Das gleiche Grundschema
Interessanterweise folgen seit Jahrhunderten alle Finanzkrisen dem gleichen Grundschema, und dennoch haben die Menschen bisher nichts daraus gelernt. Prinzipiell liegt dies in der Natur des Menschen: Es ist die Gier, die ihn treibt, und daher stellt er Vermutungen über die Zukunft an, die oft fehlerhaft sind. Zum Beispiel: Die US-Immobilienpreise gehen immer und endlos weiter aufwärts. Schon im Mittelalter gab es Zusammenbrüche und Wirtschaftskrisen und die kommerzielle Überdehnung trug einiges dazu bei– die Grundlage einer Wirtschafts- beziehungsweise Finanzkrise liegt in der Ausdehnung endloser finanzieller Ansprüche auf eine endliche, reale Wirtschaft. Filialen im In- und Ausland, riskante Jumbo-Kredite und hochspekulative Anlagen ähnelten in vielen Punkten heutigen Großbanken und rissen schon vor fast 600 Jahren die Medici in den Abgrund.
Tulpenzwiebel und sichere Anlagen
Der holländische Tulpenwahn von 1637– als Tulpenzwiebeln ein hochriskantes Spekulationsobjekt wurden– ist der Prototyp für viele spätere Finanzkrisen und gilt als frühe und exemplarische Spekulationsblase. So seltsam uns heute dieses Szenario anmutet, so seltsam dürfte einem Tulpenzwiebelhändler die Situation vorkommen, komplett uneinbringbare Kredite in neue „Papiere zu verpacken“ und diese mit originellen Namen als „sichere“ Anlagen weltweit weiterzuverkaufen. Hier haben aber auch die großen Ratingagenturen bemerkenswert versagt, als sie Finanzprodukten, die sie selbst nicht verstanden und die fragwürdig waren, den Stempel der Unbedenklichkeit oder eine hervorragende Bonität aufdrückten. Warum jetzt denselben Agenturen wieder so viel Glauben geschenkt wird, ist in gewisser Weise ein Rätsel.
Die Konsequenzen aus 1929
Aus der Weltwirtschaftskrise von 1929 hat die Politik wenigstens eine Konsequenz gezogen: Es wird mehr miteinander geredet und abgestimmt. Man versucht zumindest, an einem Strang zu ziehen, doch ist die aktuelle Situation mit jener der letzten Jahrhunderte nicht mehr zu vergleichen. Die aktuelle Krise hat noch einen zusätzlichen Schneeballeffekt eingebaut: Die Systeme sind weltweit extrem vernetzt und selbst der ehemalige britische Premierminister Gordon Brown gab in einer Dokumentation zu, dass er 2008/09 selbst erschrocken war über die unglaubliche Vernetzung der Finanzmärkte und die damit verbundene wirtschaftliche Gefahr für den gesamten Globus.
Wir stehen erst am Anfang
Die Lehmann-Pleite war erst der Beginn einer Finanzkrise, an der wir noch heute laborieren und die definitiv noch nicht ausgestanden ist– die Probleme sind nämlich nicht kleiner, sondern größer geworden. Die Finanzmärkte sind leider für Selbstregulierungen nicht geeignet und auch bei einem Vergleich der Kräfteverhältnisse zwischen Finanzmarkt und Politik ist ganz klar, wer hier das Sagen hat– der Skandal um die englische Bank „Standard Chartered“, die quasi der Schatzmeister der iranischen Zentralbank war, ist ein treffendes Beispiel. Auffällig auch in den vergangenen Jahren, dass weltweit die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht und sich damit die sozialen Spannungen verschärfen– gleichzeitig ist die enorme Arbeitslosigkeit in einigen „entwickelten“ Ländern jetzt schon gefährlich hoch.
Die Lösung
Diese Krise, in der wir uns befinden, ist daher weitaus umfassender als alle bisherigen und lässt sich auch wirtschaftlich und finanztechnisch nicht so einfach lösen. Sie hat erstmalig eine globale Dimension erreicht, weil sie sich weltumspannend abspielt, von keiner nationalen Regierung deshalb mehr kontrolliert, gestoppt oder verhindert werden kann und gleichzeitig auch eine Krise der Ethik und des Vertrauens ist. Diese Krise, in der wir uns befinden, und von der zu erwarten ist, dass sie stärker wird, lässt sich nur durch ein neues Weltbild lösen.