Gut, wer in der Vergangenheit in Polen Immobilien gekauft hat. Das Land ist selbst für europäische Verhältnisse extrem stabil und zählt mittlerweile zu den großen Volkswirtschaften Europas. 115 Milliarden Euro haben die Investoren im vergangenen Jahr in Europa investiert, 11,5 Milliarden davon in CEE/SEE. Neben Russland, das 40% der 11,5 Milliarden abbekam, waren auch die tschechische Republik und Polen bei den Investoren beliebt– vor allem, da die Länder als wirtschaftlich stabil gesehen werden. Immobilien werden nämlich in ganz Europa nicht mehr singulär betrachtet, sondern als Teil der gesamten Volkswirtschaft, wobei die Länder mit geringer Verschuldung für die Investoren am attraktivsten sind. Die Größe des jeweiligen Landes spielt eine weniger wichtige Rolle. Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter der EHL: „Internationale Investoren werden 2012 wieder ein Auge auf die Slowakei, vor allem auf Bratislava werfen, da die wirtschaftlichen Daten für das Land sprechen.“
Die großen Unterschiede
Der osteuropäische Raum ist differenziert zu sehen. „Auch wenn man ihn geografisch betrachten will, muss man ihn wirtschaftlich aufteilen“, erklärt Bruno Ettenauer, Vorstandsvorsitzender der CA Immo. Polen, Tschechien und die Slowakei sind, was internationale Investments betrifft, sehr gut nachgefragt und umsatzstark. Die Wirtschaftsdaten liegen dort über dem europäischen Durchschnitt, außerdem gibt es einen guten lokalen und internationalen Bankenapparat. „Die Kapitalintensivität bei Immobilien ist sehr groß, daher ist der Markt von der Verfügbarkeit des Kapitals abhängig, und das ist in den Ländern auf jeden Fall gegeben“, so Ettenauer. Der südosteuropäische Raum, zu dem der CA-Immo-Vorstand auch Ungarn zählt, hat strukturelle Probleme, was die internationalen Investoren verunsichert, und das führt dazu, dass viele Entscheidungen verschoben werden. „In Summe sehen wir aber den CEE/SEE-Raum sehr positiv und als Immobilieninvestoren betrachten wir Entwicklungen immer langfristig“, so Ettenauer.
Osteuropa holt gegenüber Westeuropa auf
Das ist auch einer der Gründe, warum von den 115 Milliarden Euro, die in ganz Europa investiert wurden, mehr als 10% nach Zentral- und Osteuropa flossen– so viele Prozent wie nie zuvor, nicht einmal in den Boomzeiten. „Im Jahr 2007 waren es zwar 14,5 Milliarden, aber vom Gesamtvolumen nur 6% und nicht wie jetzt 10“, erklärt Andreas Ridder, Geschäftsführer CBRE Österreich und für die gesamte CEE-Region verantwortlich. Für 20% der Investmentdeals 2011 in CEE/SEE waren die deutschen Investoren verantwortlich, für 20% die Österreicher. Wobei der Kauf der Europolis durch die CA Immo AG die Hälfte des österreichischen Engagements ausmachte und statistisch zu einer Verzerrung der Investmentdaten zugunsten der heimischen Investoren führte. Auffällig ist, dass sich die angloamerikanischen Investoren immer stärker in der Region engagieren, und es ist zu erwarten, dass sie 2012 zu den wichtigsten Geldgebern zählen werden.
Schlechte Immobilien werden derzeit noch nicht angegriffen
Während in Westeuropa die Qualitätsverbesserung Treiber des Marktes ist, ist es in Osteuropa eher der Quantitätsbedarf. „Wobei man bereits von Anfang an die Projekte auf dem neuesten Stand der Technik baut und nicht den Fehler macht, sich mit Altversionen zufrieden zu geben“, so Ettenauer: „Man hat von Anfang an versucht, den Gap der Jahrzehnte dazwischen gleich aufzuholen. Ich halte das für absolut richtig.“ Wer nicht darauf geachtet hat, der hatte in den Boomjahren zwar keine Schwierigkeiten, denn da war der Renditeunterschied zwischen guten und schlechten Objekten sehr gering. Heute ist dieser Diskrepanz jedoch sehr groß geworden– bei wirklich guten Objekten liegt sie bei 5%, bei schlechten bei 10%. Trotzdem werden derzeit kaum schlechte Immobilien gekauft, auch wenn der Ertrag höher wäre. „Der Ertrag wird noch höher werden, das heißt, ihr Preis wird sinken“, ist Ridder überzeugt.
Die Schattenseiten der CEE-Immobilienwirtschaft
Und hier finden sich auch die Schattenseiten der osteuropäischen Immobilienwirtschaft: schlecht geplante Projekte, falsche Lage, Überkapazität, nicht fertig gestellte Projekte oder Einkaufszentren ohne Kunden. „Herausfordernde Immobilien“ nennen das die beiden Immobilienspezialisten Heinz Kunesch und Andreas Liebsch, die sich mit ihrem Unternehmen GO ASSET genau auf solche Einzelobjekte, aber auch Portfolios spezialisiert haben.
Kunesch: „Unsere Zielrichtung ist es, in einem schwierigen Umfeld Werte zu heben und für den Eigentümer möglichst gut zu nutzen. Oder zu refinanzieren, was bei vielen Projekten speziell im laufenden Jahr ein Thema ist.“ Zuerst gibt es eine komplette Bestandsaufnahme des Projektes, „wobei in CEE manchmal die Dokumentenlage nicht ganz klar ist“, so Liebsch. Aber auch die Finanzierung ist oft nicht eindeutig. „Die kann auch dreistöckig und über Zypern gezogen sein“, erklärt Kunesch: „Da kommt einem schon die jahrzehntelange Erfahrung zugute.“ Nach der Expertise wird ein Konzept erstellt, das alle Vor- und Nachteile aufzeigt und insbesondere konkrete Lösungsansätze bietet. „Letztlich geht es meist um eine strukturierte Verwertung“, meint Kunesch. Und die kann auch schon einmal eine Versteigerung sein. „Versteigerungen werden in CEE immer mehr zum Thema“, so Liebsch: „Die Immobilie wird nicht besser, wenn sie zwei Jahre auf der grünen Wiese steht.“
Ein Beispiel: Rumäniens Einzelhandelslandschaft
Das klassische Beispiel ist Rumänien, ein Land, in dem der Markt noch immer von traditionellen Einzelhandelsstrukturen dominiert ist. Im Land stehen in vielen kleinen Städten immer noch Einkaufsruinen herum und bei denjenigen, die noch in Betrieb sind, treibt der Konkurrenzkampf absonderliche Blüten. „Internationale Betreiber, Entwickler und Investoren bearbeiteten intensiv den Markt“, erklärt Joachim Will von der deutschen ecostra für Wirtschafts-, Standort- und Strategieberatung: „Innerhalb kürzester Zeit wurde an zahlreichen Standorten eine Vielzahl von Shoppingcentern und Retail-Parks realisiert, die in keiner Relation zur Größe der jeweiligen Städte, zu den dort vorhandenen Kaufkraftvolumina oder zur Flächennachfrage der Mieter stand.“ Die anhaltende ökonomische Krise und die damit verbundene Konsumzurückhaltung der Verbraucher führten zu steigenden Leerständen in den Centern. Der Wettbewerb um die Mieter hat sich erheblich intensiviert und dazu geführt, dass bei Neuabschlüssen von Mietverträgen nicht nur die Flächenmietpreise unter Druck geraten sind, sondern Incentives in Form von mietfreien Zeiten und „capital contributions“ in jeglicher Form üblich geworden sind. Es geht aber schon eine Stufe weiter: Nach ecostra vorliegenden Berichten von Centermanagern bezahlen an verschiedenen Standorten die Magnetmieter zwischenzeitlich keine Miete mehr, sondern nur noch Betriebskosten. Will: „Bei einigen anderen Standorten, an denen das ,Hauen und Stechen‘ der Center um attraktive Mieter besonders intensiv ist, sind solche Mieter offensichtlich bereits mit dem Verlangen an das Centermanagement herangetreten, dass auch noch die Personalkosten übernommen werden. Eine solche Situation ist noch aus keinem anderen europäischen Land bekannt.“
Aber selbst wenn es Anpassungsschwierigkeiten gab und gibt, „haben sich selbst die optimistischen Einschätzungen zu Beginn der Tätigkeit in CEE/SEE erfüllt und werden dies auch in Zukunft tun“, blickt Ettenauer in die nächsten Jahrzehnte: „Wenn man an Europa glaubt, dann muss man auch an diese Region glauben.“