Viele der aktuellen Themen hängen inhaltlich zusammen. Die Ungewissheit der globalen wirtschaftlichen Entwicklungen, die knapperen Finanzierungsmöglichkeiten und das Zusammentreffen von alternden Baby-Boomern und jungen Millennials sind und bleiben thematisch bestimmend für eine ganze Reihe von Marktsegmenten. Weitere Probleme sind die Verdichtung/Verstädterung, das politische Umfeld, Leistbarkeit von Wohnimmobilien und Kreditbeschränkungen, das Verschwinden der Mittelklasse, Energiethemen, die „Share Economy“, Coworking Spaces und das „Erlebnisshoppen“. (Ergänzende Erklärungen finden Sie weiter unten und in der Sektion „Issues and Trends“ auf www.cre.org.)
1. Veränderungen der Weltwirtschaft
Das IMF hat für 2016/17 die Wachstumsprognosen der meisten Länder der Welt gesenkt, weil die Wirtschaft weiterhin verunsichert ist. Währungsschwankungen, verringerte Exporte und ein schwacher Energiemarkt verstärken diese Unsicherheit (was sich an den Börsen Anfang 2016 ebenso zeigte wie bei der Abwertung von Saudi Arabien durch Moody’s). Auch politische Umwälzungen und Konflikte unterminieren die Stabilität.
Auswirkungen: Es kann zu einer Abschwächung der globalen Wirtschaftsentwicklung kommen. Geringere Exporte können zu verringerten oder verzögerten Investitionen, insbesondere in Häfen und Infrastruktur, aber auch in andere Immobilien und Asset-Klassen, führen. Die USA sind weiterhin attraktiv für Investoren, und die Kapitalflüsse sind weiterhin stark, sie könnten aber am Ursprungsort (China, Naher Osten und Europa) unter Druck geraten. Ein starker Anstieg der chinesischen Immobilienkäufe hob ihre Fünfjahres-Investitionsrate nach einer Studie der Asia Society and Rosen Consulting Group auf 110 Milliarden Dollar.
2. Beschränkungen im Kreditmarkt
Der Markt für Immobilienkredite ist stark zurückgegangen. Die Regulationsbehörden zwingen die Banken, CRE-Kredite (das sind 50% des Kreditmarktes) zu beschneiden, während gleichzeitig die CMBS-Märkte einbrechen. Es besteht keine Aussicht, dass die Legislative die Probleme dieser ab Sommer 2016 gültigen Zurückhaltungspolitik rechtzeitig entschärft. Viele Versicherungsunternehmen erreichen demnächst ihre Investitionsziele.
Auswirkungen: Die Suche nach CRE-Krediten wird immer schwieriger werden. 2016/17 wird das zu einer Kapitalknappheit führen. Der Zugang zu Krediten wird weiter erschwert, was für etwaige andere – weniger streng regulierte – Kapitalgeber eine Marktchance bedeutet.
3. Demografische Umschichtungen
Millennials (Menschen zwischen 18 und 35) haben die Baby-Boomers (51-69) zahlenmäßig überholt, aber beide sind weiterhin wesentliche Nutzer von Immobilien. Etwa 10.000 amerikanische Baby-Boomer gehen täglich in Pension. Die Zahl der über 90-Jährigen hat sich seit 1980 verdreifacht und soll laut U.S. Census Bureau in den nächsten 40 Jahren auf über 7,5 Millionen steigen. Zwischen alten und jungen Haushalten entsteht Konkurrenz um die gleichen Wohnungen. Die Millennials haben dabei im Schnitt weniger Mittel zur Verfügung und leben häufig noch bei ihren Eltern.
Auswirkungen: Mehrparteien-Häuser sind immer noch ein Wachstumsmarkt, wobei die Anforderungen gestiegen sind. Wohnmöglichkeiten für beide Bevölkerungsgruppen stellen Investitionsoptionen dar. Im Einzelhandel geht der Trend zum „Erlebnisshopping“ mit Kauf-/Ess- und Unterhaltugsangeboten weiter, aber die allgemeine Kaufkraft sinkt. Baby-Boomer wollen zwar meist zu Hause alt werden, dennoch bieten Diensleistungseinrichtungen im medizinischen und Betreuungsbereich Chancen für Entwicklung. Im Allgemeinen werden Mietverhältnisse zu- und Eigentum abnehmen.
4. Verdichtung/Verstädterung
Öffentliche Verkehrsmittel und Fußgängerfreundlichkeit sowie umfangreiche Arbeits, Freizeit- und Unterhaltungsangebote ziehen weiterhin Menschen aller Altersstufen in die Städte und deren Umgebung. Die Kernzonen sind aufgrund ihres Wachstums umd ihrer Dynamik für neue Bewohner und Unternehmen besonders attraktiv.
Auswirkungen: Immer mehr hochdichte Zentren mit Mehrfachnutzung entstehen, etwa „The Domain“ in Austin und „West Loop“ in Chicago. Sie bieten Luxuswohnungen, Verkaufsflächen, Arbeitsplätze, Unterhaltungsbetriebe, Parks und Versammlungsorte. Neue „Innovationszentren“ und „Bildungszentren“ werden entstehen. Sie repräsentieren dynamische Märkte und kulturellen Nährboden. Vorstädte stehen unter dem Druck, „urbaner“ zu werden.
5. Politische Rahmenbedingungen
Die politische Lage hat sich auf allen Ebenen (global, national, in Staaten und Gemeinden) verschärft, was sich auf private und unternehmerische Investitionsentscheidungen negativ auswirkt. Das Vertrauen in die Politik ist allgemein sowie in Steuer- und sozialen Fragen gesunken. Soziale Medien ermöglichen die Verfolgung und öffentliche Diskussion politischer Themen.
Auswirkungen: Das aktuelle politische und steuerliche Umfeld eines jeden Ortes ist jederzeit ersichtlich und Information findet unmittelbar statt. Dadurch entsteht ein verstärktes Bewusstsein, das Entscheidungen bezüglich Wohnort, Firmengründungen oder Reiseziele beeinflusst. Orte mit stabiler Politik und guter Infrastruktur können wachsen, während solche, die ein negatives Umfeld darstellen, langfristig ihr wirtschaftliche Lebensfähigkeit verlieren könnten.
6. Leistbarer Wohnraum und Kreditverfügbarkeit
Im Wohnungsmarkt gibt es zunehmend Probleme, weil Wohnraum immer schwerer leistbar wird und mit Kreditbeschränkungen verbunden ist, was sowohl den Eigentums- als auch dem Mietbereich belastet. Strenge Kreditregeln hindern viele Haushalte daran, Eigentum zu erwerben, weshalb der Bedarf an Mietwohnungen steigt. Das begrenzte Angebot an Eigentumswohnungen und stagnierende Einkommen erschweren die Leistbarkeit. Mehrparteienhäuser werden weiterhin gebraucht, aber der Anteil der Wohnkosten am Einkommen steigt in vielen Gegenden. Wenn diese Entwicklung fortschreitet, wird sie für junge Familien und Arbeitskräfte bald ebenso zum Problem werden wie für alternde Baby-Boomer.
Auswirkungen: Der Bedarf an Mietobjekten wird weiter groß bleiben, die Mieten werden jedoch nicht mehr so rasch steigen. Für Millennials bieten sich Micro-Appartments als leistbare Alternative an. Einfamilienhausbesitz hat noch Entwicklunsspielraum, wobei zunehmend „Starter Homes“ entstehen. In manchen Gegenden wird Baugrund zur Mangelware.
7. Das Verschwinden des Mittelstandes
Das Wohlstands- und Einkommensgefälle nimmt weiter zu. Viele Messgrößen zeigen stagnierende Einkommen und Vermögen. Laut einer aktuellen Studie von Pew Research fiel das Durschschnittseinkommen der Mittelstandshaushalte von 2000 bis 2014 um 5%. Das Durchschnittsvermögen (Besitz minus Schulden) fiel durch den Zusammenbruch des Wohnungsmarktes und die anschließende Wirtschaftskrise um 28%. Gleichzeitig sind viele große Ausgabeposten, z.B. für College und Gesundheitsvorsorge, stark gestiegen. Das Vertrauen auf eine sichere Pension schwindet aufgrund der steigenden Kosten und der sinkenden Beiträge aus den betrieblichen Pensionskassen. In immer mehr Haushalten sind daher zwei Personen berufstätig. 1960 hatten noch 72% der Familien mit zwei Elternteilen und Kindern unter 18 einen einzigen Ernährer (meist den Vater), 2010 waren es nur noch 37%, 60% hatten zwei berufstätige Familienmitglieder. Gleichzeitig fallen die Millennials bezüglich Besitztum und Einkommen weiter zurück. Viele von ihnen haben auch Kredite für ihr Studium aufgenommen.
Auswirkungen: Mitteldstandsorientierte Händler wie Sears oder Macy’s mussten Filialen schließen. Die Kaufkraftschere erzeugt neue Gelegenheiten für einen diversifizierten Markt. Am unteren Ende haben sich Walmartund Dollar General etabliert, während sich Neiman Marcusoder Tiffany im Luxussegment bewegen. Stagnierende oder sinkende Kaufkraft verringert die Wahlmöglichkeiten der Wohnungssuchenden. Mehrparteienhäuser und leistbare Wohnmöglichkeiten sind Optionen. Luxusobjekte (Malls, Büros, Hotels und Handel) entwickeln sich gut. Im mittleren Segment ist der Markt jedoch schwach. Mittelfristig werden Mietverhältnisse auf Kosten von Eigentum steigen. Ein Mangel an Haus- und Geschäftseigentum mit dem daraus folgenden Investitionsrückgang in den Kommunen kann durchaus zu sozialen Unruhen führen.
8. Energie
Jede Instabilität im Rohstoffsektor bedroht die Sicherheit der Weltwirtschaft. Derzeit ist der Energiemarkt in ständiger Bewegung. Der diesjährige Absturz des Ölpreises brachte die Wirtschaft in eine gefährliche Lage. Die Kapitalmärkte haben reagiert: Saudi-Arabiens Kreditwürdigkeit wurde von Moody’s herabgestuft. In manchen Märkten wie etwa in Houston oder North Dakota wurden strengere Regeln für kommerzielle Immobilienkredite verabschiedet.
Auswirkungen: Die US-amerikanische Ölproduktion ist drastisch gesunken. Die Anzahl der Bohrtürme ist auf das geringste Niveau seit 50 Jahren zurückgegangen. Das hat Folgen für Beschäftigung und Wirtschaft. Viele Investoren überdenken ihre Planungen. Alternative Energiequellen werden weiterhin attraktiver. Der Energiehunger Chinas könnte den Trend drehen, aber der Energiemarkt bleibt vorerst volatil.
9. Share Economy und „Virtuelle“ Wirtschaft
In Zeiten der Unsicherheit, während sich die Auswirkungen der Wirtschaftskrise nur langsam abschwächen, sehen wir das Entstehen von „Share Economy“ und „Virtueller Wirtschaft“. Unternehmensgründungen wie Airbnb, UBER oder Fahrradsharing-Dienste wie Divvy bieten Alternativen zur Lösung von Unterbringungs- und Transportproblemen, aber auch Beschäftigung. Als Ergänzung zu traditionellen Finanzierungsquellen hat sich das Crowdfunding für diverse Investitionen – auch bei Immobilien – etabliert.
Auswirkungen: Bisher waren Versuche, die neuen Dienste zu regulieren, wenig erfolgreich, und die Unternehmen werden wohl weiterhin die ökonomische Landschaft umpflügen und die Lebensfähigkeit ihrer traditionellen Konkurrenten in Frage stellen. Neue Mitbewerber und wechselnde Nachfrage werden schwächere Spieler aus dem Markt drängen (denken Sie etwa an die sinkende Nachfrage nach Taxilizenzen). Coworking Spaces wachsen wie die Pilze aus dem Boden. „Virtuelle“ Büros bieten Annehmlichkeiten wie Empfangsdamen, Posteingangsstellen und kurzfristig verfügbare Schreibtische. Wie so oft werden viele dieser Neuerungen aus bewegten Zeiten langfristig zu akzeptierten Elementen der Wirtschaft werden.
10. Erlebnis-Shoppen
Traditionelle Handelsunternehmen reagieren auf Veränderungen durch Anpassung. Große Einzelhändler schließen Filialen und verlagern ihre Aktivitäten in den Online-Bereich. Während sie sich einschränken und ihre Wirtschaftsmodelle überprüfen, boomen große Onlinehändler. Amazon hat Walmart den Rang als größter Einzelhändler nach Umsatz längst abgenommen. Daraus ergeben sich sowohl Herausforderungen als auch Chancen.
Auswirkungen: Das Einkaufszentrum als Destination gewinnt an Bedeutung. Malls werden zu „Erlebniswelten“ umgestaltet und bieten Dienstleistungen und Showrooms (etwa von Tesla), wobei letztendlich viele Käufe online durchgeführt werden. Das Konzept des „Anchor-Store“ wird neu definiert, und es entstehen hochwertige „Food Courts“ an Stelle von Warenhäusern. Zentren mit gemischter Nutzung (Hotels, Restaurants und Sportmöglichkeiten wie z.B. Bowling, kombiniert mit herkömmlichen Geschäften) sind ein Wachstumsmarkt. Rechnen Sie mit neuen Ideen des Handels, um Kunden anzulocken, wie etwa mit dem Entstehen neuer lokaler und regionaler Geschäfte auf Kosten der großen Ketten – ein Versuch, das Einkaufserlebnis einmaliger zu gestalten. Da sich jetzt abzeichnet, dass einer der am stärksten wachsenden Handelsimmobilien-Investment-Märkte der letzten Jahre abzukühlen beginnt, prüfen viele Immobilieneigentümer ihre Bestände und überlegen, was sie behalten und was sie abstoßen sollen. Kernbesitztümer in größeren MSAs oder „guten“ Gegenden sind immer noch begehrt, aber viele Investoren haben sich bereits Zweit- oder gar Drittmärkten zugewandt, weil die Margen dort weit höher sind, und wählen Credit Tenancy anstatt einer guten Lage.
Aus dem Englischen übersetzt von Lukas Drechsel-Burkhard, bearbeitet von Walter Senk.