Während wir zur Miete wohnten, hatten wir unsere 50.000 US-Dollar, die wir vom Verkauf des Na Taat Paal in Belize lukriert hatten, auf unserem Bankkonto zwischengelagert. Nach dem Wechsel von US-Dollar in Euro war unser finanzieller Polster auf etwa 35.000 Euro geschrumpft. Wir fingen nun an, die üblichen Immo-Webseiten wie www.immodirekt.at, www.immobilien.net und www.willhaben.at nach leistbaren Immobilien in Österreich zu durchforsten.
Die Österreicherin war einen Monat vor mir in ihr Heimatland zurückgekehrt und schaute sich in Orten wie Retz und Haugsdorf nach Häusern um. Als ich am Flughafen Schwechat eintraf, war sie drauf und dran, einen Mietvertrag für eine Genossenschaftswohnung in Purkersdorf zu unterschreiben. Diese war ziemlich überbezahlt und erinnerte mich an eine Schuhschachtel. Außerdem komme ich von der Denkschule, dass man, anstatt für eine Wohnung zwischen 800 und 1.500 Euro zuzüglich Betriebskosten pro Monat zu bezahlen, das Geld doch wesentlich besser in einer Hypothekarrückzahlung veranlagt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man damit Eigentum an einem Haus begründen oder Renovierungskosten für eine Wohnung decken kann.
Ich konnte die Österreicherin überzeugen, dass wir gemeinsam weitersuchen mussten. Während wir uns nach Angeboten innerhalb einer Autostunde von Wien umsahen, versuchte sie, mir den Unterschied zwischen dem Leben am Land und in der Stadt klarzumachen und dass es Ortschaften gab, die für sie völlig unakzeptabel waren. Ich vertrat die Meinung, dass, wenn wir etwas fänden, was wir uns leisten konnten, der Ort nebensächlich wäre. Sie meinte, in Österreich wäre das ganz anders als zum Beispiel in den USA.
Eines Nachmittags, als wir uns über unsere unterschiedlichen Sichtweisen gerade langsam einig wurden, zeigte sie auf ein Angebot im Internet: Gars am Kamp, 35.000 Euro – und dieser Platz hatte etwas. An einem der darauf folgenden Tage trafen wir uns mit dem Immobilienmakler des örtlichen Anbieters in einem kleinen, familiengeführten Gasthaus in Gars, um die in der Nähe befindliche Liegenschaft zu inspizieren.
Als wir durch das Eingangstor gingen, schoss mir durch den Kopf: „Ist die Österreicherin nun schon von allen Sinnen?“ Es stellte sich heraus, dass das Haus gegen Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut worden war – und offensichtlich schon einmal bessere Tage gesehen hatte. Es hatte einen L-förmigen Grundriss und an jedem Ende eine Scheune. Gleich nach der Eingangstür links war ein Zimmer, in dem ein Loch in der Decke klaffte. An der rechten Seite war die Küche mit einem großen Holzofen, der aussah, als würde er jeden Augenblick auseinander fallen. Noch schlimmer: Als wir die Küche betraten, löste sich der Boden unter der Last unserer Füße auf. Staub schwebte durch die Luft. Ein Raum war bestückt mit einem Biedermeierschreibtisch und einem Kasten, darüber wachte ein altes Foto einer betagten Frau mit regungslosem Blick, die eines dieser typischen Kopftücher umgebunden hatte.
In jeder Ecke und jedem Winkel befanden sich Werkzeuge jeglicher Art, die an einen Bauernhof erinnerten, von Sicheln über Rechen und Schaufeln bis zu Hämmern und Spaten. Hoch aufgestapelt im Vorgarten war ein Holzstoß, obendrauf eine seltsame Sammlung von alten metallenen Reklameschildern für Toiletteartikel aus der Jahrhundertwende. In einer der beiden angebauten Scheunen lagen Dachziegeln und schier unendliche Vorräte an Brennholz herum, in der anderen stand ein alter VW-Käfer. Obwohl das Haus „gekauft wie gesehen“ zum Verkauf stand, war der VW leider nicht im Preis inkludiert.
Auf der Rückfahrt von Gars nach Wien überlegten wir, was sich aus diesem Haus alles machen ließe und ob wir ein formelles Kauf-Offert legen sollten. Wir reisten per Bahn, da wir kein Auto besaßen, und so hatten wir jede Menge Zeit dafür. Die Österreicherin ließ sich nicht von ihrer „Vision“abbringen, wie man dieses Besitztum zu einem Schmuckstück machen könnte. Doch es war uns beiden klar, dass auf jeden Fall umfangreiche Renovierungsarbeiten nötig waren, um dort überhaupt erst einmal leben zu können.
Am nächsten Tag fixierten wir einen Termin mit dem Immobilienagenten in seinem repräsentativen Büro in Wien – mit dem Hintergedanken, herauszufinden, wie weit der Verkäufer mit dem Preis heruntergehen würde, doch der Makler war dabei keine große Hilfe. Er schlug vor, wir sollten am besten direkt mit dem Eigentümer verhandeln. Also fuhren wir gleich am nächsten Tag wieder mit der Bahn nach Gars am Kamp. Auf der Fahrt entschieden wir, dem Eigentümer 30.000 Euro zu bieten und auf keinen Fall höher als 33.000 zu gehen. Ich überließ es der Österreicherin, das letzte Anbot zu übermitteln, während ich im Dorfgasthof auf sie wartete.
Der Verkäufer kam zunächst mit einem Gegenoffert, doch akzeptierte er letztlich unsere 33.000 Euro zuzüglich Gebühren. Die Österreicherin unterzeichnete das offizielle Anbot mit vereinbartem Stichtag 10. Jänner. Sie war nun hochschwanger mit unserem zweiten Kind und die Geburt konnte jeden Tag sein, doch sie dachte, bis zum 10. Jänner wäre schon alles gelaufen und das ginge sich daher locker aus. Letztlich mussten wir dann um Fristverlängerung ansuchen, denn unsere Tochter ist just erst am 10. Jänner auf die Welt gekommen. In der Zwischenzeit hatten wir eine Unterkunft ausfindig gemacht, wo wir uns während der Renovierung des Hauses einmieten konnten, und so wurden wir offiziell Einwohner von Gars am Kamp.
Die tatsächlichen Auswüchse dessen, worauf wir uns nun eingelassen hatten, bekamen wir gleich am ersten Tag zu spüren, als wir das Amt des Bürgermeisters aufsuchten. Nach einem herzlichen Willkommensgruß fragte er uns, ob wir uns des Problems mit dem Haus bewusst wären? Wie es die Geschichte will, hatte der Verkäufer nach langem Hin und Her mit dem Gemeindeamt einige Jahre zuvor das Haus vom Wohnraum zum Lagerraum umwidmen lassen, um die jährlichen Abwassergebühren zu sparen. Die Crux für uns war nun, dass für die Rückwidmung auf Wohnraum aufgrund der Baurechtsbestimmungen sämtliche behördlichen Auflagen erfüllt werden mussten, was bei einem derart alten Bestand wohl nicht zur Gänze durchgehen würde …