Die Handelslandschaft in Zentren und Innenstädten ist nach wie vor geprägt durch Expansionsstopp und Flächenreduktion. „Die Verkaufsfläche ist 2023 insgesamt um zwei Prozent gesunken, das sind 1.200 Shops weniger, und das wird sich auch fortsetzen“, sagt Romina Jenei, CEO von RegioPlan Consulting. In der aktuellen Marktentwicklung zeigt sich auch, dass expandierende Vertriebslinien – insbesondere in der Gastronomie und im Bekleidungshandel – zunehmend kleinere Flächen zwischen 100 und 200 Quadratmetern bevorzugen und dabei innerstädtische Lagen vorziehen. „Vor fünf Jahren waren hingegen deutlich größere Flächen gefragt“, stellt Romina Jenei fest.
Kleinere Flächen
Den Trend zu kleineren Flächen bestätigt auch Stefan Goigitzer, Managing Partner Coore-GC Real Estate: „Die größte Nachfrage kommt aus dem Bereich 40 bis 200 Quadratmeter. Große zusammenhängende Flächen werden nicht mehr so häufig nachgefragt, außer im Luxusbereich.“ In diesem Zusammenhang bemerkt Mario Schwaiger einen „Louis-Vuitton-Effekt“. Der Leiter Einzelhandelsimmobilien von EHL Gewerbeimmobilien meint damit, „dass sich viele internationale Luxury-Brands rund um die neue Vuitton-Lage am Graben in der Wiener Innenstadt niederlassen wollen.“ Unternehmen siedeln sich gerne dort an, wo ihresgleichen ist.
Luxus- und Toplagen
Neben den Luxuslagen sind auch die Toplagen, wie zum Beispiel die Neubaugasse in Wien, gefragt, wo Stefan Goigitzer zuletzt ein Geschäftslokal im Ausmaß von 700 Quadratmetern an einen großen Konzern vermietet hat: „Hier ließen sich noch viele Flächen vermieten. Die Nachfrage kommt in diesem Fall aus zahlreichen Bereichen, unter anderem sind es Textil- und Foodkonzepte.“ Expandierende Unternehmen bekommen aktuell sehr viele Angebote, da viele Flächen auf den Markt kommen“, so Mario Schwaiger. Da wirklich nur die Topstandorte realisiert werden, funktionieren Innenstadtlagen und Lagen in angrenzenden City-Bezirken sehr gut: „Der Fokus liegt bei vielen Unternehmen auf Wien, dann kommt Graz, und häufig werden auch Klagenfurt und Innsbruck genannt.“
Handelslandschaft polarisiert sich
Die Handelslandschaft zeigt sich nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa zunehmend polarisiert, was nicht zuletzt mit den zahlreichen Krisen der vergangenen Jahre zu tun hat. Auf der einen Seite erlebt das Niedrigpreissegment eine sehr stabile Entwicklung, sodass Diskonter in nahezu allen Branchen kontinuierlich Marktanteile und Flächen von anderen Anbietern gewinnen. „Diskont-Konzepte sind nach wie vor sehr expansiv“, so Mario Schwaiger: „Woolworth, TEDi, Action, NKD oder Thomas Philipps profitieren vom derzeitigen preissensitiven Konsumverhalten.“ Auf der anderen Seite gewinnt eben auch das Luxussegment zunehmend an Bedeutung, während das mittlere Segment, insbesondere im Bekleidungs- und Schuhhandel, an Stärke verliert und schrumpft.
Positive Grundstimmung bei suchenden Unternehmen
Eine positive Grundstimmung bei den suchenden Unternehmen lässt sich für Stefan Braune, Leitung Retail bei der ÖRAG, daran festmachen, „dass die bestehenden Projekte trotz Mangel an verfügbaren Gewerken, zeitversetztem rechtlichem Feedback sowie Herausforderungen in Hinblick auf Abstimmungen mit den Behörden zielführend weiterverfolgt werden.“ Die Neueröffnungen sollen noch vor der Weihnachtszeit umgesetzt werden. Ein gewagtes Vorhaben, denn „die Mietvertragsverhandlungen dauern aktuell sehr lange“, meint Mario Schwaiger: „Von Mieter und Vermieter werden sämtliche Themen momentan sehr genau abgewogen und die Kosten noch genauer durchleuchtet beziehungsweise optimiert.“ Was gar nicht mehr geht – oder kaum –, sind zwei- oder mehrgeschoßige Flächen: „Die sind aktuell kaum mehr nachgefragt. Nur in Ausnahmefällen.“ Der Fokus liegt auf Erdgeschoßflächen – insbesondere auch wegen der geringeren Personalkosten.
Verändertes Konsumverhalten
„Es ist wichtig zu betonen, dass der Wandel in der Handelslandschaft eng mit den Veränderungen im Konsumverhalten verknüpft ist“, sagt Romina Jenei: „Ein langfristiger Vergleich der Ausgaben zeigt, dass sich die Einstellung der Menschen zum Konsum deutlich verändert hat.“ Ausgaben für Bereiche wie Spaß, Unterhaltung und Erholung nehmen überproportional zu, während klassische Handelsprodukte wie Bekleidung, Schuhe, Elektronik und Bücher an Bedeutung verlieren.“ Trotzdem ist es spannend, dass sich einige Textilunternehmen als „klassische Retailer“ von den Umsetzrückgängen in den vergangenen Jahren erholt haben „und somit auch wieder der Glaube an den österreichischen Markt zurückkehrt“, so Stefan Braune: „Damit einher gehen neue Markteintritte, Erweiterungen der Bestandsflächen sowie die Übernahme von insolventen Unternehmen.“
„Wir werden künftig deutlich mehr Transformation und Innovation im Handel erwarten und sehen müssen“, blickt Romina Jenei in die Zukunft, „meist auf kleineren Flächen, oft in einer Kombination mehrerer Branchen und jedenfalls mit innovativen Lösungen.“