Haben wir derzeit die größte Challenge im Wohnbau, die es je gab?
Winfried Kallinger: Ja und nein. Es gibt Aspekte, die verglichen mit früheren Krisen nicht so dramatisch sind und nur so klingen. Da habe ich schon anderes erlebt. Die Krise von 2008 bis 2010 war weitaus schlimmer – damals waren überhaupt keine Finanzierungen zu bekommen, denn die Banken hatten selbst kein Geld. Da war Panik gerechtfertigt. Wir sind in den letzten zwölf Jahren ungeheuer verwöhnt gewesen, weil uns das Geld nachgeschmissen wurde. Jetzt ist Normalität eingekehrt, und das wirkt sich aus. Der Abschied von diesen zwölf Jahren ist so rasch erfolgt – mit vielen Zinsschritten in kürzester Zeit –, da entsteht schnell ein Untergangsszenario. Von den nüchternen Fakten her ist es meiner Meinung aber nicht gerechtfertigt.
Wir hatten auch schon zwölf Prozent Zinsen.
Die Höhe der Zinsen macht die Situation natürlich heftiger. Potenzielle Investoren geben sich mit der bisherigen Rendite der Immobilie nicht zufrieden. Der Wert der Immobilien bröckelt schon. Bilanzwerte werden korrigiert werden müssen, und dann entstehen Probleme – zumindest Wertprobleme.
Inwiefern?
Wenn ich als bewertungspflichtiges Unternehmen bisher einen Ertragswert von drei Prozent errechnet habe und jetzt vier Prozent kalkulieren muss, dann habe ich nicht ein Prozent Wertverlust, sondern ein Drittel vom alten Wert. Das ist der Bilanzverlust. Besonders schlimm, wenn ich bei der Nullzins-Politik zu optimistisch war. Es gibt jetzt höhere Renditeerwartungen und damit niedrigere Werte. Für Private sollte es kein Problem sein, aber für bewertungspflichtige Unternehmen ist es eines. Wenn sie gut kapitalisiert sind, ist die Gefahr allerdings nicht so groß. Probleme haben übrigens auch Privatpersonen, die eine Anlageimmobilie mit hoher Finanzierung erworben haben.
Dazu wirken sich hemmungslose Preisrallyes und Preiserhöhungen in Bereichen aus, wo wir sie in diesem Ausmaß bisher nicht kannten. Zum Beispiel bei Baupreisen und Liegenschaften. Gleichzeitig kommt es zu einer deutlichen Verlangsamung der Nachfrage.
Die Konsequenzen?
Das alles führt zu einer Marktbereinigung, und ich hoffe, man denkt später daran, dass man nicht alles zu allen Preisen zusammenkaufen muss. Man muss auch Nein sagen können. Die Partystimmung ist vorbei, und das ist gut so.
War die aktuelle Situation vorauszusehen?
In meinen Augen ja, aber ich habe jahrelang nicht recht gehabt, da ich viel früher mit einer derartigen Entwicklung gerechnet habe, die Rallye aber immer weitergegangen ist. Bis jetzt.
Jetzt herrscht Katerstimmung.
Ja. Im Immobilienbereich ist die Lage schwierig, weil Vergangenes schwer korrigierbar ist. Wenn das Grundstück zu teuer eingekauft wurde, fremdfinanziert ist und die Nachfrage zurückgeht, dann kauft es einem niemand zu überhöhten Kosten ab. Die zu hoch fremdfinanzierten Entwickler werden ein Problem haben. Die Zeit ist gut für eigenkapitalstarke Unternehmen, die das durchtauchen können.
Man sieht, dass die Menschen auf Miete ausweichen.
Das wird auch zu einem Problem, weil die Einkommensentwicklung nicht mit der Kostenentwicklung harmonisiert. Meiner Meinung nach ist die Nachhaltigkeit der Mieteinnahmen nicht unbedingt gewährleistet. Wir haben bei einem eigenen Projekt nur eine Mieterhöhung von vier Prozent verrechnet statt neun. Die Leute können sich die Miete sonst nicht mehr leisten. Die Konsequenz wären mühsame Räumungsklagen und damit einhergehend die Leerstandsproblematik oder andere negative Entwicklungen.
Ist es derzeit bei der großen Nachfrage nach Miete nicht leicht, einen Nachmieter zu finden?
Nein, ich glaube, das ist nicht so einfach. Der Mietmarkt ist kostensensibel. Die Miete wird aus dem laufenden Einkommen bedient, und sobald die Lebenshaltungskosten steigen, kann man sich die Miete nicht mehr leisten. In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld verdient ein potenzieller Nachfolger auch nicht mehr. Die Steigerung ist durch die Indexierung bedingt, und die Löhne ziehen nicht so schnell nach.
Ist Ihrer Meinung nach die Indexierung zu hoch?
Da muss man unterscheiden. Die Branche sagt zwar, dass der Baukostenindex höher ist als der Lebenshaltungsindex, aber das eine hat nur bedingt mit dem anderen zu tun. Meines Erachtens bräuchte es einen eigenen „Wohnindex“, unabhängig von der steigenden Inflation. Dieser Index sollte die langfristige Werterhaltung der Immobilie abbilden und zur Erhaltung der Immobilie dienen. Er sollte nicht von Kostensteigerungen bei Gütern des täglichen Bedarfs abhängen. Etwas ketzerisch gesagt: Wenn ich mit einer Rendite von vier Prozent kalkuliere und neun Prozent bekomme, weil die Butter und die Bananen teurer werden, dann ist das nicht seriös.
Ich würde mir daher eine Mietpreiserhöhungsbremse überlegen. Das heißt, dass die Indexierung nicht so hoch wäre, wie sie jetzt angesetzt wird. Vermieter werden um nichts ärmer. Wenn ich zum Beispiel fix finanziert bin, dann habe ich bei der Bank auch keine Wertsicherung, und die Zinsen bleiben gleich. Die Rückzahlungsrate erhöht sich ja nicht.
Bleibt die Immobilie als Anlageprodukt attraktiv?
Aber sicher! Wenn ich jährlich eine vierprozentige Ertragssteigerung habe bei einer Investition, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, dann ist das ein höchst interessantes Anlageprodukt. Wenn der Ertrag zu vier Prozent wertgesichert ist, dann halte ich das für eine höchst attraktive Anlage.
Und ganz ehrlich: Die Finanzierung und die steigenden Zinsen haben mit dem Kapitalmarkt zu tun und nicht mit den Lebenshaltungskosten – das muss ich ganz klar trennen.
Wie reagiert KALLINGER PROJEKTE auf die derzeitige Situation?
Wir stellen unser aktuelles Projekt „Villa Dostal“ auf Mietkauf um. Ein kleines Projekt, aber es ist ein Testballon. Die Gemeinnützigen kennen das ja schon lange aus der Wohnbauförderung, aber wir haben ein anderes System entwickelt.
Können Sie das Modell kurz beschreiben?
Wer jetzt kauft, zahlt ein Optionsgeld von zehn bis 15 Prozent des aktuellen Werts der Immobilie und eine Miete, die leicht unter dem Marktniveau liegt. Das ist eine gewisse Basisabdeckung der Anlaufkosten unseres Projekts. Nach zehn Jahren kann die Wohnung gekauft werden. Das Optionsgeld wird natürlich angerechnet. Der Preis der Immobilie orientiert sich nicht an der Marktlage, sondern an einer Wertsteigerung von minimal zwei bis maximal vier Prozent im Jahr. Wenn jemand nicht kauft, dann bekommt er das Optionsgeld wieder zurück, allerdings nicht wertgesichert.
Unser Modell ist für die Käufer voll kalkulierbar, und es gibt keine Überraschungen. Man kann sich bereits im Vorfeld ausrechnen, was die Immobilie höchstens oder mindestens kosten wird.
Wie gesagt, die gemeinnützigen Bauträger machen das in einer etwas anderen Form, aber die Gewerblichen haben diese Idee nie aufgegriffen. Ich glaube, dass das Modell Zukunft hat. Wenn die Idee angenommen wird, dann werden wir sie auch bei anderen Wohnprojekten implementieren.