Auffällig viel ist heuer auf der MIPIM, der größten Gewerbeimmobilien-Messe der Welt, von Opportunities gesprochen worden. Auf diesen Messejargon wird immer dann zurückgegriffen, wenn die Ertragschancen hoch, aber ungewiss scheinen. Dass das diesmal gehäuft zu vernehmen war, lag nicht zuletzt daran, dass mit den drei promoteten Ländern Brasilien, Türkei und Russland Hoffnungen auf höhere Erträge abseits der bekannten Märkte verknüpft wurden. „Das Kapital wird hauptsächlich in Core-Assets angelegt“, erzählte Ilias Manoukas von Colliers International, und am Rand der Messe war in einer Veranstaltung von zwei Dritteln der Gesamtinvestitionen die Rede. Das würde die Renditen reduzieren, und eine Möglichkeit, dem zu entkommen, seien die alternativen Märkte: „Durch das Verlegen auf Nischenmärkte kann man hier ein wenig mehr herausholen.“ Dies sei mit Spezialprodukten wie Hotels möglich. Zudem sei in dynamischen Volkswirtschaften mehr zu erreichen, war den Investoren mit den „Countries of Honour“ nahegelegt wurde. Bei Brasiliens Publikumsveranstaltungen erging man sich allerdings vor leeren Auditorien in Erklärungen über große Möglichkeiten. Nicht viel anders war es auf den Ständen der russischen Regionen, die auf viel Fläche offensichtlich wenig internationales Publikum anlocken konnten. Türkei-Vorträge waren zwar gut besucht, aber hauptsächlich von Türken. Immerhin wurde am Podium angesprochen, dass bei Projekten ein neuer Maßstab angelegt und nur tatsächlich vorhandene Nachfrage als Treiber ins Auge gefasst würde – Immobilien-Tycoons, so der Wortlaut, wurde eine Absage erteilt.
London als Zugpferd
Einiges tat sich auch am Österreich-Gemeinschaftsstand, auf den sich auch immer wieder internationale Gäste verirrten oder deutsche Geschäftspartner, die hierhin eingeladen wurden. „Österreich-Investments sind wegen der Stabilität für Versicherungsfonds ein Thema“, gab Wolfgang Vejdovsky von PwC Österreich einen Einblick in die Geschäftslage. Einen stärkeren Zustrom verzeichnete man im London-Pavillon. In der Finanzmetropole gehen Core-Values und Renditeerwartungen scheinbar noch gut zusammen. Das Brownfield-Mixed-Use-Development Battersea war heuer das Liebkind der Engländer, und auch bei den Besuchern kam das ehemalige Kohlekraftwerk an, das vom Betonungetüm der 50er-Jahre zum Shopping-Entertainment-Center mit tausenden Wohnungen in der Nachbarschaft mutieren soll. Bis 2016 soll hier der erste große Bauabschnitt bereits auch schon abgewickelt sein. Das Kraftwerks-Gebäude, das dank seiner Größe und der vier Schornsteine schon seit Langem unübersehbar das Bild Londons mitprägt, soll dem Projekt Bekanntheit geben und einen Status vermitteln. Auf einem der Schornsteine wird eine gläserne Aussichtsplattform errichtet werden, von der man Rundumblick haben wird. Mit Frank Gehry und Norman Foster hat man namhafte Architekten vorgespannt, die eine dichte Bebauung mit hohen Wohngebäuden geplant haben. Der Londoner Bürgermeister machte auf der MIPIM Stimmung, um Investoren für die Brownfield-Developments à la Battersea zu mobilisieren: „Es kommen einfach sehr viele nach London, und da brauchen wir neue Wohnungen.“ Von 50.000 neuen Arbeitsplätzen war die Rede, die einen satten Bedarf an Wohnraum nach sich ziehen würden.
Wohnprojekte nicht mehr langweilig
Das Thema Wohnen gewinnt in den Metropolen Europas weiter an Bedeutung, wie in und um Zürich, München oder in den skandinavischen Städten. Wien ist ja dafür auch ein Beispiel, obwohl die Stadt in Cannes einmal mehr nicht Präsenz gezeigt hat. Immerhin erwähnte der Leiter der finnischen Delegation, Hannu Penttilä, dass bei den Entwicklungen in Lahtis Bahnhofsarealen auch ein Blick auf Wien und den Zentralbahnhof geworfen wurde: „Wir haben uns das in Wien genau angesehen und machen ebenfalls Mixed-Use-Developments, und bei den Wohnbauten werden Sozialwohnbau und frei finanzierter Wohnbau gekoppelt.“ Glasbüros wie in Wien wolle man in Finnland allerdings vermeiden, und statt die Liegenschaften an die Projektgesellschaften zu verkaufen, werde man vorzugsweise mit Leasingmodellen arbeiten. Diese langfristig laufenden Verträge würden in Lahti jährliche Einnahmen in der Größenordnung von 200 Millionen Euro fürs Stadtbudget bringen. Das Thema Grundstücksleasing konnte einem da und dort auf der Messe begegnen, und der Anbieter eines französischen Projekts umschrieb den doch etwas zweifelhaften Vorteil für den Investor mit einer begrenzten Laufzeit so: „Nach Ablauf der Zeit kann man das Gebäude einfach abreißen.“ Auch wenn das in Finnland eleganter mit Nachverträgen gelöst wird, zeigt sich doch deutlich, welchen Einfluss das finanzwirtschaftliche Denken auf das Immobiliengeschäft weiterhin hat. Dass dies aber nicht zu jedermanns Freude geschieht, verdeutlichte eine Demonstration, die von Globalisierungsgegnern am zweiten Tag der MIPIM in Cannes als Gegenveranstaltung abgehalten wurde.
Alte Areale im Umbruch
Die Neunutzung von stillgelegten Gebäuden und Arealen ist ein Trend, der auf der heurigen Gewerbeimmobilienmesse an der Côte d’Azur stark festzustellen war. Am Stand von Berlin war es der ehemalige Flughafen Tempelhof, der präsentiert wurde, wobei das Areal zur Entertainment-Zone umfunktioniert worden ist. Im Gegensatz zum Flugfeld Aspern blieb hier das Zentrum gänzlich unbebaut. Schon jetzt finden in Tempelhof Kulturveranstaltungen statt, und der Ort empfahl sich in Frankreich für weitere Entwicklungen. Was für Berlin Tempelhof ist und für London Battersea, das ist La Halle Freyssinet für Paris. Die 1927 errichtete Halle, die vor zwei Jahren unter Denkmalschutz gestellt worden ist, wird nach Plänen des Architekten Jean-Michel Wilmotte renoviert. Hier sollen die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen beziehungsweise eine Art Zentrum für Kreative, in dem nicht weniger als 1.000 Start-up-Firmen ihr Unternehmen einrichten und zum gegenseitigen Nutzen betreiben sollen. Der ehemalige Eisenbahnumschlagplatz, der schon zum Weltkulturerbe erhoben worden ist, wird auf 33.000 Quadratmetern Fläche hybride Arbeitszonen bieten, wobei in Anspielung auf die Vornutzung nach dem Raum-im-Raum-System Container aufgestellt werden. Mit einem modularen Raumprinzip und den innovativen Nutzern will man sich in Paris als moderner Standort positionieren. Ähnliches hat man übrigens mit der ehemaligen Austria-Tabak-Fabrik in Linz vor beziehungsweise ist das dort auch schon in Umsetzung. Für Veronas alte Tabak-Fabrik wiederum wurde auf der MIPIM der Plan vorgestellt, diese zum Konferenz- und Kongresszentrum umzubauen. Das Festivalareal in Cannes bleibt jedenfalls als Messegelände weiter erhalten, denn wie man am Rande der Messe erfahren konnte, soll hier weitere zehn Jahre das Immobilienspektakel in Szene gehen.