Seit über 20 Jahren bin ich Journalist mit dem Schwerpunkt Immobilien. Wenn ich zurückdenke, so haben wir sehr viele seltsame Zeiten erlebt, und es gab viele Höhen und auch einige Tiefen. Eine der großen Tiefen waren die Marktverwerfungen infolge der Finanzkrise 2008, die sich auf die Immobilien flächendeckend ausgewirkt hat. Es war aber keine Krise der Immobilien – sie waren leider nur die Leidtragenden. Diese Phase haben wir aber letztlich gut überstanden, und seither gab es nur einen Weg: nämlich den nach oben.
Derzeit haben wir ebenfalls eine Krise, und sie ist wieder nicht von den Immobilien ausgegangen. Sie könnten allerdings in Mitleidenschaft gezogen werden. Ich möchte dazu sagen, ich halte nichts von den Meldungen über „wegbrechende Immobilienpreise“ oder vom Gegenteil, dem allumfassende Jubel über „einen enormen Aufwärtstrend, mit dem keiner gerechnet hat“. Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen, und wie sich in diesem eigenartigen Weltwirtschaftsexperiment die Dinge entwickeln werden, wissen wir nicht. Wie sich die Preise entwickeln werden, schon gar nicht.
Aber es gibt auch sehr viele Veränderungen, die sich aufgrund der aktuellen Entwicklung abzeichnen. Um ehrlich zu sein, kann man gar nicht so viele Innovationen und Neuerungen erwähnen, wie sie in den letzten Monaten nicht nur die Branche, sondern die ganze Welt erfasst haben.
Bleiben wir einmal bei der (Immobilien-)Wirtschaft: Allein das Thema Homeoffice ist schon aufschlussreich. Covid-19 und die damit verbundene Heimarbeit sowie Videoanbieter wie Zoom haben die Arbeitswelt innerhalb weniger Wochen in einer Weise verwandelt, die noch vor einem halben Jahr niemand vorausgesehen oder für möglich gehalten hätte. Es war mehr ein Ruck als eine Verwandlung, und das mit einer Geschwindigkeit und einer Reichweite, die sich niemand auch nur annähernd hatte vorstellen können.
Ich will hier das berühmte Silvesterbeispiel nennen. „Wenn Ihnen jemand zu Silvester gesagt hätte, dass wir im Mai …“ Nichts von alledem hätten wir geglaubt. Was wäre aber, wenn wir dieses Beispiel weiterspinnen und sagen: „Wenn Ihnen jemand im August gesagt hätte, dass wir Ende des Jahres …“? Nichts von alledem hätten wir geglaubt.
Wissen Sie, was ich meine? Die Entwicklung ist nicht rückgängig zu machen, sie wird im Gegenteil immer dynamischer.
Vielleicht sollten wir uns von den tagesaktuellen Schreckensgeschichten einmal trennen, um von der nebelverhangenen Covid-Position wegzukommen und wieder einen größeren Ausblick zu haben. Uns fragen, wohin die Entwicklung in vielen Bereichen langfristig führen könnte. Dazu möchte ich sagen, dass ich einer von denen bin, die nicht daran glauben, dass wir die Epidemie weiterhin monatelang über uns ergehen lassen müssen? Dazu passen für mich viele Aussagen und Fakten nicht wirklich zusammen.
Ich glaube auch nicht, dass in den kommenden Jahren in regelmäßigen Abständen immer wieder Pandemien über unseren Planeten fegen werden, denen wir schutzlos ausgeliefert sind. Es wird aber noch besser: Ich gehe tatsächlich davon aus, dass wir uns am Ende des Jahres nicht mehr mit diesem Thema beschäftigen werden, sondern nur mit den Auswirkungen. Diese werden noch lange spürbar sein und laufend Veränderungen bringen. Sie müssen weder schlecht noch gut sein, sie werden anders sein. Entscheidend ist, was wir daraus machen. Ich möchte fast von einer Art Transformation sprechen.
Daher halte ich es für unumgänglich, umzudenken. Nämlich alle diese Themen, die uns Corona aufgezeigt hat, weiterzudenken – in andere Richtungen zu denken. Das Kurzfristige müssen wir ohnehin erledigen, aber der Blick muss auf die langfristigen Entwicklungen gerichtet sein. Denn dort liegt die Zukunft – und eine Zukunft mit Angst und Schrecken kann ich mir wirklich nicht vorstellen.