Was früher Wohngemeinschaften waren, gibt es heute immer noch. Allerdings haben sie einen anderen Namen bekommen, und sonst hat sich auch einiges geändert. Die Idee aber, Wohnräume gemeinsam zu nutzen, ist geblieben. Es zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass Co-Living eine durchaus interessante Wohnalternative ist, aber vielleicht nicht für alle Menschen und vielleicht nicht zu jeder Zeit. „Lebensabschnittswohnen“ nennt es Sandra Bauernfeind, Geschäftsführerin von Heimat Österreich, und bringt damit das Wohnkonzept auf den Punkt: „Familienmodelle sind das nicht.“
Studio im „TrIIIple“ ist ideal
Tobias Siegel, Consultant bei PKF hospitality group, wohnt selbst in einem kleinen Studio und ist mit der Situation zufrieden: „Das Motiv für mich ist die Flexibilität, die man hat. Es ist sehr hotelähnlich, und die geteilten Räume funktionieren sehr gut.“ Er meint damit zum Beispiel die „Möglichkeiten des Wäschewaschens oder die Küchen“. Sandra Bauernfeind sieht das eher skeptisch: Die Gemeinschaftsbereiche seien wichtig, aber die Grundanforderungen an eine Wohnung müsse die Wohnung schon selbst abdecken. „Ich halte nichts von Gemeinschaftsküchen. Gewisse Funktionen kann man nicht auslagern.“
Bedarf auf allen Altersstufen
So gesehen bleibt Co-Living letztendlich eine Frage der eigenen Vorstellungen vom Wohnen und der Wohnwünsche, wobei Andreas Hawlik, Geschäftsführer HAWLIK GERGINSKI Architekten, überzeugt ist: „Co-Living hat auf allen Altersstufen Bedarf.“ Während es von jungen Menschen verstärkt angenommen wird, scheint es bei den älteren Menschen allerdings erst langsam anzukommen. „Wir erwarten für die Zukunft, dass es mehr Co-Living-Möglichkeiten für Senioren gibt“, so Tobias Siegel, wobei er aber dezidiert nicht ein Altersheim meint, sondern einfach eine andere Form des gemeinschaftlichen Wohnens.
Co-Living auch am Land?
Auch auf dem Land beginnt sich langsam eine Art von Co-Living zu entwickeln. Letztendlich sind die ländlichen Strukturen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert wie die urbanen – wenn auch nicht in dieser ausgeprägten Form. „Momentan ist Co-Living noch ein urbanes Konzept“, so Tobias Siegel, „aber das Interesse im ländlichen Raum wird immer größer.“ Verantwortlich für diese Entwicklung sind unter anderem die verbesserten Home-Office-Möglichkeiten beziehungsweise die Flexibilität bei der Arbeitszeit und natürlich die Digitalisierung. Es ist zu erwarten, dass sich in den Kleinstädten diese Wohnform in den kommenden Jahren etablieren wird. „Es gibt aber auch bereits spannende internationale Konzepte, die ,Arbeiten und Übernachten‘ anbieten“, so Tobias Siegel. Wobei diese, wie etwa coconat-space.com oder arthouse-coliving.com, für Bewohner aus aller Welt angelegt sind. Co-Living international eben. Andreas Hawlik sieht in diesem Segment auch eine Chance für die Ferienhotellerie in der Nebensaison.
Ist Co-Living gar nicht die Ausnahme, sondern die Regel?
In Anbetracht dieser Entwicklungen stellt sich für Evgeni Gerginski, Geschäftsführer von HAWLIK GERGINSKI Architekten, die Frage, ob Co-Living vielleicht gar nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist: „So gesehen bräuchte man das familiäre Wohnen mit viel Wohnfläche eigentlich nur für 18 Jahre.“ Im Umfeld des Architekten beginnen immer mehr Menschen, „die Kinder haben, die jetzt ausziehen, zu überlegen, ob ihr Wohnraum nicht zu groß ist“. Ob Co-Living im klassischen Sinn für diese Menschen infrage kommt, hängt von ihrer Einstellung ab; ganz abwegig ist es für einige jedenfalls nicht.
Eine Situation wie in den USA wird es zumindest in Österreich in den kommenden Jahren nicht geben. „Dazu sind wir alle noch zu sehr mit den Immobilien verbunden. In den USA wird regelmäßig umgezogen“, meint Martina Maly-Gärtner, Mitglied des Vorstands der UBM Development AG. Sie sieht aber nicht nur in den USA, sondern allgemein auch den finanziellen Aspekt: „Mit Co-Living sparst du pro Monat viel Geld im Vergleich zu Wohnungen.“
Durchmischung der Generationen
Durchaus interessant könnten in den kommenden Jahren auch Projekte sein, bei der es eine „Durchmischung der Generationen gibt“, so Sandra Bauernfeind: „Sowohl für ältere Menschen als auch für junge könnte diese Lösung durchaus befruchtend wirken.“ Immer mehr Co-Living-Places haben dies im Angebot, „man muss das allerdings aus studentischer Sicht auch mögen“, so Andreas Hawlik. Der Architekt erinnert sich an ein Projekt, bei dem diese Mischung angedacht war, nämlich für Studenten als Sozialmodell, indem sie Senioren unterstützten. Dafür sollten sie nur die Betriebskosten zahlen. Das Projekt scheiterte allerdings, wobei es nicht an der Mischung lag, sondern an der Lage. „Es war einfach zu weit vom Ortskern entfernt und daher weder für Senioren noch für Studenten attraktiv“, erklärt der Architekt.
Die zahlreichen Projekte mit Vorsorgewohnungen, die in den letzten Jahren errichtet wurde, würden sich für Co-Living anbieten. „Zwei Zimmer wären ideal für diese Mischungen“, so Andreas Hawlik, „aber es fehlt in diesen Projekten der Gemeinschaftsbereich. Würde es diesen im Erdgeschoß geben, dann könnten die Konzepte funktionieren.“ Aber wie gesagt: Man muss es mögen. Dennoch ist in den kommenden Jahren eine weitere Verfeinerung und Entwicklung von Co-Living zu erwarten.