Der Schreibtisch hat als Arbeitsplatz (fast) ausgedient – eine Situation, die noch Ende der 90er-Jahre als futuristisch gegolten hat. „Er mag für einige noch identitätsstiftend sein“, merkt Christian Farnleitner, Geschäftsführer der SORAVIA-Tochter SoReal, an, und Wolfdieter Jarisch, Vorstand der S+B Gruppe, ergänzt: „Vielleicht. Eben nur in einer Generation, nämlich unserer Generation.“ Diese Art zu arbeiten wird bald der Vergangenheit angehören, denn die Generation Z – junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind – denkt mittlerweile bereits ganz anders. Aktuell verlieren klassische Büros, in denen jeder Arbeitnehmer seinen eigenen Schreibtisch hat, immer mehr an Attraktivität. Der Arbeitsplatz kann überall sein. „Es gibt eine Auflösung des Arbeitsplatzes zugunsten von vielen Orten“, so Oliver Bertram, Geschäftsführer von teamgnesda. Diese können innerhalb des Bürohauses selbst sein, in der nächsten Umgebung oder in weiterer Folge im Stadtquartier: „Man geht für jede Tätigkeit an einen anderen Ort.“
Activity Based Working
Activity Based Working wird die neue Form der Arbeitserledigung genannt – bei dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je nach Art ihrer Tätigkeit aus einer Vielzahl von Arbeitsumgebungen auswählen können. Daher ist für Oliver Bertram nicht nur die richtige Konzeption der Arbeitsflächen enorm wichtig: „Das Spannende ist ja: Was passiert zwischen den Arbeitsräumen?“ Die Stadt wird zur Landschaft, und dort muss der Raum sinnvoll zu nützen sein, damit sich die Mitarbeitenden identifizieren können. „Wir gehen von einem hochflexiblen Büro zu einem hochflexiblen Quartier über“, so der Geschäftsführer von teamgnesda.
Das Arbeiten im Stadtquartier birgt für die Eigentümer einer Immobilie auch weitere Vorteile, die sie entlasten. Es muss nicht mehr jedes Gebäude die gesamte Infrastruktur für ein Arbeitsumfeld beherbergen. Die Kantine muss nicht mehr im eigenen Büro sein, sie muss nur fußläufig im Stadtquartier erreichbar sein. Und es gibt nicht nur ein Lokal im Haus, sondern im Quartier stehen mehrere zur Auswahl. Vielfalt ist wichtig.
Dennoch muss es eine „Homebase“ geben, verweist Sabine Müller, Chief Innovation and Marketing Officer von value one, auf die Erfahrungen der letzten Zeit: „Diese ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig.“ Das Gefühl, zum Unternehmen zu gehören, und die Verbindung zu diesem dürfen nicht verloren gehen, so sehr Freiheit und Flexibilität im Vordergrund stehen. Auch nicht in der Weite des Quartiers. So kehrt man gerne wieder zur Arbeit zurück.
Kommunikationsflächen
„Arbeitsflächen sind das eine“, meint Sabine Müller: „Was wir aber auch unbedingt brauchen, sind Flächen zum Austauschen.“ value one hat das in seinem Bürohaus in der Krieau gelöst. Es gibt in den Etagen keine Küchen mehr, dafür aber im Erdgeschoß Gastronomie. Damit ist ein zentraler Treffpunkt für alle geschaffen. Sabine Müller: „Anfangs waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Idee nicht so begeistert, jetzt ist das anders.“ Die Gastro wurde als Treffpunkt akzeptiert, „und in so einem Umfeld entsteht mehr Austausch“. Zudem treffen sich die MitarbeiterInnen öfters, was langfristig auch die Beziehung zum Unternehmen stärkt.
Die Anforderungen an die Büroflächen sind mehr denn je von den Unternehmen und der Tätigkeit abhängig. „Bei unserem Architekturbüro ist Homeoffice bis auf Ausnahmen kein Thema“, meint zum Beispiel Evgeni Gerginski, Geschäftsführer bei HAWLIK GERGINSKI Architekten: „Im Büro ist Platz für große Bildschirme und große Pläne, und die Menschen können sich persönlich austauschen.“ Außerdem sieht der Architekt dies auch aus der Perspektive der Nachhaltigkeit und stellt die Frage: „Ist es nachhaltig, wenn ich zu Haus UND im Büro einen großen Bildschirm, Tisch, Sessel usw. habe?“ Christian Farnleiter sieht das Thema Homeoffice aus einer anderen Perspektive, gibt aber dem Architekten recht: „Ich bin mit dem Thema Homeoffice auch nicht sehr glücklich. Ich glaube, dass es bei über 50 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Voraussetzungen für ein ideales Arbeitsumfeld nicht gibt.“ Evgeni Gerginski sieht außerdem die Vermischung von Arbeit und Wohnen kritisch: „Der Kopf muss sich von der Arbeit ausruhen, das geht nicht, wenn man die ganze Zeit in der gleichen Umgebung ist.“
Homeoffice oder Home mit Office
Daher ist Homeoffice in den eigenen vier Wänden zwar eine Möglichkeit, allerdings werden dazu mittlerweile auch Alternativen geplant. Der Arbeitsplatz kann sehr wohl im Wohnhaus sein – aber es ist eben kein Homeoffice. Wolfdieter Jarisch, Vorstand der S+B Gruppe: „Wir errichten Wohnflächen mit dazugehörigen Büroflächen.“ Wie Homeoffice eben, aber doch nicht zu Hause. Die Arbeitswelten verschwimmen, und letztendlich ist für jeden etwas dabei. Im Vergleich zu früher ist die Auswahl enorm. Sabine Müller sieht die Vermischung innerhalb eines Gebäudes sehr wohl als Möglichkeit: „Warum nicht in einem Gebäude einen Teil Büros und einen Teil Wohnungen haben?“
Büroräume rund um die Städte
Vom Quartier zum Hub vor der Stadt – wäre so etwas denkbar? „Das glaube ich absolut“, steht Christian Farnleitner dieser Idee sehr positiv gegenüber. Bezirksstädte haben für solche Developments durchaus Potenzial: „Der wesentliche Faktor an diesen Standorten ist eine gute Anbindung an das infrastrukturelle Netz.“ Das betrifft natürlich die Verkehrsanbindung, aber auch die Infrastruktur des täglichen Lebens. Oliver Bertram sieht eine Zukunft außerhalb der Großstädte: „In Österreich überwiegen die Mittelstädte, und die sind unterversorgt. Unser Ansatz ist, dass wir in diesen Städten diese Leistungen brauchen. Das sind die großen Chancen, die ein Entwickler hat.“ In diesen ausgelagerten Abteilungen kann man Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits einen alternativen Arbeitsplatz bieten und andererseits dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken.
Der Arbeitsplatz ist mittlerweile überall oder wie Sabine Müller sagt: „Der Arbeitsort ist nicht der Firmensitz: Talente haben keine Postleitzahl.“