Etwa 51 Millionen Amerikaner sind Schuldner einer Hypothek. 14% aller Hypothekenhalter von Häusern mit ein bis vier Wohneinheiten sind mit ihrer Zahlung im Verzug oder das Objekt befindet sich bereits in der Zwangsversteigerung– Tendenz steigend. Im Klartext heißt das: Mehr als sieben Millionen Hypotheken werden derzeit (Stand: Oktober 2010) nicht bedient. 80% davon sind „notleidend“, das heißt, die Eigentümer können die Zinsen nicht mehr bezahlen. Nur bei einem Fünftel handelt es sich um „Strategic Defaults“– die Eigentümer könnten zwar noch bezahlen, wollen aber nicht mehr, da die Hypothek den Wert des Objektes übersteigt. Wurden im Jahre 2005 noch rund 60.000 Zwangsvollstreckungen im Monat eingeleitet, so ist diese Zahl inzwischen auf 350.000 angestiegen.
Hier informationshalber die Wahrscheinlichkeitsraten, dass es bei Zahlungsverzug zu einer Versteigerung kommt:
90 Tage im Verzug: 99,2% 60 Tage im Verzug: 95,6% 30 Tage im Verzug: 72,4%
In den Boomjahren bis 2006/2007 wurden bis zu 1,8 Millionen neue Häuser pro Jahr gebaut. Diese Zahl ist heute auf etwa 500.000 gefallen. Parallel dazu sind die Verkäufe von bestehenden Häusern auf das tiefste Niveau seit 1999 gesunken. Gemäß Angaben der nationalen Maklerkammer stehen rund vier Millionen Objekte zum Verkauf. Dazu kommen eine unbekannte Zahl von Häusern, die bereits den Banken gehören, sowie ein „Schatteninventar“ verkaufswilliger Eigentümer, die noch keinen Verkaufsauftrag erteilt haben.
Weniger Haushaltsgründungen und Sparsamkeit
Eine demografische Entwicklung erweist sich als Gift für den Markt: In früheren Zeiten wurden– statistisch gesehen– jedes Jahr in den USA mehr als eine Million neuer Haushalte gegründet. Diese Zahl liegt im Moment deutlich tiefer. Die Gründe: Mehr als 14 Millionen Amerikaner sind momentan ohne Arbeit, der Zuzug der Einwanderer hat deutlich nachgelassen und die Konsumenten sind allgemein wesentlich sparsamer. Als Folge ziehen erwachsene „Kinder“ wieder zu ihren Eltern zurück, Paare warten länger mit dem Erwerb ihres ersten Hauses und Ledige bilden Wohngemeinschaften. Der Trend ist mieten statt kaufen. Denn die Ungewissheit über einen weiteren Preisverfall trägt dazu bei, den Kaufentscheid für eine Wohnimmobilie zu verzögern.
Erhebliche Steuervorteile hatten zwischenzeitlich zu einer Erhöhung der Verkaufszahlen geführt. Nach dem Auslaufen der Steuervorteile sind im Juli die Verkäufe bestehender Objekte um 27% gefallen. In den letzten beiden Monaten haben sich diese Zahlen leicht erholt. Die Zahl der potenziellen Käufer nimmt nicht schnell genug zu, um das bestehende Inventar zu absorbieren.
Preise werden durchschnittlich weiter fallen
Natürlich gibt es nicht DEN US-Immobilienmarkt, sondern eine Vielzahl regionaler und lokaler Märkte. Bestimmte Orte und Regionen verzeichnen momentan sogar stabile oder schon wieder steigende Preise. Generell ist aber davon auszugehen, dass das Preisniveau in den nächsten zwei Jahren um weitere 10 bis 15% fallen wird. Im Vergleich zu den Kosten des Eigentums ist das Mieten einer Immobilie derzeit wesentlich günstiger. Als Faustregel müssen die Mietkosten bei 9% des Kaufpreises liegen, damit Eigentum finanziell attraktiv ist. Aufgrund des hohen Angebots an Wohnraum wird das Preisniveau der Mieten auf absehbare Zeit aber tief bleiben.
Die Risiken des Hypothekengeschäfts wurden seit dem Beginn der Immobilienkrise mehrheitlich von den Banken auf die öffentliche Hand transferiert. 96,5% aller neuen Hypotheken werden heute direkt oder indirekt vom Steuerzahler getragen. Die Banken vergeben zwar Hypotheken, aber nur solche, die entweder an GSEs (Government Sponsored Entities) verkauft werden oder aber durch die FHA (Federal Housing Authority) garantiert sind. Somit streichen sie Gebühren ein und erzielen Gewinne, aber übertragen das Risiko der Allgemeinheit. Weit über 90% der neuen Hypotheken werden durch GSE/FHA gewährt beziehungsweise garantiert werden. Non-GSEs (= private Unternehmen) spielen keine große Rolle mehr. Die amerikanische Zentralbank hält allein 1,25 Billionen Dollar an hypothekarisch abgesicherten Wertpapieren. Der Hypothekenmarkt ist praktisch verstaatlicht.
Verluste der Hypothekenriesen
Die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac haben im ersten Halbjahr 2010 12,7 Milliarden respektive 11,4 Milliarden Dollar an Verlusten ausgewiesen. Hinzu kommen die Verluste der FDIC (Einlagenversicherung für das Bankenwesen) in Höhe von 18,55 Milliarden Dollar. Die FDIC rechnet mit Verlusten von 100 Milliarden Dollar aus der Immobilien- und Bankenkrise. Die FDIC hat nicht genug liquide Mittel, um alle Verluste umgehend zu absorbieren. Daher ist sie dazu übergegangen, Vermögenswerte von in Konkurs gegangenen Banken zu verkaufen und deren Wert teilweise zu garantieren. Dadurch wurden Verluste auf 180 Milliarden Dollar Vermögenswerte auf bis zu zehn Jahre in die Zukunft verschoben. Gleichzeitig hat die FDIC von den Banken die Vorauszahlung der Versicherungsprämien für drei Jahre verlangt, um die eigene Liquidität zu polstern. Scheinbar eine Entwicklung ohne Ende: Seit 2007 sind 286 Banken geschlossen worden, weitere 800 Institute stehen auf einer „schwarzen Liste“ der FDIC.
Fazit: Der Immobilienmarkt hängt noch über Jahre hinaus am Tropf des Staates, sei es durch die Übernahme von hohen Verlusten auf Hypotheken, tiefe Zinssätzen zur Förderung der Hauskäufe und Rentabilität der Banken oder durch weitere Steuervorteile für die Hauskäufer. Keine gute Nachricht also für all jene, die auf funktionierende Märkte nach dem Prinzip „Angebot Nachfrage“ hoffen. Und für Amerikas Steuerzahler, die über Jahre die Folgen einer verfehlten Politik zu tragen haben werden, schon mal gar nicht.