Das exponentielle Wachstum in Wien spiegelt nicht nur die Attraktivität und Bedeutung der Stadt wider, sondern verdeutlicht auch den weltweiten Trend der Urbanisierung. Es sind insbesondere die Chancen individueller Lebensformen und das größere Angebot am Arbeits- und Wohnungsmarkt, die immer mehr Menschen in Großstädte treiben. Doch wo sollen die 25.000 neuen Wienerinnen und Wiener pro Jahr wohnen, wenn das Angebot an Wohnraum immer knapper wird?
Im Jahr 2050 werden bereits 70% der Weltbevölkerung in städtischen Zentren leben. Wirft man freilich einen Blick auf die explodierenden Megacities der Schwellen- und Entwicklungsländer und auf die dort entstehenden sozioökonomischen Ungleichheiten, so gibt es allemal Grund zur Sorge.
Doch Wachstum kann und muss positiv genutzt werden. Mit steigenden Einwohnerzahlen steigt auch der Bedarf an leistbarem Wohnraum. Wien benötigt demnach jährlich rund 15.000 neue Wohnungen, was zu einer sich ständig vergrößernden Kluft zwischen Angebot und Nachfrage führt, die mitunter steigende Preise von Mieten und Eigentumswohnungen zur Folge hat. So sind etwa die privaten Mietkosten von 2005 bis 2015 mehr als doppelt so stark gestiegen wie Einkommen und Inflation.
Schrumpfende Haushalte
Die Prognose über schrumpfende Personenhaushalte unterstützt diese Entwicklung. Während um 1970 durchschnittlich noch drei Personen pro Haushalt verzeichnet wurden, sind es heutzutage nicht einmal mehr zwei Personen. Gleichzeitig verdoppelten sich die Quadratmeter an Wohnfläche pro Person durchschnittlich auf rund 45 Quadratmeter. Hinzu kommt die vermeintlich große Anzahl von mehr als 1,3 Millionen Singlehaushalten in Österreich, was die Wohnungsknappheit in Wien definitiv zuspitzt.
Dieser Entwicklungsprozess geht also mit gewissen „Wachstumsschmerzen“ einher, die gerade in Bezug auf den Wohnungsbedarf schwerwiegende Problemlagen schaffen. Veränderungstendenzen der Stadtverdichtung und Flächenbeanspruchung, aber auch Mietpreissteigerungen und wachsende soziale Segregation schaffen neben Konfliktlagen wie Klimaanpassung und erneuerbaren Energieformen in der Stadtentwicklung neue Anforderungen.
Mobilitäts- und Wohnstandortbedürfnisse
Damit gemeint sind unter anderem veränderte Altersstrukturen und Lebensweisen, die neue Mobilitäts- und Wohnstandortbedürfnisse mit sich bringen. Bei der notwendigen Wohnraumschaffung sollte das Hauptaugenmerk dementsprechend auf der Flächenaktivierung durch neue Formen der Liegenschaftspolitik, durch die Umnutzung von Gebäuden sowie eine spezielle Loslösung vom Kriterium des Höchstangebots liegen. Diese Kernaufgaben für eine gewisse nachhaltige Stadtentwicklung erfordern außerdem neue Formen der Informationsbereitstellung, der Aktualisierung stadttechnischer Infrastrukturen sowie auch der gesellschaftlichen Integration.
Im Wohnstil der Zukunft scheint alles „smart“ zu werden, und Wien nimmt in Bezug auf Smart Cities eine Vorreiterrolle ein. Es vereint in gewisser Weise Natur und Technik, wobei die Entwicklung internationaler Vernetzung und eine wachsende „App-Community“ das Zeitalter der Digitalisierung weiterhin prägen. Ob es daher jemals ein nennenswertes Comeback des Dorfes geben wird, bleibt nach aktuellem Stand der Dinge fraglich. Denn die Stadt der Zukunft verführt.