Typisch Sylt – das sind neben den modernen Familien- und Ferienhäusern auch die Geesthardenhäuser mit ihren Reetdächern, Backsteinmauern und Klöntüren, deren obere Türhälfte sich öffnen lässt, während die untere verschlossen bleibt. Reet ist das traditionelle Baumaterial der Insel, das auf der (östlichen) Watt-Seite Sylts wächst und früher aus reinen Kostengründen von Seefahrern, Fischern und Bauern für die Dächer verwendet wurde. Ralph Justus Maus, Sylter Immobilienspezialist und Projektentwickler, über die Schilfdächer: „Heute kommt Reet vom Festland, aus Polen, der Türkei und sogar China und ist teurer als Hartbedachung. Als lebendes Kulturdenkmal ist die außergewöhnliche Bedeckung nicht mehr von der Insel wegzudenken und wird daher aufwendig alle paar Jahre gereinigt und kontrolliert.“
Tradition als Herausforderung
Der traditionelle Baustil, der die Insel so prägt, kommt allerdings auch mit seinen Herausforderungen für Architekten und Bauträger: „Je nach Insel-Ort gibt es erhebliche Bauvorschriften“, so der Immobilienspezialist Maus, „etwa in Kampen gibt es seit 100 Jahren eine Ortsgestaltungssatzung, die Reetdach vorschreibt. Weitere Vorschriften sind etwa der Einsatz von Rotklinker-Ziegelsteinen für Fassaden, Sprossenfenstern, aber auch einer beschränkten Trauf- und Firsthöhe.“ Ein Haus mehrere Stockwerke in die Höhe zu bauen, wird daher in vielen Fällen unmöglich. Um dennoch dem Wunsch der Eigentümer nach mehr Quadratmetern nachzukommen, werden die Architekten kreativ: Ausgeklügelte Lichtschacht- und Belüftungssysteme machen es möglich, auch mehrere Stockwerke unter der Erde lebenswerte Räume zu schaffen. Statt aus dem Fenster blickt man dann eben in den Lichtschacht, der oft kunstvoll und verblüffend realistisch bemalt wird, um den Eindruck von einem Ausblick auf die Dünenlandschaft zu erwecken.
Neu interpretiert
„Es wird kaum neues Bauland ausgewiesen, daher werden ältere Häuser abgerissen und die Grundstücke dann neu bebaut. Zudem wird viel renoviert“, kommentiert Maus die rege Veränderung der Insel. „Da es beispielsweise auch Vorschriften bezüglich Fenster- und Öffnungsgrößen gibt, ist eine moderne Architektur oft schwer umsetzbar. Da sind dann eben Ideen gefragt, die hier geschickt ansetzen. Wir haben vor einigen Jahren einen Wettbewerb für eine moderne Reetdach-Architektur mit einigen sehr interessanten Resultaten ausgeschrieben: Der Siegerentwurf von Martin A. Müller und Michael Dazko hat es beispielsweise geschafft, moderne Architektur mit traditionellen Materialien so zu kombinieren, dass sich ein interessanter skulpturaler Baukörper bildet. Das Reet ist innovativ eingesetzt und die unterschiedlichen Traufhöhen eröffnen tolle Ausblicke in die Landschaft“, sagt Maus über die Kombination von Neubau und Tradition.