Die Gründe für den Wandel am Arbeitsmarkt sind vielfältig:
· Schon länger geistert ein Schlagwort durch die USA, über das auch in den Vorstandsetagen österreichischer Betriebe immer öfter gesprochen wird: The Great Resignation. Menschen kehren freiwillig ihren Jobs den Rücken, bei einer gleichzeitig stetig wachsenden Zahl an offenen Stellen. Anders als vermutet sind es aber nicht nur Beschäftigte in schlecht bezahlten Branchen, die nach der Pandemie nun besser bezahlte Jobs suchen. Auch in Bereichen wie der Technik und unter „white collar workers“ lässt sich ein Trend zu mehr Kündigungen beobachten. Hier werden oft die Neuorientierung nach der Pandemie, der Wunsch nach beruflicher Nachjustierung, nach weniger Stress und einer besseren Work-Life-Balance/einer Rückbesinnung auf Familie und Freunde ins Treffen gebracht.
· Verschärft wird die Situation auch durch die nachrückende „Generation Z“, deren entscheidendes Merkmal die klare Trennung von Privatleben und Beruf ist. Diese Generation hat erkannt, dass die Träume der Älteren nur selten Realität werden, weshalb es für sie mangels Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber auch schwerer ist, sich langfristig auf ein Unternehmen einzulassen. Der Beruf steht erst an zweiter Stelle.
· Gerade in Mitteleuropa sind in den letzten Jahren Billigarbeitskräfte aus Osteuropa weggebrochen, die in Schlüsselindustrien wie dem Tourismus gearbeitet und das Rad am Laufen gehalten haben. Einerseits wurde der Arbeitsmarkt in deren Heimatländern in den letzten Jahren immer attraktiver, andererseits sind sie durch die Pandemie und mehrere Lockdowns zur Rückkehr gezwungen worden.
· Die demografische Entwicklung für Unternehmen ist ungünstig. Es gehen langfristig mehr Arbeitnehmer in Pension als junge Menschen nachkommen.
· Banken sind seit Jahren von einem steten Umbau und Zurückfahren des Retailgeschäfts betroffen, sodass viele Arbeitssuchende diese Branche meiden bzw. verlassen wollen.
Sprach man vor einigen Jahren noch vom „War for Talents“, können sich heute viele Branchen glücklich schätzen, überhaupt arbeitswillige Personen zu finden, um offene Positionen zu besetzen.
Alibi Employer Branding:
Ihr Image am Bewerbermarkt zu attraktivieren ist daher auch für viele Unternehmen das Gebot der Stunde. Employer Branding ist das Schlagwort, dem alle Personalabteilungen hinterherlaufen – alles in der Hoffnung, sich vom Mitbewerb zu differenzieren, als Marke zu glänzen und so mehr Personal zu finden. Wer sich hier behaupten möchte, muss Arbeitssuchenden als starke und glaubwürdige Arbeitsgebermarke in Erinnerung bleiben.
Häufig reduziert sich Employer Branding jedoch auf simplen Aktionismus und flachen Zeitgeist. Man benennt die Personalabteilung rasch in „People and Culture“ um, gewährt Mitarbeiter-Benefits oder Home-Office, kommuniziert die neuen Themen stolz über rasch eingerichtete firmeneigene Social-Media-Kanäle, und zum Weltfrauentag werden brav Blumen an die weiblichen Angestellten verteilt.
Eine Arbeitgebermarke richtig zu entwickeln bedeutet jedoch wesentlich mehr. Hier gelten Markenmechanismen, die in der absatzorientierten Wirtschaft gegenüber der Kundschaft schon lange Bestand haben. Marke fungierte nämlich stets auch als Mittel der sozialen Abgrenzung, als Prestige, als sinnstiftende Identifikation. Und muss daher ehrlich und langfristig aufgebaut werden.
„Warum wollen Kunden meine Produkte kaufen?“ ist die wichtigste Frage in der Absatzwirtschaft, um eine Marke strategisch aufzubauen. Kennt man die Antwort darauf, kann man alle Facetten eines Unternehmens darauf ausrichten. Analog ist die wohl wichtigste Frage, um eine attraktive Arbeitgebermarke zu werden: „Warum sollen Arbeitssuchende gerade in meinem Unternehmen arbeiten?“
Eine attraktive Arbeitgebermarke gezielt entwickeln:
Wie baut man eine Marke erfolgreich auf? Vereinfacht gesagt nur auf redliche Art und Weise. Wenn ein Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum überdurchschnittlich gute Arbeit vollbringt, etwa durch Expertise in einem gewissen Nischenbereich, durch gute Produkte oder Dienstleistungen, die es anbietet, dann entsteht in der Kundschaft so etwas wie ein „positives Vorurteil“ gegenüber diesen Produkten bzw. Unternehmen. Das gilt für den Bäcker am Hauptplatz, der für die besten Brötchen im Dorf bekannt ist, ebenso wie für die multinationale Bank. Der Volksmund sagt dann oft: „Die haben sich einen guten Namen gemacht.“ Nichts anderes ist Marke. Man ist bereit, einen höheren Preis für solche Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen, diese Unternehmen empfiehlt man gerne im Bekanntenkreis weiter, und in solchen Unternehmen möchte man gerne arbeiten, da sich die tolle Unternehmenskultur unter Arbeitssuchenden herumspricht. Stichwort Arbeitgebermarke. Möchte ein Unternehmen eine solche werden, muss es sich mit ähnlichen Fragen beschäftigen: „Was mache ich als Arbeitgeber besser (und anders) als andere Unternehmen? Was kann ich Besonderes bieten, um für Arbeitnehmer attraktiv zu sein? Wie unterscheide ich mich von anderen Unternehmenskulturen, und wie schaffe ich es, mich von anderen Unternehmen in der gleichen Branche erfolgreich abzugrenzen?
Es gibt einen Marketing-Klassiker von Jack Trout, der vor gut 20 Jahren als Buch erschien: „Differentiate or die“. Wer sich nicht unterscheidet, verschwindet über kurz oder lang vom Markt. Denn es gibt eine kaum überschaubare Auswahl an Produkten und Dienstleistungen, die mehr oder weniger ident sind. Ohne die Preise zu senken und damit die eigenen Margen zu reduzieren, ist Differenzierung der einzige Weg für Wachstum und Ertrag. Unternehmen, die alle Trends und Codes einer Kategorie/einer Branche besetzen wollen, verlieren hingegen ihre eigene Gestalt bzw. werden generisch. Der Wille zur Ungleichheit ist wohl das Unternehmerischste an einer Marke überhaupt.
Auch Mitarbeiter suchen Orientierung, gerade in unsicheren Zeiten von Krisen und Umbrüchen. Starke Unternehmensmarken können Mitarbeitern diese Orientierung bieten und Halt geben. Symbolisches Management, also das vorgelebte Verhalten der Führungsebene, ist bis heute wohl das bewährteste Mittel, um eine Arbeitgebermarke nachhaltig aufzubauen. Wir wissen heute aus Untersuchungen, dass gerade die Jungen aus der „Generation Z“ einen ehrlichen, moralisch integren Chef, gerne auch in einem traditionellen mittelständischen Unternehmen, eher schätzen als einen ehrgeizigen Start-up-Visionär als Vorgesetzten, der – übertrieben formuliert – von der Übernahme des Weltalls träumt. Endlich ein Trend, der solide geführten Unternehmen in die Hände spielt.