Zwar hat der Neubau in den vergangenen Jahren spürbar angezogen, bleibt aber noch immer hinter dem Bedarf zurück. Die Ursachen sind vielfältig: fehlendes Bauland, schleppende Genehmigungsverfahren, mangelnde Baukapazitäten. Eine weitere Ursache wird allerdings häufig unterschätzt: Finanzierungsengpässe. Für Privatanleger erwächst daraus eine Chance.
Angespannter Wohnungsmarkt
Mehr als 306.000 neue Wohnungen sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums im Jahr 2020 in Deutschland fertiggestellt worden. Seit Jahren steigt der Zubau kontinuierlich an, auch für 2021 ist ein leichter Anstieg zu erwarten. Doch ausreichend ist er noch lange nicht: Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hält einen jährlichen Neubau von mindestens 350.000 neuen Wohneinheiten für erforderlich. Die neue Bundesregierung hat sich mit 400.000 pro Jahr ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Ob es auch erreicht werden kann, wird sich zeigen. Zumal der Neubau auch dort entstehen muss, wo der Bedarf am größten ist, nämlich in erster Linie in den großen Städten, wo der Platz begrenzt und die Grundstückspreise hoch sind. Die Ursache für die steigende Nachfrage ist nicht nur im Zuzug in die Städte zu sehen, sondern auch in der durchschnittlichen Haushaltsgröße, die gesellschaftlich bedingt schrumpft. Damit geht eine steigende Anzahl an Haushalten sowie ein wachsender Flächenbedarf pro Kopf einher, welcher nach zwei Jahren Corona und Homeoffice sogar noch steigen könnte. Seit der Jahrtausendwende ist die Anzahl der Privathaushalte in Deutschland von 37 Millionen auf 41 Millionen gestiegen.
Vergleichbar ist die Situation in Österreichs Großstädten, vor allem in Wien. In ganz Österreich sind 2020 – ähnlich wie in den Vorjahren – etwa 70.000 Wohnungen fertiggestellt worden, pro Kopf also etwa doppelt so viele wie in Deutschland, davon 14.000 in Wien. DIW Econ, das Beratungshaus des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), geht jedoch von einem zusätzlichen Bedarf von 110.000 Wohnungen bis 2030 in der Bundeshauptstadt aus. Ein Grund ist das höhere Bevölkerungswachstum in Österreich, speziell in Wien, in den vergangenen Jahren. Hinzu kommt, dass viele Wohnungen in Wien in kommunaler oder genossenschaftlicher Hand sind und der freie Wohnungsmarkt somit begrenzt ist.
Flaschenhals Finanzierung
Neuer Wohnraum wird also dringend benötigt. Dass es sich ausgerechnet bei der Finanzierung neuer Wohnungen um einen Engpass handeln soll, mutet angesichts des Markt- und Preisumfelds zunächst überraschend an: Die Nachfrage nach Wohnraum ist vorhanden, die Verkaufspreise steigen konstant und die Zinsen sind historisch niedrig. Warum also handeln Banken bei der Vergabe von Projektfinanzierungen im Wohnungssegment zögerlich?
Die Ursache für den „Flaschenhals Projektfinanzierung“ ist regulatorischer Natur: Banken und Sparkassen als klassische Immobilienfinanzierer müssen wie bei jeder Darlehensvergabe einen bestimmten Eigenkapitalpuffer vorhalten. Wie hoch dieses Haftungskapital ausfällt, errechnet sich anhand einer Risikogewichtung, welche wiederum von der Art des Darlehens, den Sicherheiten, Laufzeiten und weiteren Parametern abhängt. So muss die Finanzierung einer Unternehmensgründung mit mehr Eigenkapital unterlegt werden als ein Kredit an ein etabliertes Unternehmen oder als eine private Hausfinanzierung, während die Staatsfinanzierung in der Regel ohne Haftungskapital möglich ist.
Diese Eigenkapitalregeln werden vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht festgelegt und von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt. Seit der Finanzkrise ist die Baseler Eigenkapitalregulierung sukzessive strenger geworden, das heißt, es muss für die meisten Finanzierungen mehr Eigenkapital hinterlegt werden. Die aktuelle Regulierungsstufe lautet Basel III und soll nach mehrfacher Verschiebung Anfang 2023 abermals verschärft werden – die Rede ist dabei in der Branche schon von Basel IV. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) erwartet für deutsche Kreditinstitute einen Anstieg der Eigenkapitalanforderungen um mehr als 30 Prozent.
Suche nach alternativen Finanzierungspartnern
Die Finanzierung von Immobilienprojektentwicklungen ist davon stark betroffen. Banken und Sparkassen müssen entweder deutlich größere Eigenkapitalreserven aufbauen oder sie müssen sich beim Neugeschäft zurücknehmen. In der Immobilienfinanzierung kommt erschwerend hinzu, dass sich die offiziellen Beleihungswerte, welche die Kreditinstitute zur Berechnung ihrer regulatorischen Eigenkapitalanforderungen heranziehen müssen, in den vergangenen Jahren immer weiter von den tatsächlichen Marktwerten und Investitionssummen entfernt haben. Die Folge ist, dass sich die Banken auf immer kleinere Finanzierungsanteile der immer größeren Investitionssummen beschränken. Die Coronapandemie gießt nun abermals Öl ins Feuer. Angesichts der zeitweise unklaren konjunkturellen Entwicklung mussten viele Institute die eigene Risikovorsorge im Bereich der Firmenkredite stärken. Dies bindet erneut Eigenkapital der Banken und schränkt die Kreditvergabe für dringend benötige Wohnungsbauvorhaben zusätzlich ein.
Projektentwickler stehen damit vor einer größer werdenden Finanzierungslücke: Einerseits beschränken sich die klassischen Finanzierer auf immer kleinere Anteile vom gesamten Kuchen. Andererseits können die Entwickler diese Lücke nicht grenzenlos mit eigenem Kapital füllen. Das Eigenkapital der Entwickler ist begrenzt und häufig in anderen Projektentwicklungen gebunden. Um die erforderlichen Bauprojekte dennoch umzusetzen, halten mehr und mehr Projektentwickler daher nach alternativen Finanzierungspartnern Ausschau.
Rettung in der Kapitalnot durch alternatives Mezzanine-Kapital
Diese drei Faktoren – Baseler Eigenkapitalregulierung, offizielle Beleihungswerte, Coronapandemie – erklären die wachsende Bedeutung alternativer Finanzierungsgeber bei der Immobilienprojektentwicklung. Zu diesen alternativen Finanzierern zählen spezielle Kreditfonds, Versicherungen, aber auch private und institutionelle Anleger mittels Nachrangdarlehen und ähnlicher Instrumente. Oftmals handelt es sich dabei um Hybrid- oder Mezzanine-Kapital, also eine Mischform aus Fremd- und Eigenkapital, das speziell die Lücke zwischen Bankfinanzierung und Eigenkapital des Projektentwicklers schließen soll. Gemäß aktuellem Quartalsbarometer von BF.direkt (Q4/2021) führt Mezzanine-Kapital mit 37 Prozent die Rangliste der wichtigsten alternativen Finanzierungsformen an. Bedeutung und Professionalisierung des Mezzanine-Markts haben demnach in der Coronakrise hinzugewonnen.
Es handelt sich somit um ein „Win-win-win-Instrument“, von dem sowohl Projektentwickler als auch Kapitalanleger sowie der Wohnungsmarkt profitieren können. Gerade für Privatanleger in Niedrigzinszeiten ergibt sich daraus eine Anlagealternative mit attraktiver Rendite-Risiko-Relation, indem ihr Kapital gebündelt und über eine Laufzeit von wenigen Jahren zur Finanzierung einer Wohnprojektentwicklung zur Verfügung gestellt wird.