Verwunderlich eigentlich, dass vonseiten der Projektentwickler und Investoren erst jetzt so viel Augenmerk auf Logistik in Österreich gelegt wird. Lange Jahre dümpelten die Logistikflächen in Österreich vor sich hin. Gebaut wurde für den Eigenbedarf. Erst mit dem Onlinehandel als Treiber „gewinnen aber spekulativ errichtete Logistikparks mehr und mehr an Interesse und Bedeutung“, so Franz Kastner, Associate Director Industrial & Logistics Agency, CBRE, über den österreichischen Markt. Dass der Onlinehandel der Auslöser ist, kommt daher, dass es plötzlich eine Masse an unterschiedlichen Transportabwicklungen gab, die vorher nur in koordiniertem, planbarem Maß erfolgte. „Daher bleibt auch der wachsende Onlinehandel ein konstanter Treiber für die Nachfrage von Logistikflächen in Stadtnähe“, so Kastner: „Der damit verbundene Flächenbedarf wird aufgrund der Lageanforderungen auch zukünftig hauptsächlich auf sogenannten Brownfields umgesetzt werden. So wurden bis dato alle neueren Paketumschlagszentren innerhalb der Stadtgrenze auf brachliegenden Industriearealen realisiert.“
Paketvolumen wird sich vervielfachen
Das Vienna Research Forum (VRF) und Otto Immobilien haben den gesamten Bestand an Logistik-, Produktions- und Industrieflächen in Wien und Umgebung dokumentiert. Dieser beträgt demnach insgesamt 5.303.846 Quadratmeter an Logistik-, Produktions- und Industrieflächen, wobei 47 Prozent auf Logistik- und 53 Prozent auf Produktions- und Industrieflächen entfallen. Damit ist allerdings erst einmal der aktuelle Bedarf halbwegs gedeckt. Blickt man nach Deutschland, so kann man erahnen, wie sich der Markt entwickeln wird. Laut der deutschen Unternehmensberatung Oliver Wyman wird sich das Volumen ausgelieferter Pakete in Deutschland bis zum Jahr 2028 noch einmal fast verdreifachen.
Verdrängungswettbewerb in Wien
Die Entwicklung ist bereits spürbar. „Der Wunsch nach raschen Lieferketten bringt Dienstleister näher zum Kunden und erhöht die Nachfrage nach verkehrsgünstig gelegenen Logistikimmobilien in City-Nähe“, meint Tina Steindl, Teamleiterin Industrie/Gewerbe/Logistik bei Otto Immobilien. In Wien herrscht mittlerweile ein Gerangel um die besten Plätze, und dies führt laut dem Marktbericht von Otto Immobilien zu steigenden Preisen und einem Verdrängungswettbewerb von bestehenden handwerklichen Betrieben. „Eine Lösung dafür wäre die verstärkte Entwicklung von zentrumsnahen Logistik- und Gewerbeparks sowie Gewerbehofkonzepten, die sich international bereits vielfach bewährt haben“, so Steindl.
Lösungen für die “last mile”
Woran aber international noch gearbeitet wird, ist das Problem der „last mile“. Jeder will sein Paket an die Wohnungstür geliefert bekommen, aber keiner den Verkehr vorm Haus ertragen. Diesen gordischen Knoten zu zerschlagen erfordert kreative Lösungen. Daher ist man in den Städten auf der Suche nach Verteilerstellen für „the last mile“: Flächen, die von einer zentralen Hauptumschlagsbasis beliefert werden und von denen aus der Empfänger versorgt wird. „Gerade zentrale Flächen an wenig frequentierten Seitenstraßen könnten sich beispielsweise für Paketverteilerstationen eignen“, so Richard Lemon, Geschäftsführer von Danube Property Consulting.
Wenn die Logistikketten ausgefeilt sind, könnten neben Parkgaragen auch innerstädtische Räumlichkeiten, die sich derzeit noch für keine alternative Nutzung anbieten, in den Fokus rücken. Dazu zählen unter anderem Gassenlokale in B- oder C-Lagen und nicht genützte Erdgeschoßzonen. Auch für die Retourenlogistik, ein immer wichtigeres Thema, könnten diese Microhubs von Nutzen sein.
Private Garagen mit zentraler Anlieferung
Geht man davon aus, dass die Städte in Zukunft weniger Verkehr produzieren werden – aufgrund von Sharing-Mentalität, Elektromobilität und vor allem selbstfahrenden Fahrzeugen –, könnten vielleicht nicht mehr benötigte Abstellplätze die Versorgungskette für „the last mile“ schließen. Geben würde es genug, denn im verdichteten Wiener Stadtgebiet werden deutlich weniger Stellplätze gekauft. Garagen mit einer Stellplatzanzahl entsprechend der Wiener Bauordnung stehen in diesen Lagen oft zu mehr als 50 Prozent leer.
Die Sorge, dass plötzlich eine Vielzahl von Lastwagen die private Garage frequentiert, ist langfristig unberechtigt. Über kurz oder lang werden die noch geschlossenen Systeme der einzelnen Verteiler zu einem gemeinsamen offenen System führen müssen, in dem jeder gleichberechtigt agieren kann. „In time“-Lieferungen werden vom Kunden vorausgesetzt, unterscheiden werden sich die Zusteller in ihrer Dienstleistung und im Service.
Die Zukunft gehört offenen Zustellboxensystemen
Ein ähnliches Szenario zeichnet sich bei den nicht zugestellten Waren ab. Die Zustellboxen, die es mittlerweile gibt, oder auch lokale Abholstationen werden zukünftig nicht nur für einen Betreiber nutzbar sein, sondern für alle. Den Konsumenten interessiert nicht, wer es betreibt, Hauptsache, es funktioniert. Andreas Liebsch von GO ASSET: „Die Zukunft wird sein, dass wir flächendeckend in ganz Österreich offene Zustellboxensysteme haben.“ Den Playern wird gar nichts anderes übrig bleiben, denn der Markt ist umkämpft, und die Wirtschaftlichkeit muss erhalten werden. Dienstleisteroffene Paketstationen werden in den kommenden Jahren Einzug halten, davon ist nicht nur Liebsch überzeugt.
Noch etwas weiter entfernt zu sein scheint die Kombination von Produktion und Logistik. Aber letztendlich ist es auch hier nur eine Frage der Zeit. Im Zuge der Industrie 4.0 entwickelt sich die Printtechnik auf dem 3D-Drucker immer weiter. Rohstoffe werden angeliefert, aus denen das Produkt mit dem neuen Verfahren gefertigt, also gedruckt, wird. In einem weiteren Schritt wird es dann ausgeliefert. Produktion und Logistik wären damit unter einem Dach vereint und ergäben eine komplett neue Art von „Logistik“-Immobilie.