Zuerst wurden in CEE die Gewerbeimmobilien, wie Büros und Einkaufszentren, entwickelt, während der Wohnbau anfangs sehr stiefmütterlich behandelt wurde– und das, obwohl er für die Experten der zukünftige Wirtschaftsträger im Immobilienbusiness des Ostens sein wird. UBM-CEO Karl Bier: „Ich bin sicher, dass die Wachstumsraten in diesem Bereich andere Wirtschaftszweige übertreffen werden.“ Aus gutem Grund, wenn man sich nur einmal zwei Aspekte vor Augen führt. Während in Deutschland einer Person rund 40 Quadratmeter und in Österreich 36 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen, sind es in Tschechien 30, in der Slowakei 27 und in Polen 24 Quadratmeter. Bulgarien und Rumänien schneiden noch schlechter ab und von den ehemaligen Sowjetstaaten gibt es mit Ausnahme der baltischen Länder nicht einmal Statistiken.
Eigentum im Plattenbau
Der zweite Faktor: 20 Millionen Plattenbauten, allesamt in schlechter Bauqualität, existieren in den osteuropäischen Ländern. 94 Millionen Einwohner gibt es in den Staaten Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Ungarn und gemeinsam mit Russland 238 Millionen. Wohnraum wird in den nächsten Jahren vor allem in den Ballungsräumen benötigt. Alleine in der tschechischen Republik, ein Land, in dem die Wohnbauentwicklung schon weiter fortgeschritten ist, leben in 80.000 Plattenbauten und 1,2 Millionen Wohnungen drei Millionen Menschen und somit ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes. Die Bausubstanz der Siedlungen, von denen die meisten zwischen 1971 und 1980 in einem bautechnischen Schnell- und Billigverfahren errichtet wurden, ist höchst sanierungsbedürftig. Und damit ist das Projektvolumen auch schon vorgegeben.
Die Krise und die Folgen für den Wohnbau
Mit dem Wirtschaftsaufschwung kam auch der Wohnbau in Schwung und in den Hauptstädten und übrigen Ballungsräumen wurden Wohnbauten errichtet. Immer unter der Annahme, dass die Wirtschaftslage so bleiben würde. Doch dann brach die Krise aus, die Banken zogen sich zurück, vergaben keine Privatkredite mehr und damit fiel die Käuferklientel von einem Tag auf den anderen aus. „Ende 2009 gab es zum Beispiel in Bukarest rund 6.000 unverkaufte Neubau-Wohnungen“, erklärt Alfons Metzger, Geschäftsführer der Metzger Realitäten Gruppe. Und das in einer Hauptstadt, die zu den am stärksten wachsenden Ballungsräumen aller CEE-Staaten gehört und wo der Bedarf entsprechend hoch ist. Die Käufer sind vorsichtiger geworden und so fiel die Nachfrage im Vergleich zum Vorjahr um fast 50%. Die Preise für neue Wohnungen sanken im Vergleich zum Vorjahr um zirka 19%. Der durchschnittliche Preis lag gegen Ende 2009 bei rund 1.300 Euro pro Quadratmeter.
„Wir zahlen nicht mehr.“
Wobei in der rumänischen Hauptstadt wenigstens diese 6.000 Wohnungen fertig waren. In der Ukraine, wo die Wohnbauprojekte erst viel später in die „Gänge kamen“, sieht die Sache wesentlich dramatischer aus. 90% der Wohnbauten wurden komplett eingestellt; teilweise waren sie von den zukünftigen Bewohnern schon angezahlt und von den Banken finanziert. Rechtsanwalt Timur Bondaryev von Arzinger und Partner in Kiew: „Der Bau ist nicht fertig, das Geld ist weg und der Developer verschwunden. Die Leute wollen diese Kredite nicht weiter zurückzahlen. Die Banken haben jetzt bis zu 50% Bad Takes.“ Die Kreditinstitute haben auch keine Sicherheiten in der Hand, denn von den geplanten Immobilien steht oftmals nur ein Bruchteil. Weniger hart, aber wirtschaftlich bedingt ebenfalls schlechter ist die Situation in Russland, wo im Jahr 2009 rund 59,8 Millionen Quadratmeter an Wohnimmobilienflächen fertig gestellt wurden– 6,3% weniger als im Jahr 2008. Metzger: „Aufgrund der unklaren Zukunft der russischen Wirtschaft wurden viele Projekte auf Eis gelegt oder auf spätere Jahre verschoben.“ Auch im Jahr 2010 werden in Russland weniger Neuflächen fertig gestellt werden als geplant. Statt 80 Millionen Quadratmeter, so wird geschätzt, werden es in etwa nur 50 Millionen sein, also über 40 Prozent weniger.
Potential auf Jahrzehnte
„Auch wenn der Wohnungsmarkt eingebrochen ist, so besteht generell großes Potenzial“, erklärt Markus Neurauter, Sprecher der Geschäftsführung Raiffeisen evolution project development GmbH, und auch Bruno Ettenauer, Vorsitzender des Vorstandes der CA Immo AG, sieht „einen extremen Nachholbedarf“. Und es gibt einige Länder, in denen der Wohnungsmarkt auch tatsächlich wieder anspringt, „nämlich dort, wo am wenigsten ein Abschwung zu verzeichnen war, wie zum Beispiel in Polen“, so Neurauter. Dort beginnt die Raiffeisen evolution in der nächsten Zeit auch mit einem neuen Wohnprojekt. Neben dem Wohnbedarf sind „eine entsprechende Rechtssicherheit und finanzielle Sicherheit gegeben“, so Karl Bier, Vorstandsvorsitzender der UBM: „In Ländern wie Polen oder Tschechien macht es durchaus Sinn zu bauen.“ Bier: „Wir haben ja genug Wohnbauten in Tschechien errichtet und kennen den Markt seit zehn Jahren. Es ist aus unserer Sicht ein sicheres Investment, weil man schon während der Bauzeit durch die Käufer eine gewisse Absatzsicherheit hat.“ Der Grund dafür liegt in der Handlungsweise der Banken in der tschechischen Republik und in Polen. War bisher die Kreditvergabe eher restriktiv, so wurde sie in den vergangenen Monaten gelockert und der private Wohnungskauf wird wieder finanziert. Deshalb ist für den UBM-Vorstands-Chef Bier klar: „Wir steigen wieder verstärkt in Tschechien und Polen ein.“
Krisensicherer Immobilienzweig
Wie viel Fläche in den nächsten Jahren neu gebaut oder renoviert wird, hängt von der unterschiedlichen Wirtschaftsentwicklung der einzelnen Länder ab. Die Baukosten betragen rund zwei Drittel des österreichischen Niveaus. Die Pro-Kopf-Einkommen liegen aber nur bei rund 15 bis 50% der Einkommen hierzulande. UBM-CEO Bier: „Sowohl in Tschechien als auch in Polen werden Eigentumswohnungen und Reihenhäuser in gehobenem Standard für die zahlungskräftige Klientel errichtet. Dieser Geschäftszweig hat sich als krisensicher erwiesen.“ Sogar während des Konjunkturabschwungs der letzten beiden Jahre war in diesem Bereich ein Absatz gegeben. Bier: „Geld ist im Osten genug vorhanden, man muss nur wissen, wo.“ Massenwohnbau ist für UBM kein Thema, denn hier ist das Risiko zu groß und die Margen sind zu gering. Das ist auch ein Grund dafür, warum in der serbischen Hauptstadt Belgrad 2009 einige Mittelklasse- und Luxusobjekte fertig gestellt wurden, „obwohl größere Nachfrage für Immobilien der niederen Preiskategorie besteht“, so Metzger. Und auch die Preise sind auf relativ hohem Niveau angesiedelt. Für besonders attraktive und gut ausgestattete Standorte liegen die Preise zwischen 3.000 und 4.000 Euro pro Quadratmeter, während sich mittelmäßige Objekte in einer Preisspanne von rund 1.300 bis 2.500 Euro pro Quadratmeter bewegen.
Von Wohnbauförderung noch weit entfernt
Die Möglichkeit des Massenwohnbaues würde sich erst eröffnen, wenn es in den CEE-Staaten so etwas wie eine Wohnbauförderung gäbe, wovon die Länder noch weit entfernt sind, auch wenn es notwendig wäre. Wolfgang Amann, Geschäftsführer des IIBW, Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen: „Was alle Ostländer über kurz oder lang entwickeln werden müssen, ist ein Modell, das mit dem geförderten Wohnbau vergleichbar ist, wie wir ihn zum Beispiel in Wien haben. Es wird nicht funktionieren, dass man den gestiegenen Wohnbedarf nur über den frei finanzierten Bereich abdeckt.“ Vorrangig liegt das Interesse der Käufer noch am Wohnraum an sich und ökologische Gedanken spielen keine wesentliche Rolle– für die österreichischen Developer hingegen schon. Raiffeisen-evolution-Chef Neurauter: „Wir bauen in CEE keine Passivhäuser wie in Österreich, dennoch achten wir darauf, dass die Qualität, mit der wir in CEE bauen, unseren Baunormen in Österreich entspricht, zum Beispiel bei der Wärmedämmung“, erklärt Neurauter: „Allerdings sind wir damit dem Markt sehr weit voraus.“ Der RE-Chef sieht allerdings, dass sich auch in den CEE Ländern „eindeutig ein Bewusstsein in diese Richtung entwickelt“. Das Grundbedürfnis „Wohnen“ abzudecken steht im Vordergrund und die Tatsache, dass Eigentum in den CEE-Ländern für die Bevölkerung enorm wichtig ist, lässt einen Mietwohnungsmarkt, wenn überhaupt, vorerst nur in den Ballungszentren wie den Hauptstädten entstehen.