch um von den derzeit bereits viel attraktiveren risikobereinigten Renditen als jenen Polens zu profitieren.

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Geschrieben von:

Karel Zeman

Karel Zeman arbeitet bei CBRE Global Investors und ist Head of Research and Investment Strategies für Zentral- und Osteuropa.

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  • Erschienen am:
    17.09.2012
  • um:
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