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Der Lebenszyklus nachhaltiger Gebäude

„Nachhaltigkeit braucht Lebenszyklus. Lebenszyklus braucht Prozessveränderung.“ Das Motto der zweiten Veranstaltung der „IG Lebenszyklus Hochbau“– Mitte November 2012 in Wien– steht symbolisch für die Notwendigkeit neuer Verantwortungsmodelle bei Bau- und Infrastrukturprojekten.

Über 40% des gesamteuropäischen Energieverbrauchs entfallen auf den Gebäudebereich. In Österreich stammen alleine 30% des gesamten CO2-Ausstoßes von unzureichend gedämmten Gebäuden. Da ist es nur wichtig und ein Gebot der Stunde, den Lebenszyklus von Immobilien „gesamtheitlich“ zu betrachten und zu analysieren sowie an effizienteren, ressourcenschonenden Prozessen zu arbeiten. Die IG Lebenszyklus Hochbau hat sich der ehrgeizige Ziel gesetzt, neue Verantwortungsmodelle und „Lifecycle-Instrumente“ zu entwickeln, die öffentliche und privaten Bauherren dabei unterstützen sollen, ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Der Bogen spannt sich dabei über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden: beginnend beim Kundenbedarf und einer Vision des Auftraggebers über die Erneuerung und Teilerneuerung bis hin zum Umbau oder gesamten Rückbau einer Immobilie.

Zahlt sich Nachhaltigkeit aus?

Wie sehr sich eine nachhaltige Verfahrensweise auch in wirtschaftlichen Belangen „auszahlt“, dokumentiert u. a. eine Studie des Trendexperten und Kommunalforschers Harald Pitters. Darin wird die partnerschaftliche Einbindung von Entscheidungsträgern und Stakeholdern ebenso als wesentliches Kriterium zur Einsparung analysiert wie das strategische Beschaffungsmanagement und die Ausgabenoptimierung durch Betreibergesellschaften. Effizienz und Einsparung sind laut der Studie auch die Vorteile von Private-Partnership-Projekten für Gemeinden in Österreich. Nachhaltigkeit bei Immobilien beginnt mit der Verbindung und Zusammenführung von Prozessen aller am Bauprozess Beteiligten, bekräftigt die IG Lebenszyklus Hochbau. Von der Planung, der Errichtung und der Beschaffung bis hin zur Finanzierung und dem Betrieb soll eine ganzheitliche, lebenszyklusorientierte Verfahrensweise geschaffen werden. Die IG möchte hier als Organisationsplattform fungieren und alle Mitarbeiter aus dem Planungs- und Betriebsprozess zusammenführen.

Nachhaltige Gesamtoptimierung

Als Grundvoraussetzung für ein lebenszyklisches Bewusstsein gilt bereits die hohe Bestellqualität des Bauherrn bzw. Projektleiters. Ebenso bedarf es eines kompetenten Monitorings, das im Sinne einer nachhaltigen Gesamtoptimierung agiert. Hier möchte die IG neue Kooperationsmodelle entwickeln und diese am Markt standardisieren. Als Ziel gilt, am Ende ein gemeinsames Leistungsbild zu erreichen, das marktkonformen Prozessen entspricht. Als Richtlinien möchte man hier beispielsweise den Österreichischen Aktionsplan zur nachhaltigen Beschaffung (NAP) oder die EU-Gebäuderichtlinie integrieren. Wie soll nun eine ganzheitliche und lebenszyklusorientierte Verfahrensweise erreicht werden? Die IG hat vier Arbeitsgruppen gebildet, in denen die Interessen, Zugänge und Schwerpunkte der gesamten Wertschöpfungskette analysiert und definiert werden. Generell sind von Beginn an alle im Lebenszyklus relevanten Verantwortungsbereiche „gleichzeitig und gleichberechtigt“ zu berücksichtigen. Dabei gibt es– neben einer detaillierten Bedarfsplanung– vier Kernsegmente:

  • Design/Planung: Von Anfang an ist ein integraler Planungsprozess mit allen Teildisziplinen erforderlich.
  • Errichtung: Zielsetzung ist die „langfristig“ angelegt Qualität und Wertbeständigkeit.
  • Betrieb: Im Fokus steht die Optimierung des Verbrauchs und der Werterhalt.
  • Finanzierung: Hier gilt es eine auf die Risikoverteilung zwischen Bauherrn, Partner und Projektablauf abgestimmte Finanzierungsform zu finden.

Die möglichen Abwicklungsmodelle

Insgesamt sechs Abwicklungsmodelle hat die IG Lebenszyklus Hochbau nunmehr festgelegt, bei der ökologische, ökonomische und soziale Ziele der Nachhaltigkeit erreicht werden können. Grundsätzlich gilt beim Blick auf den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie: Je kleiner die Verantwortungshierarchie strukturiert ist, desto mehr Managementaufwand und Risiko verbleiben beim Bauherrn. Entscheidet sich also der Bauherr für die Einzelvergabe aller Planungs-, Bau- und Finanzierungsleistungen, so benötigt er eine hohe inhaltliche Kompetenz und Prozessmanagement-Kenntnisse. Werden dagegen einzelne Planungs-, Betriebs- und Bauleistungen gebündelt an verschiedene Auftragnehmer vergeben, so sinkt der Managementaufwand auf etwa 20 bis 50%.

Ein drittes Modell der IG zeigt, dass Planungs- und Errichtungsaufgaben getrennt von den Betriebs- und Finanzierungsdienstleistungen vergeben werden und es öffentlich-rechtlichen Bauherren dadurch ermöglicht wird, eine funktionale Ausschreibung sowie ein Verhandlungsverfahren für Planung und Bau durchzuführen. Mit der Bündelung von Planungs-, Errichtungs- und Betriebsleistungen und der Trennung der Finanzierungsleistungen– im vierten Modell– wird dem Bauherrn im Bereich der Finanzierung hohe Kompetenz abgefordert. Hier gilt es deshalb, nicht an den Erfordernissen der Fremdkapitalgeber vorbeizuplanen– Stichwort „Bankability“.

Beim fünften Modell können Errichtungs-, Betriebs und Finanzierungsleistungen sowie die Planungsleistungen im Rahmen eines Architekturwettbewerbs ausgeschrieben werden. Alle Leistungen von einem Auftragnehmer bzw. „Lebenszyklus-Unternehmer“, lautet das Credo des sechsten Modells. Die notwendige Management-Eigenleistung des Bauherrn wird hier auf ein Minimum reduziert, was die Konzentration auf das Kerngeschäft ermöglicht.

Dass ein ganzheitliches Lebenszyklusprojekt nicht nach Abnahme der Bauleistung endet, versteht sich von selbst. Entsprechende Monitoring-Prozesse sollten deshalb bereits während der Ausschreibung eines Projekts initiiert werden.

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Geschrieben von:

Helmut Wolf

Interview-Partner:
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  • Erschienen am:
    22.11.2012
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